Deutschland

Pädo-Kriminelle erbeuten Millionen von Kinderbildern im Internet

Wer Bilder oder Videos seiner Kinder bei Facebook, Instagramm oder Youtube verbreitet, beliefert damit ohne es zu wissen pädokriminelle Netzwerke.
20.07.2021 09:38
Aktualisiert: 20.07.2021 09:38
Lesezeit: 3 min
Pädo-Kriminelle erbeuten Millionen von Kinderbildern im Internet
Apps auf einem Smartphone. (Foto: dpa) Foto: Fabian Sommer

Die dpa berichtet:

Wenn Eltern ihre Kinder auf Instagram zeigen, wissen sie meist nicht, dass oft auch unwillkommene Gäste die Bilder sehen können. Dazu gehören vor allem Pädokriminelle, die Fotos der Sprösslinge heimlich stehlen und in dubiosen Portalen neu hochladen - wo die oft harmlosen Alltagsbilder in einen sexuellen Kontext gestellt werden. Gerade in der sommerlichen Urlaubszeit dürften sich diese Netzwerke über besonders viel Bildmaterial aus Badestränden und Schwimmbädern freuen.

«Es ist ja verständlich, dass Eltern und Großeltern Fotos ihrer Kinder und Enkelkinder zeigen – sie wollen ihre Freude teilen. Leider ist das Internet dafür aber der am schlechtesten geeignete Raum», sagt das Vorstandsmitglied des Kinderschutzbundes, Joachim Türk. Es gebe keine Privatsphäre und keine Kontrolle darüber, was alles mit den Fotos und Videos geschehe. Die Szene der Pädokriminellen sei gewaltig und immer auf der Suche nach neuen Bildern, erklärt Türk. Die geklauten Fotos würden für Zwecke zur Verfügung gestellt, «von denen wir uns keine Vorstellung machen wollen».

Über jene Zwecke, denen die Kinderfotos in diesen Foren dienen, würde er am liebsten schweigen, wie Türk sagt. Dennoch erklärt er: «Stellen Sie sich vor, die Bilder geraten auf Websites pädophiler Angebote, und fremde Menschen kommentieren dazu in allen Details, wie genau sie Ihren Kindern am liebsten sexualisierte Gewalt antun würden. Da hoffen Sie, dass nicht auch noch Hinweise auf Ihre Wohnung geklaut worden sind.»

Doch es sind nicht nur die zwielichtigen Portale in den Hinterstübchen des Internets, die Kinder- und Jugendschützern Sorgen bereiten. Beim Videoportal «Youtube» etwa können Nutzer durch geschickte Einstellung der Playlist-Funktion Alltagsbilder von Kindern in einen sexuellen Kontext stellen, wie die Internetwächter von «Jugendschutz.net» kürzlich berichteten. Die Sexualisierung erfolge durch die Namen der Playlists oder durch die Zusammenstellung der Videos, heißt es in dem Jahresbericht 2020 der Experten, die als gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet eintreten.

«Mittels einer Kombination von sexualisierenden Adjektiven (sexy, cute, hot, geil) und unauffälligen Begriffen zu Alter, Größe oder

körperbetonten Aktivitäten (young, small, gymnastics) fanden sich solche Playlists über die Suchfunktion von YouTube», so der Bericht. Szenen mit Minderjährigen in Badebekleidung oder in Gymnastikbodys würden mit erotischen Erwachsenen-Videos kombiniert. Das erleichtere Pädophilen den Zugang zu solchen Darstellungen und mache Minderjährige zu Opfern von Sexualisierung. Als sichere Gegenmaßnahme empfehlen die Experten, die Voreinstellungen so zu konfigurieren, dass Videos nicht wahllos weiterverbreitet werden. «Nützlich ist beispielsweise, die Möglichkeit auszuschließen, dass eigene Videos zu Playlists von anderen hinzugefügt werden.»

Der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Thomas-Gabriel Rüdiger, findet nicht nur öffentlich geteilte Bilder problematisch, sondern auch, wenn Eltern «vulnerable Informationen» über ihre Kinder verbreiten: Wo gehen sie regelmäßig essen? Wie sieht ihre Wohnung aus? Welche Haustiere haben sie? «Über diese kontextuellen Informationen können im schlimmsten Fall Kinder auch durch Täter identifiziert und eventuell auch direkt angesprochen werden», sagt der Experte.

Die Gefahr hinter arglos verbreiteten Kinderbildern beginnt für Joachim Türk nicht erst außerhalb der eigenen sozialen Sphäre, sondern oft schon in einem viel engeren Kreis. «Alle Studien sagen, dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder meist im sogenannten sozialen Nahbereich ausgeübt wird. Von Familie, Verwandten, Freunden. Und da rede ich nicht von "sogenannten" Freunden, wie sie auf Facebook, Instagram und Co. alltäglich sind», sagt Türk, der statt der Nutzung von Chat-Gruppen lieber eine digitale Bildergalerie auf dem heimischen Tablet oder ein selbst gebasteltes Fotobuch empfiehlt. «Fotos gelten oft als Eintrittskarte oder Mitbringsel für den Zugang in pädophile Treffpunkte im Darknet, und sie sind online mit nur einem Mausklick verfügbar.»

Thomas-Gabriel Rüdiger denkt bereits in die Zukunft und sieht eine zusätzliche Gefahrenquelle in der stetigen Verbesserung der Smartphone-Technik. Die immer bessere Auflösung von Bildern etwa sorge zum Beispiel schon heute dafür, dass biometrische Daten wie Fingerabdrücke ausgelesen werden könnten. «Dazu kommt, dass Gesichtserkennungssoftware sich auch stetig verbessert und es auch künstliche Alterungssoftware gibt, auch für Privatanwender», sagt der Experte. Ein Kinderbild, das heute öffentlich geteilt werde, könne demnach dazu führen, dass das Kind auch im Alter darüber «vollautomatisch» auffindbar sein werde. «Damit kann es passieren, dass dem Kind schon in jüngsten Jahren die Möglichkeit genommen wird, eine eigene oder auch gar keine digitale Identität zu entwickeln.»

Das alles sei nur der aktuelle Stand der Technik, sagt Rüdiger, dessen Prognose für die Zukunft nicht optimistisch klingt: «Was aus den vorhandenen Bildern noch in der Zukunft ausgelesen werden kann, ist jetzt noch gar nicht ersichtlich.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...

DWN
Politik
Politik EU erzielt Kompromiss über Nachhaltigkeitsberichterstattung - was das konkret bedeutet
11.12.2025

Nach zähen Verhandlungen einigt sich die EU auf weitreichende Entlastungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Doch der Kompromiss...

DWN
Politik
Politik Finanzielle Lage von Eltern: Alleinerziehende sind trotz Vollzeitjob armutsgefährdet
11.12.2025

Sie arbeiten, kümmern sich um ihre Kinder, doch ihre finanzielle Lage ist prekär und führt immer mehr in Armut. Die Folge: Deutschland...