In der Debatte um ein schrittweises Verbot des Verbrennungsmotors bis zum Jahr 2035 hat sich die Präsidentin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, gegen einen Vorstoß von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ausgesprochen. Beim Ausstieg aus der Verbrenner-Technik könne man derzeit „keine Diskussion über Jahreszahlen führen“, sagte Müller der Süddeutschen Zeitung. Nach derzeitigem Stand der Elektrifizierung des Verkehrs wäre das zu früh
Scheuer hatte sich zuletzt für ein Ende für Autos mit klassischen Benzin- und Dieselmotoren innerhalb der nächsten 15 Jahre ausgesprochen. Der Verbrenner sei damit aber nicht völlig am Ende, sagte Scheuer mit Blick auf synthetische Kraftstoffe. In Bezug auf diese Sicht sagte Müller: „Nicht der Motor ist das Problem, sondern der fossile Kraftstoff.“
Mit Blick auf Forderungen etwa der Grünen, dass alle Autos ab 2030 abgasfrei sein sollten, gab Müller zu bedenken, dass dann zu dem Zeitpunkt etwa 30 Millionen Benziner und Diesel verboten werden müssten. „Wer nicht hundertprozentigen Ökostrom laden kann, dürfte auch nicht fahren.“ Aus diesem Grund brauche es mehr Kraftstoffe aus nachhaltigen Quellen, so die VDA-Präsidentin.
Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt einer aktuellen Umfrage zufolge ein Zulassungsverbot für neue Benzin- und Dieselautos ab. Auf die Frage: „Ab wann sollten Ihrer Meinung nach keine Autos mit Verbrennungsmotoren in Deutschland mehr verkauft werden?“, sagten 55 Prozent der Befragten: „Kein zeitliches Limit.“ Das Meinungsforschungsinstitut Civey hatte im Auftrag des Berliner Tagesspiegels am 15. und 16. März 2502 Bürger repräsentativ befragt.
Die Grünen wollen ab dem Jahr 2030 „nur noch abgasfreie Neuwagen zulassen“. Laut der Freitag veröffentlichten Umfrage stimmen lediglich 22 Prozent der befragten Bundesbürger dieser Forderung zu. Selbst unter den Grünen-Anhängern befürworten nur 55 Prozent ein solches Zulassungsverbot von Benzinern und Dieselautos.
„Der Ast, auf dem wir sitzen, sollte halten“
Insgesamt nimmt der Widerstand gegen die „Klimapolitik“ der EU-Kommission – dabei handelt es sich beispielsweise um Vorschriften zu Emissionsbegrenzungen beim Naturgas Kohlenstoffdioxid – zu.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, hatten in diesem Zusammenhang vor einigen Wochen die EU kritisiert. „Es reicht nicht, CO2-Vorgaben zu machen“, sagte Weber der Süddeutschen Zeitung und warnte mit Blick auf die 14 Millionen Arbeitsplätze in der europäischen Autoindustrie: „Der Ast, aus dem wir sitzen, sollte halten.“
Die Pläne des EU-Klimakommissars Frans Timmermanns machten ihm Sorge, sagte Weber und warnte mit Blick auf neue Euro7-Grenzwerte vor einer „Verbrenner-Verbotspolitik durch die Hintertür“. Europa setze bereits weltweit Maßstäbe bei der Klimapolitik und dürfe die Wende zu Klimaneutralität nicht auf dem Rücken der Menschen austragen, die sich kein neues E-Auto leisten könnten oder um ihren Arbeitsplatz fürchteten.
Die EU sollte den Flottenverbrauch auch nicht nur danach bemessen, was „aus dem Auspuff kommt, sondern die ganze Produktbilanz betrachten“, sagte Weber. Mit dieser Forderung spielt Weber auf die extrem energie- und emissionsintensive Produktion von E-Autos an, welche von der EU als „umweltfreundlich“ bezeichnet werden, dies natürlich aber aufgrund des energieintensiven Baus der Antriebsbatterie und der von fernen Kontinenten herbeigeschafften Rohstoffe nicht sind. So ergab eine Studie des ADAC, dass die meisten Elektroautos erst nach Jahren des Betriebs an die Umweltbilanz von Verbrennern herankommen – bald danach jedoch muss die Batterie wieder ausgewechselt werden und das Spiel beginnt von Neuem.
VW-Betriebsratschef Osterloh wies zudem auf einen interessanten Umstand hin: „Europa fördert die Transformation viel zu wenig.“ Für die Sicherung von Industriearbeitsplätzen in Deutschland gebe es keine Beihilfe: „Wir bekommen keine Förderung für die Transformation bestehender Standorte wie etwa Salzgitter, wo wir neben unserem Motorenwerk eine Batteriezellfabrik hochziehen. Sondern nur, wenn wir in Polen oder der Slowakei etwas neu aufbauen.“
Auch müssten die Autobauer ihre E-Autos überall verkaufen können, um die strengen CO2-Vorgaben der EU zu erfüllen. „Wir erwarten von der EU, dass eine Lade-Infrastruktur eben auch in Süd- oder Mittelosteuropa aufgebaut wird“, sagte Osterloh. Der CSU-Europaabgeordnete Weber mahnte, statt die 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfen der EU „einfach in den nationalen Budgets versickern“ zu lassen, müsste die EU dafür sorgen, dass Geld auch in den Aufbau von Ladesäulen und in Forschungsförderung investiert wird.