Wirtschaft

Liebe Klima-Aktivisten, Europa kann sich nicht einfach vom Gas lösen

Die Klimaziele mögen zwar durchaus löblich sein, doch für Europa wird es schwer werden, sich von der Gasabhängigkeit zu lösen.
21.04.2021 12:00
Aktualisiert: 21.04.2021 12:00
Lesezeit: 2 min
Liebe Klima-Aktivisten, Europa kann sich nicht einfach vom Gas lösen
Eine Klimaaktivistin von «Ende Gelände» hält ein Transparent mit der Aufschrift "Gas ist das Problem!" bei einer Kundgebung von Ende Gelände Berlin gegen den Erdgas-Konzern Wintershall Dea. (Foto: dpa) Foto: Jörg Carstensen

Auf dem Gasmarkt bestehen aktuell einige Verwirrungen. Die Citigroup und JPMorgan Chase gehören zu den Banken, die ihre Finanzierungsbeschränkungen für thermische Kohle unter dem Druck von Aktionären, die den Brennstoff vermeiden wollen, verschärft haben. Doch die Erwartung ist, dass Gas als nächstes dran ist. Führungskräfte einiger westeuropäischer Unternehmen geben an, dass sie bereits Schwierigkeiten haben, gasbefeuerte Anlagen zu verkaufen.

„Wenn Sie jemanden finden, der bereit ist, einen guten Preis für unsere Gasanlagen in Spanien anzubieten, sind wir bereit zu verkaufen. Wir finden keine Menschen“, sagte Jose Ignacio Sanchez Galan, Vorstandsvorsitzender der Iberdrola SA in Spanien, berichtet „Bloomberg“.

Die Kosten für erneuerbare Energien sind in den vergangenen zehn Jahren dramatisch gesunken. Das Auslassen von Gas bei der Stromerzeugung ist nur ein erster Schritt. Europa will bis 2050 eine Netto-Null-Emission erreichen, was im Widerspruch zu den Plänen steht, zahlreiche Infrastrukturprojekte wie Pipelines und Terminals zu bauen. Wenn diese gebaut, aber nicht mehr benötigt werden, besteht ein potenzielles gestrandetes Potenzial von 87 Milliarden Euro. Ob dies wirklich so kommen wird, bleibt abzuwarten.

In Italien ist laut der „Carbon Tracker Initiative“ der Bau von 14 Gigawatt neuer Gaskapazität geplant, hauptsächlich als Ersatz für Kohle. Europas größter Versorger, Enel, ist ein globaler Supermajor für erneuerbare Energien. Noch immer bestehen rund 40 Prozent der 88 Gigawatt installierten Leistung des Unternehmens aus Kohle, Öl und Gas, aber das italienische Unternehmen plant, die Kohleerzeugung im Jahr 2022 um 74 Prozent zu reduzieren.

„Jeder sollte verstehen, dass wir die Welt nicht an einem Tag verändern können“, so Salvatore Bernabei, Leiter der globalen Stromerzeugung bei Enel. Laut der Internationalen Energieagentur wird die europäische Gasnachfrage in diesem Jahr voraussichtlich noch um drei Prozent wachsen.

Nach Angaben von „McKinsey“ wird Gas weltweit weiterhin beliebt sein und die Nachfrage wird bis 2037 steigen. Danach wird es ein Plateau erreichen und abnehmen, aber mäßig. Laut dem Beratungsunternehmen wird die Gasnachfrage bis 2050 zwischen 2035 und 2050 um 0,4 Prozent sinken.

Auch der Energiekonzern „Shell“ argumentiert, dass Erdgas unverzichtbar bleiben wird. In seinem jüngsten LNG-Ausblick zitierte der Supermajor Prognosen, wonach die weltweite Gasnachfrage dank Asien stark ansteigen wird, was allein zu einer Verdoppelung der LNG-Nachfrage von 360 Millionen Tonnen im letzten Jahr auf 700 Millionen Tonnen im Jahr 2040 führten wird.

Zudem setzt auch Deutschland auf Gas, was sich daran festlegen lässt, dass Berlin und Moskau die Pipeline Nord Stream 2 unbedingt in Betrieb nehmen wollen.

Im Zusammenhang mit möglichen LNG-Lieferungen aus den USA nach Europa teilte ein Insider den Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit: „Es ist mir bewusst, dass Medien und die Politik meinen, LNG-Gas aus den USA sei ein großer Konkurrent zum russischen Gas und deshalb seien die Sanktionen auch als Handelskrieg zu werten. Ich würde diesen Effekt nicht überbewerten. Denn auch ohne Nord Stream 2 würden die USA Flüssiggas (LNG) nach Europa liefern. Allerdings wird der Effekt von US-LNG im gesamten Energiemix recht gering sein. Zum anderen aber wird auch Russland weiterhin Erdgas nach Europa im gleichen Umfang liefern. Natürlich ist LNG aus den USA eine Konkurrenz für russisches Gas, doch sind Dimensionen überhaupt nicht vergleichbar. LNG aus den USA wird einen kleinen Einfluss haben und dürfte eher den Konkurrenzkampf um europäische Kunden stärken.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Politik
Politik Exklusiv-Interview mit Nobelpreisträger James A. Robinson: Warum die Globalisierung auch ohne die USA geht
02.11.2025

Warum gedeihen manche Staaten, während andere im Stillstand verharren? Nobelpreisträger James A. Robinson erklärt im Exklusivinterview,...

DWN
Technologie
Technologie Von Google Glass zu Meta Ray-Ban: Wie Smart Glasses den Markt neu definieren
02.11.2025

Smart Glasses galten lange als Nischenprodukt. Mit dem Aufschwung von KI und neuen Hardware-Initiativen rücken sie nun ins Zentrum...

DWN
Politik
Politik Abhängigkeit von US-Technologie: Welche Herausforderungen Europa jetzt meistern muss
02.11.2025

Technologie und digitale Souveränität stehen im transatlantischen Verhältnis zunehmend im Fokus. Europa nutzt US-amerikanische Systeme,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland - unerreichbar für die meisten
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Winzer unter Druck: Wie sich eine Branche neu erfinden muss
01.11.2025

Der deutsche Weinbau steckt in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sinkender Konsum, steigende Kosten und eine zunehmende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpen als Zeichen moderner Energieeffizienz: Wie KI ihre Leistung steigern wird
01.11.2025

Das Heizen wird künftig noch effizienter, kostengünstiger und komfortabler. Dank künstlicher Intelligenz werden Wärmepumpen in der...