Ebrahim Raeissi hat die Präsidentenwahl im Iran gewonnen. Der Spitzenkandidat der Hardliner erhielt mindestens 17,8 Millionen Stimmen, wie ein Sprecher des Innenministeriums am Samstagmorgen mitteilte. 28,6 Millionen Stimmen wurden demnach insgesamt abgegeben. Raeissi wird damit Nachfolger von Hassan Rouhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr zur Wahl antreten durfte. Die Vereidigung des neuen Präsidenten ist für August geplant.
Raeissi leitet der Zeitung „The Diplomat“ zufolge die größte schiitische Wohltätigkeitsorganisation der Welt. Die Zeitung hatte vor den Wahlen im Iran berichtet: „Wenn Raeissi am Freitag gewinnt, wird der Iran seine Außenpolitik in Richtung Widerstand und Konfrontation ausrichten, wo interne Spoiler wieder an Dynamik gewinnen würden, um Irans ,Einstellung des Engagements‘ gegenüber der Welt umzukehren. Ein Sieg von Rouhani würde jedoch eine Politik des Engagements und der Mäßigung im In- und Ausland beibehalten (…) Viele derjenigen, die im konservativen Kabinett des ehemaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad dienten, wurden von Raeissi rekrutiert. Dieser Apparat soll, falls er gewählt wird, einen Großteil der Engagementbemühungen der letzten vier Jahre unter der Regierung Rouhani rückgängig machen.“
Im Zusammenhang mit Saudi-Arabien berichtet „The Diplomat“: „Es besteht kein Zweifel, dass die iranische Politik gegenüber Saudi-Arabien unter einer Raeissi-Präsidentschaft konfrontativer und von feindseliger sektiererischer Rhetorik geprägt sein wird, die die Agenda des Obersten Führers im Jemen und in Syrien weiter intensivieren wird. All dies wird wahrscheinlich die anhaltenden Konflikte mit den Saudis in Syrien, im Jemen, im Irak und im Libanon vertiefen.“
Raeissi sieht Sanktionen der USA gegen den Iran „als Chance für wirtschaftliche Stärkung“. Er pocht auf „wirtschaftliche Unabhängigkeit“ und die Errichtung einer „Widerstandsökonomie“, berichtet „Aftab News“. „Ich sehe die Aktivierung einer Widerstandsökonomie als den einzigen Weg, um Armut und Entbehrung im Land zu beenden“, zitiert „Radio Free Europe/Radio Liberty“ (RFE/RL) Raeissi.
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Verstimmungen zwischen Präsident Hassan Rouhani und dem Obersten Geistigen Führer des Irans, Ali Khamenei. Diese Differenzen hängen in erster Linie mit der Außenpolitik zusammen. Khamenei gehört in das iranische Lager, das enge Beziehungen mit China und die Neue Seidenstraße unterstützt, während Rouhani in Richtung des Westens tendiert. Am 28. März 2021 berichtet „Iran International“: „Ein ehemaliger iranischer Gesetzgeber hat gesagt, dass der Oberste Führer des Iran, Ali Khamenei, der Initiator des umstrittenen 25-jährigen ,strategischen Abkommens‘ mit China ist, das am Samstag in Teheran unterzeichnet wurde. Mansoor Haghighatpour, ein ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsausschusses des Parlaments, sagte auf einer lokalen Website, dass Khamenei den ehemaligen Parlamentspräsidenten Ali Larijani beauftragt habe, ein langfristiges Abkommen mit China zu verfolgen. Der Gesetzgeber sagte auch, dass der Grund für die Nichtveröffentlichung des unterzeichneten Dokuments darin besteht, dass die chinesische Seite darauf besteht, die Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten nicht zu erregen, da das Abkommen einen ,Verteidigungsaspekt‘ hat. Die Chinesen forderten die iranische Seite auf, „das Abkommen nicht offenzulegen“, sagte er und fügte hinzu, dass ,China und andere Länder Herausforderungen in ihren Beziehungen zu Amerika haben‘ und der Iran nicht transparent sein kann. Nach der Unterzeichnung des Abkommens gab es einen öffentlichen Aufschrei über die Geheimhaltung des Inhalts und den Vorwurf, die Islamische Republik habe die nationalen Interessen des Iran ,ausverkauft‘.“ Den „New York Times“ zufolge will China im Iran über 25 Jahre hinweg Investitionen im Wert von 400 Milliarden Dollar tätigen.
Raeissi gehört in diesem pro-chinesischen Lager, das die Neue Seidenstraße unterstützt. Der iranische Präsident Hasan Rouhani hatte 2018 angeordnet, dass die iranische Revolutionsgarde (IRGC) und das iranische Militär ihre Vermögenswerte, die sie im Öl- und Gassektor halten, veräußern sollen. Dieser Schritt sei notwendig, um die iranische Wirtschaft zu retten, zitiert Bloomberg Rouhani.
„Nicht nur die Sozialversicherungsanstalt, sondern alle staatlichen Sektoren, einschließlich der Banken, müssen ihre Geschäftsbetriebe veräußern. Dies ist die einzige Möglichkeit, die Wirtschaft des Landes zu retten. Regierungsbeamte, NGOs, die Streitkräfte und andere - jeder muss seine kommerziellen Geschäfte veräußern“, sagte Rouhani. Oilprice.com berichtet: „Irans Präsident befürchtet eine konservative Gegenreaktion. Seine Beziehung zu Khamenei - wohl der wahre Machthaber des Iran - hat sich abgekühlt. Die laufenden Diskussionen über einen möglichen Nachfolger des alternden, kranken Khamenei sind zu einem direkten Konflikt zwischen der Regierung Rouhani und den Anführern der Velayat-e Faqih, den harten Ayatollahs, geworden.“
Die Privatisierung von staatlichen Vermögenswerten im Öl- und Gassektor könnte zu einem Kapitalzufluss führen. Der Iran besitzt die weltweit größten nachgewiesenen Erdgasreserven. Die in Paris ansässige Total SA hat im Juli 2017 einen Vertrag unterzeichnet, um einen Teil des riesigen South Pars-Gasfeldes zu entwickeln. Es wurden Investitionen in Höhe von einer Milliarde Dollar zugesagt.