Deutschland

"Finanzierung unklar" - Ökonomen kritisieren Wahlprogramm der Union

Viel Kritik und ein bisschen Lob: Der Entwurf für das Programm von CDU/CSU zur Bundestagswahl im September stößt bei Ökonomen auf ein geteiltes Echo.
21.06.2021 11:28
Lesezeit: 1 min
"Finanzierung unklar" - Ökonomen kritisieren Wahlprogramm der Union
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Vorsitzender Markus Söder begrüßen sich am Montag bei der Klausur der Spitzen von CDU und CSU zur Verabschiedung des Wahlprogramms für die Bundestagswahl. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Besonders hart ins Gericht mit den Vorhaben der Union geht der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Die Grundidee des CDU/CSU-Wirtschaftsprogramms ist die Umverteilung von unten nach oben in der Hoffnung, dass Spitzenverdiener und Unternehmen dieses zusätzliche Geld klug investieren, damit Innovation gefördert, gute Arbeitsplätze gesichert und Fortschritt beim Klimawandel gemacht wird", sagte Fratzscher am Montag zu Reuters.

"Die letzten 30 Jahre des Neoliberalismus haben jedoch überall in der Welt gezeigt, dass dieses Modell gescheitert ist", so Fratzscher. Auch in Deutschland seien Unternehmen und Spitzenverdiener in den vergangenen 30 Jahren finanziell deutlich entlastet, die privaten Investitionen jedoch schwach und die wichtigen Herausforderungen unbewältigt geblieben. Zudem sei das Programm nicht finanzierbar, "denn es sieht eine Entlastung der Spitzenverdiener und Unternehmen um 50 Milliarden Euro jährlich vor, schließt jedoch Steuererhöhungen kategorisch aus".

Licht und Schatten sieht der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr. "Ich glaube auch, dass aktuell nicht die Zeit für Steuererhöhungen ist", sagte der Ökonom. "Die Absenkung der Unternehmensbesteuerung auf 25 Prozent und die Abschaffung des Soli für alle scheinen mir aber weniger dringend als vor der Krise, auch weil der internationale Steuerwettbewerb wegen der Mindestbesteuerung kleiner werden könnte."

Gut sei der erkennbare Wille, die deutsche Verwaltung zu modernisieren. "Das ist der Flaschenhals der letzten Jahre gewesen und eine echte Gefährdung der Zukunftsfähigkeit", sagte Felbermayr. Auch das Bekenntnis zum CO2-Preis und zum Emissionshandel sei erfreulich. Insgesamt sei aber sehr unklar, wie die Union ihre Vorhaben finanzieren wolle.

Das findet auch Jens Südekum, der Volkswirtschaftslehre der an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf lehrt. "Im Programm finden sich neben den versprochenen Steuersenkungen viele weitere Versprechungen für finanzwirksame Ausgaben", sagte er. "Unklar ist, wie das alles finanziert werden soll. Mit einer schnellen Rückkehr zur Schuldenbremse passt das jedenfalls nicht zusammen." Er erwarte, dass sich die Union nach der Wahl offen zeigen werde für kreative Finanzierungslösungen wie unabhängige Investitionsfonds. Nur so könnten die vielen Ausgabenbedarfe und der Anschein der schwarzen Null im Kernhaushalt zusammengebracht werden.

DIW-Chef Fratzscher sieht auch positive Ansätze im Programmentwurf. Die Einführung einer Generationenrente und eines Familiensplittings etwa sei "ökonomisch sinnvoll".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Politik
Politik Entlastungskabinett: Regierung berät über Bürokratieabbau
05.11.2025

Bundeskanzler Merz und seine Ministerinnen und Minister beraten in einem sogenannten Entlastungskabinett über Maßnahmen zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Geschäftsklimaindex: Deutsche Autoindustrie schöpft Hoffnung
05.11.2025

Zuletzt hatte es aus der Branche vor allem schlechte Nachrichten gegeben, doch die Erwartungen machen Hoffnung auf eine Wende.

DWN
Politik
Politik Trotz Sanktionen: EU steigert Importe von russischem LNG
05.11.2025

Ein neuer Energiebericht zeigt: Die EU hat im ersten Halbjahr 2025 ihre Importe von russischem Flüssigerdgas (LNG) trotz Sanktionen und...

DWN
Finanzen
Finanzen USA wollen Dollarkurs stärken: Neue Strategie für die globale Wirtschaftsmacht
05.11.2025

Die internationale Rolle des US-Dollars bleibt zentral. Während China die Abhängigkeit verringern will, prüfen die USA Strategien, um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Recruiting Trends: Zeugnisse verlieren bei der Jobsuche an Bedeutung
05.11.2025

Immer mehr Firmen rücken bei der Personalsuche von klassischen Lebensläufen und Abschlüssen ab: Laut einer Stepstone-Befragung wollen 77...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht auf tiefsten Stand seit Juni: Anleger leiden unter Risikoaversion
04.11.2025

Der Bitcoin-Kurs steht unter massivem Druck. Milliardenverluste, Panikverkäufe und makroökonomische Unsicherheiten erschüttern den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Studie: Betriebsrat wirkt sich positiv auf die Produktivität aus
04.11.2025

Wie stark kann ein Betriebsrat die Produktivität von Unternehmen wirklich beeinflussen? Eine aktuelle Ifo-Studie liefert überraschende...

DWN
Panorama
Panorama Triage-Regel gekippt: Was die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet
04.11.2025

Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Triage-Regel gekippt – ein Urteil mit weitreichenden Folgen für Medizin und Politik....