Aus einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der FDP geht hervor:
„Sicherheitsbehörden warnen vor der Gefahr, die von den gewaltfrei agierenden islamistischen Organisationen in Deutschland ausgeht. Zur Abgrenzung von gewaltorientierten Strukturen bezeichnet sie der Verfassungsschutz als ,legalistische Islamisten‘. Insbesondere trifft dies auf die in Europa agierenden Ableger der Muslimbruderschaft (MB) zu. Laut dem Verfassungsschutzbericht 2019 gibt es im Bereich der Personen mit Islamismuspotenzial einen Anstieg um ca. 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, womit sich die Zahl auf 28.020 Personen beläuft (vgl. Verfassungsschutzbericht 2019, S. 180). Davon wird fast die Hälfte aller Personen dem legalistischen Islamismus zugeordnet. Laut einer Umfrage von SWR und BR unter allen Verfassungsschutzämtern in Deutschland hat der ,legalistische Islamismus‘ mehr als 13.000 Anhänger.“
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) führt dazu aus: „Die meisten Islamisten in Deutschland lehnen es ab, Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele anzuwenden. Nicht-gewaltorientierte, sogenannte legalistische islamistische Gruppen verfolgen ihre extremistischen Ziele mit politischen Mitteln innerhalb der bestehenden Rechtsordnung. Sie bestehen auf einer strengen Lesart des Korans, der unabhängig von Zeit und Ort für alle Menschen gültig ist. Richtschnur sind die Weisungen, die im islamischen Recht der Scharia enthalten sind. Die Vorschriften der Scharia dürfen ihrer Ansicht nach nicht relativiert werden. Doppelstrategie: Durch Lobbyarbeit versuchen legalistische Islamisten, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen. Dabei verfolgen sie eine Doppelstrategie: Während sie sich nach außen offen, tolerant und dialogbereit geben, bestehen innerhalb der Organisationen weiterhin antidemokratische und totalitäre Tendenzen. Ziel legalistischer Islamisten ist es, zunächst Teilbereiche der Gesellschaft zu islamisieren. Langfristig streben sie die Umformung des demokratischen Rechtsstaats in einen islamischen Staat an. Um ihre Ziele zu erreichen, betreiben legalistische Islamisten Kulturvereine und Moscheen, die einerseits der Werbung von Mitgliedern, anderseits der Verbreitung der Ideologie dienen. Über ihre Dachverbände versuchen sie, sich dem Staat als Sprachrohr der Muslime anzubieten.“
Ein Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) teilte der „Welt“ mit: „Außenstehenden ist es kaum möglich, die tatsächlichen Absichten legalistischer islamistischer Gruppierungen zu erkennen. Vielmehr verfügen insbesondere die öffentlichen Kontaktpersonen dieser Organisationen oftmals über eine charismatische Ausstrahlung und gute rhetorische Fähigkeiten, weshalb sie sowohl für die Politik und die Verwaltung als auch für soziale Partner wie die Kirchen einen angemessenen Ansprechpartner darstellen.“
„BR24“ führt aus: „Ein Beispiel: die Furkan-Gemeinschaft. Sie wurde in den 90er Jahren in der Türkei von ihrem Anführer Alparslan Kuytul ins Leben gerufen. In Deutschland hat die Gemeinschaft in den vergangenen Jahren in mehreren Städten Ableger gegründet: in Hamburg, Dortmund oder München. Schon im Mai können SWR und BR mit einem Vertreter dieser Bewegung sprechen. Furkan-Sprecher Cenk Göncü betont im Interview, dass seine Organisation keine Gewalt ausübe. Eine pluralistische Demokratie schwebt der Furkan-Gemeinschaft aber nicht vor. Göncü zufolge sind Islam und Säkularismus ,nicht miteinander kompatibel‘.“
„Für den Islamwissenschaftler Professor Matthias Rohe von der Universität Erlangen-Nürnberg sind die Positionen der Furkan-Gemeinschaft nicht nur unvereinbar mit einem säkularen Rechtsstaat, in dem es keine Staatsreligion geben kann. Positionen wie etwa zum Thema Handabhacken seien auch theologisch heute kaum noch vertretbar: ,Die meisten islamisch geprägten Länder haben diese drakonischen Körperstrafen abgeschafft. Und das lässt sich durchaus auf der Basis von Scharia-Argumentationen begründen. Wenn man nämlich das islamische Recht als eine dynamische Materie liest; und es gibt eine Mainstream Meinung, die sagt: Das Recht ist abhängig von den Zeiten und von den Umständen der Lebensverhältnisse‘“, so der „SWR2“.
Doch auch die sozialen Medien werden von den „legalistischen Islamisten“ gezielt genutzt. „Mit großer Sorge beobachten Verfassungsschützer auch Bewegungen, die im Internet unterwegs sind und dort großflächig Kampagnen starten. Zum Beispiel die ,Realität Islam‘. Sie ist aus Sicht der Verfassungsschützer demokratiefeindlich. Die Organisation ist im Rhein-Main-Gebiet ansässig. Mehr als 35.000 Nutzer haben die Facebook-Seite von ,Realität Islam‘ gelikt“, so BR24.
„Im Schatten der Berichterstattung über salafistische und jihadistische Islamisten dürfen legalistische Islamisten nicht außer Betracht gelassen werden“, so die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).