Deutschland

Viele Haushalte kauften wegen Mehrwertsteuersenkung mehr ein

Viele private Haushalte haben im vergangenen Jahr wegen der zeitweise gesenkten Mehrwertsteuer zusätzliche Anschaffungen getätigt oder diese vorgezogen.
11.03.2021 10:32
Lesezeit: 2 min

Viele private Haushalte haben im vergangenen Jahr wegen der zeitweise gesenkten Mehrwertsteuer zusätzliche Anschaffungen getätigt oder diese vorgezogen. Von August bis Dezember 2020 hätten dies jeden Monat 20 bis 25 Prozent getan, geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Statistischen Bundesamtes im Auftrag des Finanzministeriums hervor. Demnach nutzten insbesondere Familien mit Kindern sowie Gutverdiener die Mehrwertsteuersenkung für zusätzliche oder vorgezogene Käufe. Rund ein Drittel der Haushalte mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren tat dies. Bei Haushalten ohne minderjährige Kinder traf dies nur auf rund jeden fünften zu.

Ähnliche Unterschiede zeigten sich je nach Einkommen. Rund jeder sechste Haushalt mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 2000 Euro tätigte zusätzliche Anschaffungen oder zog geplante Käufe vor. Bei denen über 5000 Euro traf dies im August auf 29 Prozent zu, danach stieg der Anteil sogar noch und lag im Dezember bei 40 Prozent. Die Bundesregierung hatte die Mehrwertsteuersätze in der zweiten Jahreshälfte 2020 von 19 auf 16 Prozent und von sieben auf fünf Prozent gesenkt.

Mehr als jeder zweite berechtigte Haushalt setzte den Kinderbonus von 300 Euro ganz oder teilweise zu Konsumzwecken ein - insbesondere zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgüter, wozu etwa Bekleidung und Schuhe, Einrichtungsgegenstände und Haushaltswaren oder Elektrogeräte zählen. "In etwa genauso häufig wollten die Haushalte den Kinderbonus sparen, wobei die Sparabsicht im Zeitverlauf abnahm", betonte das Statistikamt.

Ökonomen bewerten die milliardenschweren Hilfen unterschiedlich. "Die Kombination beider Maßnahmen hat sich als wirksame Politik zur Konsumbelebung nach der ersten Corona-Welle erwiesen und dadurch zu einem konjunkturellen Erholungseffekt beigetragen", sagte Martin Beznoska vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Vom Kinderbonus, der etwa 4,3 Milliarden Euro gekostet habe, seien 2,3 Milliarden Euro direkt zurück in den Wirtschaftskreislauf geflossen. "Die Mehrwertsteuersenkung hat nicht nur zu größeren Anschaffungen geführt, sondern auch die privaten Haushalte bei alltäglichen Ausgaben entlastet" sagte Beznoska. In einigen krisengebeutelten Branchen wie der Gastronomie sei die Steuersenkung nur teilweise an die Konsumenten weitergegeben worden und habe dadurch zur Stützung der Betriebe beigetragen.

Kritischer sieht das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) die Maßnahmen. Die vorgezogenen Käufe fehlten nun im laufenden ersten Quartal, sagte dessen Wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien. Ein erstes Indiz dafür seien die privaten Kfz-Neuzulassungen im Januar und Februar, die deutlich nachgegeben haben. "Das kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weil sich die deutsche Wirtschaft erneut in Corona-bedingten Beschränkungen befindet", sagte Dullien. Die Mehrwertsteuersenkung sei insbesondere mit Blick auf die fiskalischen Kosten von rund 20 Milliarden Euro "kein ideales Mittel zur Konsumsteigerung" gewesen. "Der Kinderbonus scheint hier deutlich zielgenauer", sagte der IW-Experte. Hiermit werde Konsum angeregt und nicht nur vorgezogen, was konjunkturpolitisch sinnvoller sei. "Da der Kinderbonus bei hohen Einkommen abgeschmolzen wird, ist er zudem sozial zielgenauer", sagte Dullien.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Positive Nachrichten für den XRP ETF: Moon Hash Automatic Income Plan

Analysten prognostizieren einen potenziellen Kurssprung bei XRP, der einen raschen Marktwechsel hin zur intelligenten...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Warum das Edelmetall vor einer historischen Neubewertung steht
15.12.2025

Die Silber-Rallye ist ungebrochen und die Kurse eilen von einem Allzeithoch zum nächsten. Warum trotz neuem Silberpreis-Rekordhoch zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gewinneinbruch bei Autobauern: Deutsche Hersteller besonders unter Druck
15.12.2025

Die weltweite Krise der Autoindustrie macht den deutschen Herstellern stärker zu schaffen als vielen internationalen Wettbewerbern. Eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vertrauensverlust im Mittelstand: Wirtschaft zweifelt an Merz:
15.12.2025

Das Vertrauen des deutschen Mittelstands in die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt deutlich ab. Laut einer aktuellen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 63.000 Jobs bedroht: Ostdeutsche Chemiebranche drängt auf Rettungsplan
15.12.2025

Die Chemieindustrie in Ostdeutschland steht unter Druck: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben der Bundesregierung einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bahnhofstoiletten bleiben kostenpflichtig: DB sieht keinen Spielraum
15.12.2025

Kostenlose Toiletten an Bahnhöfen sind in Deutschland selten. Laut Bundesregierung sieht die Deutsche Bahn aus Kostengründen keine...

DWN
Finanzen
Finanzen Barzahlen wird zur Ausnahme: Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
15.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bauern protestieren gegen niedrige Butterpreise bei Lidl
15.12.2025

Mit Traktoren demonstrieren Landwirte in Baden-Württemberg gegen aus ihrer Sicht ruinöse Milch- und Butterpreise. Im Fokus der Kritik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI revolutioniert Unternehmen: Wie Künstliche Intelligenz Verhandlungen effizienter macht
15.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitsweise in Unternehmensbereichen, in denen bislang menschliche Erfahrung dominierte....