Unternehmen

Drohende Insolvenzwelle in Deutschland verdüstert die Stimmung in Polen

Die Angst vor drohenden Pleiten in Deutschland macht weiter die Runde. Jetzt sieht es danach aus, dass dieses Problem keine rein deutsche Angelegenheit bleibt. Im Nachbarland Polen, das zu den größten Außenhandelspartnern Deutschlands gehört, schlagen die Alarmglocken.
04.06.2021 14:33
Lesezeit: 2 min

„Das östliche Europa ist als Konjunkturlokomotive für die deutsche Wirtschaft zurück in der Spur: Im ersten Vierteljahr 2021 wuchs der deutsche Handel mit den 29 Partnerländern des Ost-Ausschusses mit 6,7 Prozent fast dreimal schneller als der gesamte deutsche Außenhandel“, sagte Oliver Hermes, der Vorsitzende des Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der darauf hinwies, dass die Geschäfte mit Polen sehr deutliche Zuwächse verzeichneten – und zwar 11,8 Prozent.

Die Stimmung im deutsch-polnischen Außenhandel ist demnach sehr gut.

Doch sieht es jetzt ganz danach aus, dass sich dies schon bald ändert. Denn eine Insolvenzwelle deutscher Unternehmen, die möglicherweise bevorsteht, droht nach Polen zu schwappen, weil es so enge wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Ländern gibt. Das befürchtet die polnische Wirtschaftszeitung „Puls Biznesu“ und spricht von einem anstehenden Domino-Effekt, der die polnischen Firmen belasten wird.

„Die polnischen Exporteure sollten derzeit ihre Partner beobachten und deren Situation analysieren“, sagte Marcin Olczak, der Direktor für die Abteilung Kredit- und Politikrisiken der polnischen Tochter des internationalen Kreditversicherers Marsh. „Die Tatsache, dass sie Zahlungen erhalten, bedeutet nicht, dass ihre Partner nicht im nächsten Augenblick einen Antrag auf Insolvenz stellen“, erklärte der Fachmann.

Hintergrund: Bisher hat es in Deutschland noch keine Insolvenzwelle gegeben. Doch lässt sich das darauf zurückführen, dass die Bundesregierung von Frühjahr 2020 bis einschließlich 30. April 2021 das normale Insolvenzrecht ausgesetzt und damit viele Insolvenzen aufgeschoben hat. Doch nicht nur die drohenden Pleiten bei den deutschen Außenhandelspartnern sind für die polnischen Firmen ein Problem. Denn auch in Polen erlöschen die staatlichen Hilfen für die Unternehmen, die es im Zuge der COVID-Krise gegeben hat.

Coface Polen rechnet mit deutscher Insolvenzwelle im letzten Quartal 2021

Die polnische Tochter des internationalen Kreditversicherer Coface geht davon aus, dass die Bunderegierung durch die zwischenzeitliche Aussetzung des Insolvenzrechtes zuächst mehr als 4.000 Insolvenzen vermieden hat. Das Unternehmen hält es für schwierig, einen genauen Zeitpunkt für den Beginn der Insolvenzwelle zu nennen. "Man kann jedoch davon ausgehen, dass sich im letzten Quartal des laufenden Jahres oder im kommenden Jahr die Zahl der Anträge erhöhen", sagte Grzegorz Sielewicz, der Chefökonom von Coface für Ost- und Mitteleuropa. "Der größte Anstieg der Zahlungsunfähigkeit dürfte die Reisebranche betreffen, gefolgt vom Transportsektor und der verarbeitenden Industrie", so der Fachmann. Aus seiner Sicht ist gerade der letzte Sektor für die polnischen Exporteure von besonderer Bedeutung - und zwar aufgrund der Handelsverbindungen und des Anteils der polnischen Firmen an den Lieferketten.

Das Bundeswirtschaftsministerium wollte die mögliche Entwicklung im deutschen Nachbarland auf Anfrage der DWN nicht kommentieren. Eine Sprecherin gab aber folgenden Ausblick für Deutschland: "Für das Jahr 2021 ist insgesamt ein Anstieg der Insolvenzen zu erwarten. Die meisten Experten und Branchenvertreter gehen jedoch von einem vergleichsweise moderaten Anstieg im Vergleich zum Jahr 2020 aus", hieß es aus dem Ministerium.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

DWN
Politik
Politik EU-Finanzierungsplan: EU prüft Kreditmodell mit eingefrorenem Russland-Vermögen
05.12.2025

Die EU sucht nach einem Weg, die Ukraine trotz politischer Blockaden weiter zu unterstützen. Kann ein neues Finanzinstrument auf Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Einzelhandel Insolvenzen: Wie sich die Branche gegen den Niedergang stemmt
05.12.2025

Der Einzelhandel rutscht tiefer in die Krise, während Traditionsmarken reihenweise fallen. Trotz leicht verbesserter Konjunkturdaten...

DWN
Politik
Politik Europa prüft Alternativen für Ukraine-Finanzierung: Umgang mit russischem Vermögen bleibt offen
05.12.2025

Europa ringt um einen verlässlichen finanziellen Rahmen für die Ukraine, während politische Verzögerungen den bisherigen Ansatz ins...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Positiver Analystenkommentar von JPMorgan und Silberstreifen am Cloud-Horizont
04.12.2025

SAP und Salesforce senden an den Börsen neue Signale: Während JPMorgan der SAP-Aktie frische Impulse zuschreibt, ringen Anleger bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...