Der erste Supercomputer "IBM Quantum System One" des US-Unternehmens IBM außerhalb der USA steht ab sofort Unternehmen und Forschungsorganisationen in Deutschland zur Verfügung, um besondere Algorithmen zu entwickeln und zu testen sowie Know-how aufzubauen. Die Fraunhofer-Gesellschaft betreibt in einem Gemeinschaftsprojekt mit dem US-Konzern den Quantencomputer, der sich in der Nähe von Stuttgart befindet.
Auf der Forschungsplattform können Unternehmen und Institutionen viele wichtige Anwendungen ausprobieren - beispielsweise quantenbasierte Rechenstrategien. Ein solcher Computer arbeitet er nicht auf der Basis der Gesetze der Physik, sondern auf der Basis quantenmechanischer Zustände.
Die Technologie ist aus der Sicht der Fachleute deswegen so wichtig, weil sie schon in einigen Jahren neues Wissen und neue Möglichkeiten in vielen Bereichen schaffen kann: bei Optimierung und Simulation, in Logistik und Verkehr, Energiewirtschaft, Chemie, Medizin oder den Materialwissenschaften.
"Wenn wir die rasante Entwicklung im Quantencomputing aktiv mitgestalten wollen, müssen wir in Deutschland jetzt die nötige anwendungsbezogene Expertise aufbauen, passende Algorithmen und vor allem neue Geschäftsmodelle entwickeln", erklärt Professor Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. "Wir bieten mit unserer Plattform rund um den IBM-Quantenrechner und unserem Kompetenznetzwerk Quantencomputing allen Unternehmen und Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, diese Zukunftstechnologie aktiv voranzutreiben, sich umfassend für das Quanten-Zeitalter zu qualifizieren und die gewonnenen Fähigkeiten nutzbringend einzusetzen," so der Gelehrte.
"Bei IBM sind wir davon überzeugt, dass offene Technologien, eine aktive und globale Gemeinschaft von Entwicklern, Wissenschaftlern und Experten aus Industrie, Regierung und Hochschulen der Schlüssel zum Erfolg des Quantencomputers sind", ergänzt Gregor Pillen, General Manager IBM Deutschland, Österreich und Schweiz. "Die erste Installation eines IBM Quantum System One in Europa wird den Fortschritt auf diesem Gebiet beschleunigen und den Zugriff auf die Technologie für Unternehmen jeder Größe ermöglichen, während sie sich auf die Ära der Quantencomputer vorbereiten."
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt: "Für Baden-Württemberg ist der Quantencomputer ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die entscheidenden Zukunftstechnologien und Herausforderungen des digitalen Zeitalters erfolgreich zu gestalten. Wir leisten damit einen Beitrag für ein deutsches Quantentechnologie-Ökosystem mit internationaler Strahlkraft und schaffen einen Meilenstein für die technologische Souveränität Deutschlands und Europas. Wir wollen die Chancen des Quantencomputings so früh wie möglich für Anwendungen in Wirtschaft und Wissenschaft nutzen. Denn Quantencomputer bergen ein riesiges Forschungs- und Experimentierfeld: Sie können zum Beispiel Verkehrsabläufe und logistische Prozesse optimieren, komplexe Finanzströme noch besser analysieren, neue chemische Modelle simulieren oder Innovationen in der Medizin- und Energiebranche beschleunigen."
Erster deutscher Quanten-Computer in acht Jahren?
Deutsche Forscher könnten nach Einschätzung der Fraunhofer-Gesellschaft innerhalb von acht Jahren einen eigenen Quantencomputer entwickeln. "Vielleicht auch deutlich eher", sagte Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer Mitte vergangenen Jahres. "Die Chancen sind gegeben." Sinnvoll und notwendig wäre die Entwicklung eines einheimischen Quantencomputers aus Sicht der Wissenschaftler "insbesondere aus Gründen der technologischen Souveränität", damit Deutschland in einer Schlüsseltechnologie der Zukunft nicht vom Ausland abhängig wird. In der Forschung sei Deutschland sehr gut aufgestellt, doch "die großen Unternehmen, die so etwas anbieten, kommen aus den USA", sagte Klingner. Das soll sich in der Quantentechnologie nicht wiederholen.
Mit dem Konzept der Quantencomputer reagiert die Branche auf die Tatsache, dass die bislang übliche Entwicklung von Hochleistungscomputern an ihre physikalischen Grenzen stößt. Ein Quantencomputer speichert Informationen nicht in Form von Bits, die nur zwei mögliche Zustände annehmen können, nämlich Eins oder Null. Ein "Qubit" eines Quantencomputers kann stattdessen beides gleichzeitig sein, also Eins und Null. Das Quantenteilchen hält solange beide Zustände inne, bis man es sich ansieht oder misst. Damit können Quantencomputer theoretisch um ein Vielfaches schneller und leistungsfähiger sein als herkömmliche Rechner.
Darüber hinaus bietet die Quantentechnologie nach Worten Neugebauers weitere Vorteile - etwa abhörsichere Datenübertragung. "Man kann diese Kommunikation zwar unterbrechen, aber nicht auslesen", sagte der Fraunhofer-Präsident. "Wenn wir dies eingeführt haben werden, bedeutet das physikalisch das Ende des Wettrüstens zwischen IT-Sicherern und IT-Hackern. Ein ganz wichtiger Punkt für die Wirtschaft, für die Politik, für die Sicherheit." In einem Pilotprojekt will Fraunhofer im kommenden Jahr zwei Bundesministerien mit der Technologie verbinden. Ein Problem ist demnach aber bisher die langsame Datenübertragung.