Politik

"Egal, wie lange das dauert": Lauterbach fordert ewigen Lockdown bis "Inzidenzwert von 25" erreicht ist

Lesezeit: 3 min
17.12.2020 16:00  Aktualisiert: 17.12.2020 16:00
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, dass der landesweite Lockdown so lange weitergeführt wird, bis die Neuinfektionen pro 100.000 Menschen innerhalb einer Woche unter 25 liegen. Sachsens Ministerpräsident warnt dagegen vor Hysterie und Adhoc-Maßnahmen.
"Egal, wie lange das dauert": Lauterbach fordert ewigen Lockdown bis "Inzidenzwert von 25" erreicht ist
Karl Lauterbach und Jens Spahn. (Foto: dpa)
Foto: Michael Kappeler

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert eine deutliche Verlängerung des Lockdowns über den 10. Januar hinaus - bis unter die Marke von 25 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche. "Egal, wie lange das dauert", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post" (Freitag). Nur dann bestehe ein ausreichendes Polster, damit die Gesundheitsämter mit der Kontaktverfolgung wieder hinterherkämen und nicht gleich der nächste Lockdown drohe.

"Dieser Lockdown ist der wichtigste in der gesamten Corona-Pandemie. An ihm wird sich die Bilanz im Umgang mit der Krise messen. Dieser Lockdown entscheidet darüber, wie viele Tote das Virus noch fordern wird", behauptete Lauterbach. Es sei bereits absehbar, dass der Lockdown bis zum 10. Januar nicht ausreichen werde, um auf den Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche zu kommen.

Sachsen warnt vor Panik und Hysterie

Die immer neuen Schlagzeilen und Schreckensmeldungen verunsichern viele Menschen in der Corona-Krise. Deshalb mahnt Sachsens Regierungschef zur Besonnenheit. In Sachsen stehe ein Abriegeln von Orten mit hohen Corona-Infektionszahlen derzeit nicht zur Debatte. Das stellte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Donnerstag am Rande der Landtagssitzung klar. Sachsen habe früher als andere entschieden, das Land wieder herunterzufahren, sagte er. Man werde jetzt erst einmal die Wirksamkeit der Maßnahmen abwarten.

«Zehn bis vierzehn Tage braucht es, bevor man etwas ganz Konkretes sieht. Vorher ist mit keinen weiteren Einschränkungen zu rechnen», betonte Kretschmer. Die Regierung habe über Pläne und Notwendigkeiten stets offen und transparent gesprochen. «Es gibt in diesem Land keine Ad-hoc-Maßnahmen.»

Bisher ist noch keine Trendwende bei den Neuinfektionen zu erkennen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Dresden kletterte die Sieben-Tages-Inzidenz, also der Wert an Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner binnen einer Woche, am Donnerstag auf 415. Am Mittwoch lag der Wert noch bei 407. Sachsen liegt damit weiter mit deutlichem Abstand vor allen anderen Bundesländern.

Der Regierungschef äußerte die Hoffnung, dass eine Stabilisierung der Zahlen mit den jetzigen Instrumenten gelingt. «Die Zahl der Kontakte durch den Lockdown hat sich massiv reduziert.» Wenn sich die Bevölkerung über Weihnachten und Silvester hinweg an die Regeln halte, werde das zu einem niedrigeren Infektionsgeschehen führen. Ein besonderes Augenmerk liege auf den Pflegeheimen.

Zugleich warnte Kretschmer vor Panikmache in einer ernsten Situation: «Gerade in einer solchen Zeit ist nichts gewonnen mit Hektik oder Hysterie. Gerade in dieser Zeit braucht es entschlossenes, aber eben sehr ruhiges und überlegtes Handeln.» Die sächsische Regierung leiste das. Darauf könne sich jeder verlassen.

