Die Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung befasst sich in einer interessanten Einschätzung mit dem von der EU-Kommission im Verbund mit den Mitgliedsstaaten vorangetriebenen Großprojekt eines „Green Deal“ und dem Ziel, bis zum Jahr 2050 eine komplett „klimaneutrale“ Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen - und zitiert zu diesem Zweck aus einer interessanten Studie der Deutschen Bank.
Deutsche Bank kritisiert unehrliche Debatte
So ist es aus Sicht der Deutschen Bank bemerkenswert, dass von Seiten der Politik und der Medien kaum auf die massiven negativen Folgewirkungen hingewiesen werde, welche eine Realisierung der weitreichenden Vorhaben für Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie auf dem Kontinent mit sich bringe.
Die Akademie zitiert aus einer aktuellen Studie der Deutschen Bank Research-Abteilung zum Thema:
Nun ist es ausgerechnet ein Volkswirt der Deutsche Bank Research, Eric Heymann, der moniert, dass es keine „ehrliche Debatte“ über den europäischen Grünen Deal und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gibt. Wenn die EU-Kommission behaupte, niemand solle auf dem Weg zur Klimaneutralität auf der Strecke bleiben, so gleiche dies „einer Quadratur des Kreises“. Heymann skizziert eine Megakrise, die alles Bisherige in den Schatten stellt und zu „spürbaren Wohlfahrts- und Arbeitsplatzverlusten“ führen würde. Nüchtern stellt er zudem fest: „Ohne ein gewisses Maß an Ökodiktatur wird es nicht gehen“. Der Analyst fordert dazu auf, nicht nur abstrakt über Klimaschutz zu sprechen, sondern vielmehr die Konsequenzen ganz konkret durchzudeklinieren, beispielsweise den Gebäudebereich. Letztlich gehe es auch um „Wahlfreiheiten und Eigentumsrechte“.
Die Analysten der Bank bezeichnen es als unseriös, dass der Grüne Deal in den Medien pauschal als „eine neue Wachstumsstrategie“ angepriesen werde, mit der die EU zu einer „fairen und wohlhabenden Gesellschaft“ mit einer „ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“ werden soll, in der im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und „das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt“ sei.
Das alles lese sich sehr gut, schreibt Heymann, doch um die weitgesteckten Ziele bis 2050 zu erreichen, müssten unsere wirtschaftlichen – und was viel wichtiger ist – auch unsere politischen und rechtlichen Systeme grundlegend verändert werden. Derzeit seien die Folgen der aktuellen Klimapolitik für den Alltag der Menschen „noch relativ abstrakt“ und für die meisten privaten Haushalte noch „erträglich“
Künftig aber müsste für den Weg Richtung Klimaneutralität massiv eingegriffen werden in die Verkehrsmittelwahl, die Größe der Wohnungen und wie diese beheizt werden, den Besitz elektronischer Konsumgüter, wie auch in die Häufigkeit des Verzehrs von Fleisch und Südfrüchten. „Weil wir nicht über ausreichend viele kostengünstige Technologien verfügen, um unseren Lebensstandard CO2-frei beizubehalten“ müssten CO2-Preise „massiv steigen, um eine Verhaltensänderung zu erwirken“, so Heymann.
Und Heymann weiter: „Alternativ oder als Ergänzung bräuchte man kräftige ordnungspolitische Eingriffe. Ich weiß, Ökodiktatur ist ein böses Wort. Aber wir müssen uns wohl oder übel fragen, welches Maß an Ökodiktatur (Ordnungsrecht) wir für akzeptabel halten, um uns dem Ziel der Klimaneutralität zu nähern.“ Für den Analysten bedeutet eine strenge Klimapolitik praktisch zwangsläufig: „Ohne ein gewisses Maß an Ökodiktatur wird es nicht gehen“. Eine ganz praktische Frage illustriere das, so Heymann: „Was machen wir, wenn Hauseigentümer ihre Häuser nicht in Nullemissionshäuser umwandeln wollen oder sie dafür die finanziellen Mittel nicht haben oder wenn dies technisch nicht möglich ist oder wenn sich das für den Eigentümer nicht rechnet?“
Schwere Verwerfungen voraus – in der Innenpolitik der Staaten und innerhalb der EU
Natürlich würde es Verlierer einer Klimapolitik geben, so Heymann, die sich dramatisch von der heute praktizierten unterscheiden müsste. „Diese Verlierer würde es bei privaten Haushalten und bei Unternehmen geben. Es würde auch zu spürbaren Wohlfahrts- und Arbeitsplatzverlusten kommen. Wenn dies nicht der Fall wäre, wäre Klimaschutz ein leichtes Vorhaben.“
DB Research rechnet deshalb mit schweren politischen Verwerfungen durch die Klimaschutzpolitik, sowohl innerstaatlich als auch zwischen den Mitgliedsstaaten der EU: „Natürlich“ würde sich das in der politischen Landschaft widerspiegeln, sowohl national als auch innerhalb der EU. „Es wird Parteien geben, die gegen eine strenge Klimaschutzpolitik argumentieren, wenn diese zu stark steigenden Energiepreisen oder Eingriffen in Wahlfreiheiten und Eigentumsrechte führte“, so Heymann. „Und machen wir uns nichts vor: Solche Parteien werden Zuspruch erfahren.“
Auch innerhalb der EU werde es „erhebliche Verteilungskonflikte“ geben, die zu einer (weiteren) Spaltung der EU beitragen könnten. „Halten wir eine solche politische Polarisierung aus? Oder werden wir unsere klimapolitischen Ambitionen wieder nach unten anpassen, sobald wir erkennen sollten, dass eine allzu strenge Klimapolitik demokratisch nicht mehrheitsfähig ist?“
Warnungen vor Gefährdung der Demokratie
Es ist nicht die erste Warnung vor einer Gefährdung der Demokratie durch die Klimaschutzpolitik. Einige Beispiele: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte in einer Rede am 27. Oktober 2019 vor denjenigen, die jetzt an der Demokratie Zweifel säen. „Kein Kabinett von Experten und Wissenschaftlern, auch kein Kabinett von Klimaforschern, könnte uns – bei allen unumstößlichen Erkenntnissen – die Zielkonflikte, die schmerzhaften Abwägungen und Aushandlungen abnehmen, die jetzt anstehen“, so Steinmeier. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht die liberale Demokratie in Gefahr. Mit Blick auf die Automobilindustrie mahnte er: „Auf Strukturwandel sind wir in Deutschland vorbereitet, Strukturbrüche können wir nicht."
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Die ganze Einschätzung der Akademie Bergstraße zum Green Deal-Projekt finden Sie hier.
Die Analyse von Deutsche Bank Research zum Thema finden Sie hier.