Weltwirtschaft

Palladium: Preissturz trotz Rekord-Knappheit?

Lesezeit: 5 min
27.06.2021 13:05
Der Palladium-Markt ist derzeit sehr turbulent. Palladium ist teuer und die Versorgungs-Knappheit enorm, die Nachfrage aber höchst unsicher. Und dann droht auch noch die Substitution durch Platin bei Autokatalysatoren. Eine Bestandsaufnahme und Prognose.
Palladium: Preissturz trotz Rekord-Knappheit?
Die Verarbeitung von Palladium und ähnlichen Platinmetalle ist enorm zeitaufwendig. (Foto: Pixabay)

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Palladium ist ein Edelmetall, welches zur Gruppe der Platinmetalle (PGM) zählt. Platinmetalle werden nicht direkt abgebaut, sondern fallen lediglich als Nebenerzeugnis beim Abbau anderer Metalle wie Nickel, Kupfer, Zinn und Silber an.

Seinen wichtigsten industriellen Nutzen hat das silbrig-weiße Palladium-Metall beim Bau von Katalysatoren für Autos mit Verbrennungsmotor. Dort werden Platinmetalle verbaut, um den Ausstoß von giftigen Stickoxid-Emissionen zu verringern. In diesem Zusammenhang spricht man von sogenannten PGM-Legierungen. Die wichtigsten PGM-Metalle für solche katalysatorischen Anwendungen sind Palladium, Platin und Rhodium.

Die Abgasnormen für die Autobauer werden – insbesondere in der EU – immer strenger, entsprechend steigt auch der Bedarf an Palladium stetig. Ein weiterer Treiber ist der überraschend gut laufende chinesische Automarkt. Insgesamt entfällt auf die Automobil-Industrie rund 75 Prozent der weltweiten Palladium-Nachfrage.

Attraktive chemische Eigenschaften

Palladium ist härter und zäher als Platin - zugleich ist es jedoch ähnlich geschmeidig wie Gold. Dadurch lässt es sich gut schmieden und schweißen sowie zu ultradünnen Folien von weniger als einem Mikrometer Dicke auswalzen. Als hauchdünne Beschichtung schützen diese Folien andere Metalle vor Oxidation, denn Palladium ist korrosionsbeständig und resistent gegen Säuren, mit einem Schmelzpunkt von 1.554 Grad Celsius zudem recht hitzebeständig und darüber hinaus auch ein guter Leiter. Die herausragendste chemische Eigenschaft von Palladium ist seine Fähigkeit, Wasserstoff aufzusaugen und zu speichern wie ein Schwamm. Bei geeigneten Druckverhältnissen kann es bis zum 3.000-fachen seines eigenen Volumens an Wasserstoff aufnehmen.

Aufgrund der günstigen chemischen und physikalischen Eigenschaften wird Palladium in der Chemie-Industrie und in elektrischen Komponenten eingesetzt, wobei diese Bereiche jeweils etwa zehn Prozent der Gesamtnachfrage ausmachen. Beide Nachfrage-Sektoren sind außerdem attraktive Wachstumsmärkte der Zukunft. Die Investment-Nachfrage spielt derweil mit einem Anteil von circa fünf Prozent kaum eine Rolle.

Russischer "Nornickel"-Konzern dominiert

Die Größe des Palladium-Markts (Gesamtnachfrage) beläuft sich auf ungefähr 10 Millionen Unzen beziehungsweise 285 Tonnen per annum. Fast die Hälfte der jährlichen Produktionsmenge wird vom Minen-Konzern „Nornickel“ in Russland gefördert. Weitere bedeutende Produzenten sitzen in Nordamerika („Anglo American Platinum“) und Südafrika („Sibanye Stillwater“, „Impala Platinum “). Fast 80 Prozent der globalen Jahres-Fördermenge von rund 7 Millionen Unzen stammen damit aus den Minen von nur vier Rohstoff-Konzernen. Ein Viertel des Bedarfs wird aus dem Recycling gedeckt.

Chancen und Risiken

Im Februar kam es wegen eines Wassereinbruchs in zwei Minen des Marktführers Nornickel zu Produktionsausfällen und infolgedessen zu Lieferunterbrechungen, was den Preis in die Höhe trieb. Dieser befand sich in den letzten Jahren ohnehin im Höhenflug, vor allem, weil die Palladium-Nachfrage das Angebot seit Jahren deutlich übersteigt. Nornickel rechnet für dieses Jahr mit einem Angebots-Defizit von circa einer Million Unzen (30 Tonnen), was einen neuen Rekordwert darstellen würde. Der Palladiumpreis erreichte zwischenzeitlich ein Rekordhoch bei 3.000 Dollar je Feinunze (28,35 Gramm), ist seither aber in kurzer Zeit um fast 20 Prozent eingebrochen.

Dafür gibt es mehrere Gründe, die nicht nur mit der traditionell überschießenden Bewertung von Rohstoffen an den Finanzmärkten zu tun haben.