Der CDU-Politiker ging auch nochmals auf eine Schlagzeile von Mittwoch ein: Ein Arzt aus Zittau hatte in einer öffentlichen Runde mit Äußerungen über Triage für Aufsehen gesorgt. Der Begriff bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen. Die Ärzte dort hätten mit Menschen diskutiert, die in der gleichen Region leben, aber nicht akzeptieren, wie die Situation in den Krankenhäusern ist, sagte Kretschmer. Da sei in der Wortwahl «zu heftig» argumentiert worden: «In Zittau, in Sachsen, in Deutschland wird in dieser Zeit nach klaren ethischen und medizinrechtlichen Standards gearbeitet. Es gibt keine Sonderkriterien für Covid-19.»

Laut Kretschmer hat die Regierung aber inzwischen auf den «Weckruf» aus Zittau reagiert und Hilfe organisiert. So würden Soldaten der Bundeswehr auch über den Jahreswechsel in Zittau helfen und Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) sei es gelungen, weitere Bettenkapazitäten in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen zu organisieren. Es gebe ein hohes Maß an Solidarität im medizinischen Bereich unter den Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, hob Kretschmer hervor.

Köpping zufolge rechnet auch Sachsen ab dem 27. Dezember mit ersten Schutzimpfungen. Zuerst würden mobile Teams in den Pflegeheimen impfen. Mit den Heimen stehe man bereits in engem Kontakt, es würden Listen von Freiwilligen erstellt. Erst in der zweiten Stufe könnten Menschen geimpft werden, die zu Hause wohnen. Es werde eine bundesweit gesteuerte Impfkampagne geben. Sollte das nicht ausreichen, können man die Menschen auch anschreiben.

Nach den Worten von Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, werden am Jahresende deutlich mehr Arztpraxen geöffnet haben als in vergangenen Jahren. Kretschmer, Köpping und Heckemann wandten sich in einem Schreiben an die niedergelassenen Ärzte, die medizinische Versorgung zwischen den Festtagen abzusichern, um eine zusätzliche Belastung von Notaufnahmen in Kliniken zu vermeiden. Sie warben auch dafür, Covid-19-Patienten in medizinisch vertretbaren Fällen ambulant zu versorgen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

 

DWN
Technologie
Technologie Lithium-Abbau in Deutschland: BGR-Forscher starten Tiefenförderung in der Lüneburger Heide
10.05.2024

Der Weg zu einer nachhaltigen Elektromobilität führt möglicherweise durch die Lüneburger Heide: Die Die Bundesanstalt für...

DWN
Finanzen
Finanzen Genomsequenzierung: Investieren in die personalisierte Medizin der Zukunft
09.05.2024

Genomsequenzierung, Gentherapie, personalisierte Medizin: Die Medizin- und Pharma-Industrie steht vor einem Wendepunkt. Gleichzeitig sind...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview zur Mafia in Deutschland: „Hier gehe ich von Strafvereitelung im Amt aus“
09.05.2024

Italienische Mafia-Organisationen gewinnen in Deutschland zunehmend an Einfluss – und können dabei teilweise auf das stillschweigende...

DWN
Technologie
Technologie Luftfahrt: Klimaneutralität bis 2050 wohl unrealistisch
09.05.2024

Der Luftverkehr gilt als ein starker Treiber zur Klimakrise. Mit technischen Lösungen klimaschonendes- oder gar klimaneutrales Fliegen zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien: Warum die Kapitalrendite eines Unternehmens wichtiger als die Bewertung ist
09.05.2024

Was bestimmt eigentlich den Wert einer Aktie? In der Berichterstattung stehen häufig Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hybrides Arbeiten liegt im Trend - nicht nur aus Umwelterwägungen
09.05.2024

Die klassische Büroarbeit hat es spätestens seit Corona schwer, sich gegen das geschätzte Homeoffice zu behaupten. Immer mehr...

DWN
Technologie
Technologie Erneuerbare Energien knacken wichtige Marke
09.05.2024

Erneuerbare Energien wachsen vor allem dank Wind- und Solarenergie. Der Anteil an der globalen Stromproduktion beträgt mittlerweile 30...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sicherheitsalarm: Wie sich Unternehmen gegen Spionage und Cyberbedrohungen schützen können
09.05.2024

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik warnt davor, dass die Bedrohungslage im Cyberraum ernst ist, insbesondere in Bezug...