Deutschland

Weihnachts-Amnestie: Bundesländer entlassen vorzeitig mehr als 950 Kriminelle aus Gefängnissen

Zur Weihnachtszeit dürfen Hunderte Inhaftierte das Gefängnis früher verlassen. „Mit dem Sammelgnadenerweis erleichtern wir also die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft“, so Berlins Justizsenator Dirk Behrendt.
19.12.2020 17:37
Aktualisiert: 19.12.2020 17:37
Lesezeit: 2 min
Weihnachts-Amnestie: Bundesländer entlassen vorzeitig mehr als 950 Kriminelle aus Gefängnissen
Gut gelaunt, aber offensichtlich viel zu früh im Einsatz ziehen drei Weihnachtsmänner am Montag (16.10.2006) durch den Hamburger Stadtteil Harvestehude. (Foto: dpa) Foto: Carsten Rehder

Rechtzeitig zum Weihnachtsfest zeigt sich die Justiz in den meisten Bundesländern milde und entlässt Hunderte Häftlinge vorzeitig aus dem Gefängnis. Mindestens 963 Inhaftierte durften bereits oder dürfen die Haftanstalten früher verlassen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat. Vielerorts sank die Zahl der Begünstigten jedoch im Vergleich zum Vorjahr.

Die sogenannte Weihnachtsamnestie soll Häftlingen, die ohnehin rund um den Jahreswechsel entlassen werden, ein schönes Fest bescheren - und ihnen ermöglichen, Hilfsangebote und Beratungsstellen zu nutzen, bevor diese in die Weihnachtspause gehen. «Mit dem Sammelgnadenerweis erleichtern wir also die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft», sagte Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

Demnach haben sich in der Hauptstadt die Gefängnistore für 124 Inhaftierte vorzeitig geöffnet - im Vorjahr waren es noch 170. Damals saßen in den Berliner Gefängnissen allerdings auch noch 3800 Menschen ein, aktuell sind es laut Senatsangaben rund 3300.

In Nordrhein-Westfalen ging die Zahl der begnadigten Häftlinge laut NRW-Justizministerium noch stärker zurück - auf 247 Häftlinge (Vorjahr: 522 Häftlinge). In Baden-Württemberg sank die Zahl um ein Drittel auf 200 in diesem Jahr.

Geringer ist die Schwankung in Rheinland-Pfalz, wo die Justiz gegenüber 110 Menschen (2019: 123) Gnade walten ließ. 49 Männer und 6 Frauen profitierten in Niedersachsen von der Tradition. Hessen erlässt 79 Häftlingen insgesamt 1720 Hafttage.

In Brandenburg kamen bislang 33 Gefangene im Zuge der Weihnachtsamnestie auf freien Fuß (Vorjahr: 50). In Sachsen-Anhalt waren es 26, in Schleswig-Holstein 19, in Bremen und Thüringen durften jeweils 6 Menschen früher aus dem Gefängnis. Für das Nachbarland Sachsen ist die Amnestie ein Novum: Erstmals werden dort Häftlinge zur Weihnachtszeit entlassen - und zwar 58.

Dass weniger Menschen als 2019 früher aus der Haft dürfen, könnte an den Auswirkungen der Corona-Pandemie liegen: Viele Straffällige haben in diesem Jahr Haftaufschub erhalten, um in den Gefängnissen Platz zu schaffen für Quarantäne-Maßnahmen, so begründet es etwa das Justizministerium in NRW.

In einigen Bundesländern könnte die Zahl der vorzeitig Entlassenen noch mal steigen - außer in Bayern. Dort gibt es wie auch in den Vorjahren keine Weihnachtsamnestie. «Eine rechtskräftige Strafe im Gnadenwege zu ändern, muss absoluten Ausnahmefällen vorbehalten sein und darf nicht von Zufälligkeiten des Kalenders abhängen», teilte das Justizministerium mit. Die Weihnachtsgnade sei gegenüber Häftlingen, deren Haftzeit zufällig zu anderen Zeiten ende, ungerecht.

Zufällig fällt die Entscheidung, wer begnadigt wird, in den anderen Bundesländern jedoch nicht. Dort kommen nur Häftlinge in Frage, die in ihrer Haft nicht negativ aufgefallen sind und keine langjährige Haftstrafe verbüßen mussten. Gewaltverbrecher oder Sexualstraftäter haben vielerorts ebenfalls keine Chance auf Weihnachtsgnade.

Erfahrungsgemäß wollen übrigens nicht alle, denen eine Amnestie angeboten wird, vorzeitig aus der Haft. So verbrachten allein in NRW im vergangenen Jahr 69 begnadigte Häftlinge Weihnachten lieber im Gefängnis statt in Freiheit.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik IfW-Analyse: Europa verstärkt Ukraine-Hilfe deutlich
16.06.2025

Die europäische Ukraine-Hilfe hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen – doch nicht überall im gleichen Maß. Während die USA...

DWN
Politik
Politik Einbürgerungsantrag: Entscheidung dauert mitunter Jahre
16.06.2025

Die Entscheidung über einen Einbürgerungsantrag kann lange dauern – warum profitieren bislang nur wenige von der verkürzten Frist? Wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-Kurs legt kräftig zu: Woran das liegt und was Anleger jetzt wissen müssen
16.06.2025

Der Ripple-Kurs zeigt sich oft von seiner volatilen Seite. Doch zum Auftakt in die neue Handelswoche klettert der XRP-Coin kräftig –...

DWN
Politik
Politik SPD drängt auf gemeinsame Linie bei AfD-Verbotsverfahren
16.06.2025

Soll die AfD verboten werden? Während einige Bundespolitiker ein AfD-Verbotsverfahren fordern, mahnen andere zur Vorsicht. Im Raum steht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Blackstone setzt auf Europa – Anleger an der Wall Street uneins über US-Ausblick
16.06.2025

Das Vertrauen der Wall Street in Europa wächst weiter. Mit Blackstone signalisiert nun ein weiteres Schwergewicht der Finanzwelt seine...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel in Kanada: Zerrissene Wertegemeinschaft vor Bewährungsprobe
16.06.2025

Der G7-Gipfel in Kanada steht vor enormen Herausforderungen: Konflikte, Uneinigkeit und globale Krisen prägen das Treffen. Wie finden die...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzprofis zeigen: So bauen sich Studenten ihre Geldmaschine
16.06.2025

Sie zeigen jungen Anlegern, wie man es richtig macht: Zwei schwedische Börsenprofis legen Musterportfolios auf – und erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Rundfunkbeitrag: Was sich ändert – und was passiert, wenn man nicht zahlt
16.06.2025

Der Rundfunkbeitrag sorgt regelmäßig für Ärger – sei es wegen der Pflichtzahlung oder neuer Regeln. Millionen Bürger sind betroffen,...