Der Plan zur Motorenproduktion in China hat bei Daimler das Fass zum Überlaufen gebracht: Betriebsrat und IG Metall haben die rund 170.000 Beschäftigten in Deutschland zu Protesten gegen Stellenabbau aufgerufen. Die Belegschaft habe schon Sparbeiträge in der Corona-Krise und zum Bewältigen des von der Politik geforderten Umbruchs hin zur Elektromobilität geleistet. "Doch es reicht dem Vorstand nicht. Funktionen sollen ins Ausland verlagert oder gleich ganz verkauft werden. In den Werken zittern die Beschäftigten und haben Angst um ihre Zukunft", erklärte Betriebsratschef Michael Brecht am Montag. Die Angestellten in der Verwaltung fühlten sich geradezu verstoßen. Der Wandel dürfe nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen, forderte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. Zehntausende Arbeitsplätze müssten gesichert werden.
Aktionen seien in dieser Woche an allen Daimler-Standorten geplant - "von Menschenketten im Betrieb bis ins Homeoffice". Die Arbeitnehmervertreter wollen dafür sorgen, dass die Konzernführung 170.000 Postkarten auf den Tisch bekommt. "Jede Karte steht für eine Kollegin oder einen Kollegen mit individuellen Sorgen und Wünschen", erklärte Brecht.
Vergangene Woche gab der Stuttgarter Autobauer bekannt, künftig Hybridmotoren mit dem chinesischen Hersteller Geely in China und Europa zu produzieren. Das deutsche Leitwerk für Antriebe am Stammsitz Stuttgart-Untertürkheim war nach Aussagen des Betriebsrats als Produktionsstandort gar nicht im Gespräch. Management und Betriebsrat ringen dort wie auch im Motorenwerk Berlin schon länger darum, wie viele Produktionsjobs mit der Umstellung auf die weniger arbeitsintensiven Elektroantriebe wegfallen sollen.
Die Sozialpartnerschaft bei Daimler sei mittlerweile angespannt und an einem kritischen Punkt, sagte Brecht am Wochenende dem Handelsblatt. Die Diskussion über Stellenabbau läuft bei Daimler wie in der gesamten Autoindustrie schon seit dem vergangenen Jahr. Programme zum freiwilligen Ausscheiden über Abfindungen oder Altersteilzeit laufen, Leiharbeitnehmer erhielten keine Verlängerungen mehr. Nun aber wirft der Betriebsrat der Daimler-Spitze vor, nur noch einseitig zu agieren. Für großen Unmut hatte zuletzt die Ankündigung gesorgt, unbefristete 40-Stunden-Verträge zu kündigen, so dass die Betroffenen nur noch die üblichen 35 Stunden pro Woche arbeiten dürfen und entsprechend weniger verdienen.
Der Dax-Konzern will die Personalkosten deutlich senken, um den teuren Wandel zu Elektroautos zu stemmen und den Gewinneinbruch in der Corona-Krise zu meistern. Eine konkrete Zahl zum geplanten Jobabbau nennt Daimler nicht. Spekuliert wird über 20.000 bis 30.000 gefährdete Stellen. Kündigungen sind in Deutschland bis Ende dieses Jahrzehnts per Betriebsvereinbarung ausgeschlossen. Daimler hatte Anfang Oktober bekanntgegeben, künftig noch stärker als bis dato angekündigt auf die E-Mobilität setzen zu wollen. Man strebe nicht weniger als „die führende Position“ bei Elektroantrieben und Fahrzeug-Software an, hieß es. Der Konzern betonte nun, man setze seine Bestrebungen fort, „die bestehenden Antriebsstrangwerke auf elektrische Umfänge umzustellen“.
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