Wirtschaft

Indiens Regierung gibt im monatelangen Streit um Liberalisierung der Landwirtschaft nach

Die indische Regierung hat im seit November andauernden Streit mit zehntausenden Landwirten um eine mögliche Öffnung des Agrarmarktes beigegeben.
08.02.2021 15:37
Aktualisiert: 08.02.2021 15:37
Lesezeit: 2 min
Indiens Regierung gibt im monatelangen Streit um Liberalisierung der Landwirtschaft nach
Protestierende Bauern nahe der indischen Hauptstadt Neu Delhi. (Foto: dpa) Foto: Pradeep Gaur

Indiens Premier Narendra Modi hat Bauern aufgefordert, ihren monatelangen Protest zu beenden. Er sicherte den Landwirten, die zu Zehntausenden gegen die Agrarreform demonstriert haben, am Montag zu, dass die Mindestverkaufspreise erhalten bleiben sollen. Es habe sie in der Vergangenheit gegeben, es gebe sie jetzt, und es werde sie in Zukunft geben, sagte Modi vor Abgeordneten. Zugleich lud er am Montag erneut Bauernvertreter zu Gesprächen über die umstrittenen Gesetze zur Liberalisierung des Agrarmarktes ein.

Die indische Regierung forderte Insidern zufolge zudem Twitter auf, knapp 1200 Accounts abzuschalten, weil viele von ihnen falsche Informationen über die Bauern-Proteste verbreitet hätten. Die Accounts würden vom Erzrivalen Pakistan unterstützt oder von Anhängern der separatistischen Sikh-Bewegung betrieben, verlautete aus dem Technologieministerium. Die Aufforderung an Twitter sei am 4. Februar ergangen. Das Unternehmen habe sie aber noch nicht befolgt.

In Indien wurde Getreide bisher in staatlich organisierten Großmärkten zu garantierten Mindestpreisen gehandelt. Nach der Reform sollen die Bauern ihre Ware auch direkt an Privatfirmen verkaufen können. Die Regierung argumentiert, dass die Erzeuger auf dem freien Markt höhere Gewinne erzielen können und die Reform die Landwirtschaft modernisiert. Die Bauern hingegen befürchten einen Preisverfall, weil sie in Verhandlungen mit den Agrarkonzernen in einer schlechten Position wären. Die zentral organisierten Großmärkte gewährleisten mit ihren Mindestpreisen und ihrer garantierten Abnahme eine gewisse Chancengleichheit zwischen Kleinbauern und großen Agarunternehmen. Bei einer vollständigen Öffnung des Marktes wären die hunderttausenden Kleinbauern früher oder später unter die Räder gekommen, weil sie schlichtweg nicht über die Verhandlungsmacht und die Möglichkeiten großer Erzeuger verfügen.

Proteste seit November

Seit November kampieren Zehntausende Bauern rund um die Hauptstadt Delhi und fordern meist friedlich, die kontroverse Agrarreform zu kippen. Kürzlich kam es dann aber zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Bauern und Polizisten, bei denen mindestens ein Demonstrant starb und dutzende Polizisten verletzt wurden. Daraufhin hatten Sicherheitskräfte Barrikaden um die Lager errichtet. Außerdem sagten Bauern, dass ihnen zum Teil die Wasser-, Strom- und Internetversorgung gekappt worden sei. Der Shutdown des Internets diente Regierungsangaben zufolge der öffentlichen Sicherheit.

Das höchste Gericht Indiens hatte die Umsetzung des Gesetzes Mitte Januar gestoppt. Ein von dem Gericht ins Leben gerufenes Komitee verhandelt seitdem mit Bauernvertretern. Zuvor hatten Gespräche zwischen Bauern und der Regierung keine Einigung gebracht.

Die Landwirtschaft ist für das Entwicklungsland extrem wichtig - sie trägt rund 15 Prozent zur indischen Wirtschaftsleistung bei und ist Lebensgrundlage für rund 60 Prozent der 1,3 Milliarden Einwohner des Landes. Viele Bauern in Indien haben Geldsorgen. Gespräche zwischen Bauern- und Regierungsvertretern hatten bislang nicht zu einer Einigung geführt. Bei den Protesten sind Bauernvertretern zufolge Dutzende Bauern gestorben. Sie seien etwa bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen oder wegen der nächtlichen Kälte erfroren.

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