Finanzen

Billiges Gold animiert Bürger zu Rekordkäufen

Die Goldimporte eines Staates, dessen Bürger traditionell große Gold-Liebhaber sind, haben sich im März fast verfünffacht. Die explodierende Nachfrage des bevölkerungsreichen Landes hinterlässt Fragezeichen: Ist Gold derzeit zu billig, oder war Gold lange Zeit zu teuer?
10.04.2021 10:49
Aktualisiert: 10.04.2021 10:49
Lesezeit: 3 min
Billiges Gold animiert Bürger zu Rekordkäufen
Die Bürger nutzen die momentan niedrigen Preise, um sich kräftig mit Gold einzudecken. (Foto: dpa) Foto: Piyal Adhikary

Die Goldnachfrage Indiens ist im März geradezu explodiert. Im Vorjahresvergleich stiegen die Goldimporte um 471 Prozent auf 160 Tonnen.

Als einen Grund führen Analysten geringere Importsteuern als wichtigen Grund für den Nachfragesprung an. Vor allem aber ist Gold nach einer längeren Schwächephase relativ günstig zu haben. Im Sommer 2020 war das beliebte Edelmetall auf ein Rekordhoch von über 2072 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) gestiegen. Seitdem ging es bergab, bis zuletzt bei 1.700 Dollar ein Tiefpunkt erreicht wurde. Aktuell notiert Gold bei 1.743 Dollar.

In Indien ist Gold als Schmuck sehr gefragt. Die Verbraucher und Juweliere nutzten anscheinend das niedrige Preisniveau, um sich ordentlich einzudecken. Indische Schmuckverkäufer bauen gerade auch massiv Lagerbestände auf, weil sie weiterhin mit einer starken Nachfrage rechnen. Das sorgt dafür, dass physisches Gold in Indien derzeit mit einem ordentlichen Aufschlag über den Weltmarktpreisen gehandelt wird.

Die Einzelhandels-Nachfrage ist aber keine sichere Bank, denn in Indien droht ein verschärfter Lockdown, der die Goldnachfrage erst einmal bremsen könnte.

Ist Gold zu billig oder war Gold zu teuer?

Die Schmuck-Nachfrage läuft auf Hochtouren, die Investment-Nachfrage ist dagegen seit geraumer Zeit rückläufig. Darauf deuten zumindest die physischen Bestände der Gold-ETFs hin. Im März sind diese laut World Gold Council um 108 Tonnen gesunken, wofür vor allem eine sinkende Nachfrage aus Nordamerika verantwortlich war.

Der Trend könnte sich hier bald umkehren, falls nun auch die Anleger die niedrigen Preise nutzen wollen, um ihre Goldbestände wieder aufzustocken.

Es ist allerdings unklar, ob Gold aktuell wirklich billig ist, oder ob Gold einen temporären Höhenflug hatte und das aktuelle Preisniveau eine Normalisierung darstellt. Man erinnere sich: Nachdem sich der Goldpreis von 2000 bis 2012 von circa 300 Dollar auf 1.700 Dollar fast versechsfacht hatte, stagnierte das edle Metall zwischen 2013 und 2019 lange Zeit bei einer Marke um die 1.200 Dollar.

Auch wenn die zahlreichen Finanz-Experten, die Gold als langfristige Anlage empfehlen, mit ihrer Einschätzung richtig liegen sollten: Niemand kann garantieren, dass sich dieser langfristig positive Zyklus in den nächsten Jahren bemerkbar macht. Genauso gut könnte Gold stagnieren oder sogar weiter fallen.

Wie sieht es denn mit den mittelfristigen Aussichten für Gold aus? Der Goldpreis weist seit jeher eine starke negative Korrelation mit Realzinsen (oft gemessen anhand der Rendite von Staatsanleihen abzüglich Inflationsrate) auf. Das heißt, wenn die Realzinsen steigen, sollte der Goldpreis tendenziell unter Druck kommen und umgekehrt.

In dieser Hinsicht spricht das steigende Zinsniveau in den USA gegen Gold, allerdings reflektieren die höheren Anleihe-Renditen vor allem erhöhte Inflationserwartungen für die Zukunft, sodass sich das ungefähr ausgleichen sollte. Nur dann, wenn in den USA die Inflation niedrig und die Zinsen hoch bleiben, müssen sich Goldfans Sorgen machen. Dieses Szenario ist aus Sicht vieler Analysten unwahrscheinlich. Wirtschafts-Experten rechnen ohnehin damit, dass die Federal Reserve die relativ hohen Zinsen nicht mehr allzu lange dulden wird, schließlich würde das die kurzfristige Refinanzierung der völlig überschuldeten US-Regierung und der im Schnitt ebenfalls stark verschuldeten Unternehmen erschweren.

Ein anderer Faktor aus den USA sollte eher positiv wirken. An nahezu allen Börsen weltweit wird der Goldpreis – und viele andere Rohstoffpreise – in US-Dollar notiert. Die momentane Dollarschwäche sollte dem Goldpreis also Rückenwind geben, denn in anderen Währungen gerechnet wird das Edelmetall dadurch billiger.

Zentralbanken horten wieder Gold

Eindeutig positiv sind die zuletzt steigenden Goldankäufe durch die Zentralbanken. Die Goldreserven Ungarn haben sich jüngst auf 94,5 Tonnen erhöht und damit mehr als verdreifacht. Die polnische Zentralbank plant, ihre Goldreserven um 100 Tonnen aufzustocken. Auch die indische Zentralbank kaufte zuletzt netto Gold zu.

Die türkische Zentralbank (TCMB) war in den letzten Monaten der einzige relevante Nettoverkäufer von Gold unter den Notenbanken. Die TCMB muss Gold- und Devisenreserven einsetzen, um ihre strauchelnde Währung zu stützen. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Abwertungsspirale der Lira entwickelt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung für Verbraucher: "Fatales Signal"
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...