  • Die aktuelle Halbleiter-Knappheit sorgt für Produktionsausfälle im Automobil-Sektor, die bis Jahresende wahrscheinlich nicht mehr vollständig aufgeholt werden können. Die knappe Verfügbarkeit von Chips wird die Automobilproduktion bis 2022 und womöglich noch weit darüber hinaus beeinträchtigen. Wenn eine verringerte Bautätigkeit nicht durch eine erhöhte Lagerhaltung der notwendigen PGM-Bestandteile begleitet wird, werden sich die Produktions-Unterbrechungen auch negativ auf die Gesamtnachfrage nach Palladium auswirken. Die eingebrochenen Autoverkäufe in Europa (stand Mai: minus 15 Prozent im Vergleich zum Mittelwert der Vorjahre) wirken ebenfalls negativ, und es ist unklar, ob hier im zweiten Halbjahr mit einer Erholung zu rechnen ist. Positiv hervorzuheben ist dagegen die starke PKW-Nachfrage aus dem größten Automarkt China und der regulierungsbedingt höhere Platinmetall-Bedarf in Autokatalysatoren weltweit. Analysten schätzen deshalb, dass die Palladium-Nachfrage 2021 trotz der gravierenden Negativfaktoren um 10 bis 20 Prozent zulegen wird. Nichtsdestotrotz sind die Nachfrage-Aussichten sehr unsicher.

  • Der hohe Preis regt den Start von Abbau-Unternehmungen an, wie der mehrere Milliarden Dollar teure Bau der „Chernogorskoye“-Mine durch den Rohstoff-Konzern „Russian Platinum“ beweist. Dort soll ab 2024 unter anderem Palladium geschürft werden. Das Angebot dürfte mittelfristig steigen.

  • Traditionell kommt Palladium vorwiegend in Benzinmotoren zum Einsatz, während Platin auch in Dieselmotoren verwendet wird. Die Schwestermetalle sind im Anwendungsbereich der Abgasreinigung in Autokatalysatoren aber bis zu einem gewissen Grad gegenseitige Substitute. Wenn eines der beiden Metalle deutlich teurer als das andere ist, hat die Industrie den Anreiz, eines durch das andere zu ersetzen. Der Palladium-Preis hat sich im letzten Jahrzehnt mehr als vervierfacht, während der Preis von Platin kaum von der Stelle kommt.

  • Eine entsprechende Umstellung der Produktionsprozesse kostet viel Zeit und verursacht hohe Anlaufkosten, sodass das Substitutionsrisiko begrenzt ist. Allerdings ist das Platin-Palladium-Ratio aktuell auf einem historisch niedrigen Niveau. Palladium ist relativ zu Platin mittlerweile so viel teurer, dass die Industrie tatsächlich über eine Substitution nachdenkt. Am vielversprechendsten wäre dieser Ansatz in Nordamerika, wo im Schnitt Autos mit größeren Motoren (und folglich höherem PGM-Bedarf) verkauft werden und entsprechende Einsparungen den größten Effekt hätten. Von europäischen und chinesischen Automobil-Herstellern wird ebenfalls berichtet, dass sie den Einsatz von mehr Platin in Erwägung ziehen. Die drei Regionen stehen für fast zwei Drittel des globalen PKW-Marktes und damit für einen jährlichen Verbrauch von mehr als 4 Millionen Unzen Palladium.

  • Auch in den elektronischen Anwendungen besteht die Gefahr, dass Palladium beim aktuell hohen Preis eingespart oder durch Nickeloxid und andere Materialien ersetzt wird. Außerdem leidet auch der Absatz von Verbraucherelektronik unter der Chip-Knappheit und den Liefer-Verzögerungen.

  • Der Verbrennungsmotor ist perspektivisch ein (politisch gewolltes) Auslaufmodell und wird schleichend durch Elektroautos ersetzt. Solange der Gesamtmarkt für PKWs vor allem in Asien kräftig wächst, kann es noch eine ganze Weile dauern, bis sich das am Preis der Platinmetalle bemerkbar macht. Langfristig gesehen sind die Aussichten für Palladium und Co. aber eher düster – es sei denn, ein neues industrielles Anwendungsgebiet kann die gewaltige Nachfrage der Automobil-Branche auffangen.

Alles steht und fällt mit der Produktion von Nornickel

Fazit: Die Palladium-Knappheit dürfte fürs gesamte Jahr 2021 anhalten und der Preis entsprechend auf einem hohen Nievau verweilen. Entscheidend sind die Abbau-Tätigkeiten des weltgrößten Produzenten Nornickel, dessen zwischenzeitlich reduzierte Produktion das riesige Angebots-Defizit maßgeblich mitverursacht hat. Sollte die zukünftige russische Produktion niedriger sein als erwartet, besteht Potential für höhere Preise. Wenn die Fördermenge von Nornickel dagegen deutlich höher ausfällt als erwartet und gleichzeitig die Autobauer Palladium in großem Stil durch Platin ersetzen, könnte der Preis noch massiv Federn lassen. Aufgrund der relativ langen Bearbeitungsdauer für die Platinmetalle würden sich die Auswirkungen von solchen Mengen-Verschiebungen auf den Markt erst 2022 so richtig zeigen.

Das Rekord-Defizit auf der Angebots-Seite sollte man derweil nicht überinterpretieren. Marktführer Nornickel will einen Teil seiner Lagerbestände auf den Markt werfen, und generell gibt es laut dem Analysten Jim Steel von der Großbank HSBC immer einen Weg, wie die Nachfrage auch in Sondersituationen bedient werden kann: „Es scheint so, als wäre auf dem Markt immer ein wenig mehr Metall vorhanden, als wir vorher erwartet haben.“


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