Finanzen

Aktionäre müssten Lagarde und Yellen wie Heilige verehren

Lesezeit: 3 min
27.07.2021 13:00  Aktualisiert: 27.07.2021 13:00
Aktionäre haben keinen Grund, die Fed oder die EZB zu kritisieren. Als Gewinner ihrer beispiellosen Rettungspolitik müssten sie die Damen Yellen und Lagarde bzw. die Herren Powell und Draghi eigentlich sogar wie Heilige verehren.
Aktionäre müssten Lagarde und Yellen wie Heilige verehren
Janet Yellen und Christine Lagarde. (Foto: dpa)

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Aktionäre haben keinen Grund, die Fed oder die EZB zu kritisieren. Als Gewinner ihrer beispiellosen Rettungspolitik müssten sie die Damen Yellen und Lagarde bzw. die Herren Powell und Draghi eigentlich sogar wie Heilige verehren. Aber hat sich die Super-Aktienhausse mittlerweile nicht von jeder Bodenhaftung abgehoben? Stehen die dramatisch inflationierten Aktienmärkte also vor einer saftigen Korrektur? Gerade im umsatzschwachen Sommerloch können doch schon kleine Umsätze merkliche Kursverluste auslösen.

Der Aktienmarkt steht weit über den fundamentalen Dingen

Die internationale Bruderschaft des billigen und umfangreichen Geldes macht Aktionäre reich, reicher, am reichsten. Wenn der Begriff Vermögenspreisinflation jemals passte, dann passt er jetzt wie die Faust aufs Auge. Die Abkopplung der Aktienmärkte von der Wirtschaftsentwicklung ist auf absolutem Rekordstand. Während z.B. die amerikanische Wirtschaftsleistung nur wieder das irdische Vor-Corona-Krisenniveau zurückerobert hat, dringt der US-Aktienleitindex S&P 500 - wie Richard Branson und Jeff Bezos - in den Weltraum vor.

Die Notenbanker setzen weiter auf Vollkaskoversicherung

Früher platzten ungedeckte Finanzblasen wie ungedeckte Schecks. Sie waren transitorisch. Die Nadelstiche verabreichten die Notenbanken, die sich am Buch Hiob in der Bibel orientierten: „Der Herr hat es gegeben (die Zinssenkungen und üppige Liquidität), der Herr hat es genommen“.

Leider jedoch mussten die Notenbanker feststellen, dass ihre Umkehr von anti- auf autoritär jeweils nicht nur die hässliche Fliege auf der teuren Vase eliminierte, sondern das gute Stück gleich mit. Tatsächlich löste das Bersten der Dotcom-Blase 2000 bzw. der Immobilienblase 2008 scharfe Rezessionen aus. Das Platzen der Haus-Bubble hätte unser Finanzsystem sogar fast das Leben gekostet.

Solche Gefahren wollen Fed, EZB & Co. - und natürlich auch die mit ihnen inzwischen freundlich verbundenen Finanzpolitiker - nie mehr riskieren. Sie wissen sehr genau, dass die heutigen Anlageblasen zahlreicher und noch viel größer als 2000 und 2008 sind. Würden Immobilien-, Aktien- und vor allem die Anleiheblase zusammen platzen, wäre dies mit dem zeitgleichen Ausbruch aller großen Vulkane auf der Erde zu vergleichen. Die Wunden für Konjunktur sowie die öffentliche und soziale Ordnung wären nicht mehr zu heilen.

Auch scheint die Wirtschaftserholung nach dem Corona-Zusammenbruch noch kein Selbstläufer zu sein. Corona-Mutationen, Lieferengpässe bei kritischen Gütern und ein neuer Kalter Krieg zwischen den USA und China legen dem Weltwirtschaftswachstum Steine in den Weg. Und Europa stellt sich durch museumsreife Standortqualitäten selbst ein Bein. Sinkende Anleiherenditen gelten bereits als Beweise für diese Konjunkturernüchterung.

Ohnehin zeigt sich z.B. in Amerika, dass offenbar immer mehr Verschuldung nötig ist, um die Wirtschaftsleistung noch irgendwie zu dopen. Nicht zuletzt müssen Umweltschutz und in Europa der Seelenfrieden finanziert werden.

Insofern muss Staatsverschuldung billig bleiben wie Ramschware im Sommerschlussverkauf. Bereits das Zurückfahren der Liquiditätsversorgung könnte Kreditzinsen unerwünschten Auftrieb verleihen. Im Extremfall kommt es zu einer saftigen Schuldenkrise, die auch wieder die Büchse der Pandora für Banken öffnet.

Kein Ende der Vermögenspreisinflation in Sicht

Daher wehren sich US-Notenbank und EZB gegen jede restriktive geldpolitische Maßnahme wie Kleinkinder gegen Gemüse. Um dabei dennoch den stabilitätspolitischen Schein zu wahren, wird gebetsmühlenartig die Geschichte von der nur vorübergehenden, der Ohnesorge-Inflation erzählt. Die zweifelsfrei höhere tatsächliche Preisentwicklung wird sowieso wie Dreck unter den Teppich gekehrt. Bloß keine schlafenden Hunde an den Anleihe-, Aktien- und Gütermärkten wecken.

Und so wandert das ungedeckt vagabundierende Geld weiter in Sachkapital wie Aktien und auch Immobilien. In der Tat, die Vermögenspreisinflation ist nicht vorübergehend.

Natürlich, wie in einer guten privaten Beziehung kann es auch bei Aktien im Sommer schon einmal zu einem reinigenden Gewitter kommen. Das sehen wir momentan in zyklischen Branchen, die mitunter die Knute der Wirtschaftssorgen spüren. Danach ist die Luft aber wieder rein.

Grundsätzlich bieten ausgewählte Konjunktur-Aktien mit überzeugenden Geschäftsmodellen, High-Tech-Titel aufgrund ihrer Sonderkonjunktur und braven Zinsen, die die Bewertung wenig strapazieren auch zukünftig ebenso noch Substanz wie Klimaschutz-Aktien.

Dass die frühere (Notenbank-)Stabilität wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt, ist eine Realität, mit der wir leben müssen wie mit Corona. Oder wie Konrad Adenauer sagte: Wenn wir kein sauberes Wasser haben, müssen wir eben schmutziges nehmen.

Machen wir also das Beste daraus. Gehen wir mit der Vermögenspreisinflation, gerne auch in kleinen Dosen, mit regelmäßigen Aktiensparplänen.


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