Politik

Bundestagswahl 2021: Platzt der Traum von der Energiewende? - TEIL 2

Im ersten Teil wurden die Herausforderungen skizziert, vor denen die Energiewende steht. Welche Forderungen aber erheben die Parteien im Wahlkampf? Was schreiben sie in ihren Wahlprogrammen - und was verschweigen sie?
05.09.2021 10:15
Lesezeit: 5 min
Bundestagswahl 2021: Platzt der Traum von der Energiewende?  - TEIL 2
Ein Arbeiter blickt im Jahr 2010 im Kernkraftwerk Gundremmingen (Schwaben) in den Kühlturm, in den durch die Öffnung in 160 Metern Höhe die Sonne hineinscheint. (Foto: dpa)

Der erste Teil des Artikels beschreibt Entstehungsgeschichte und Probleme der Energiewende. Sie finden diesen hier.

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Parteiprogramme zur Energiewende: Wenig Details

Was aber fordern die Parteien mit Blick auf die Umstellung der Energieversorgung? Welche Ziele setzen sie sich? Wie begründen sie diese Ziele und welche konkreten Maßnahmen möchten sie umsetzen, um diese zu erreichen. Hier lohnt ein Blick in die Wahlprogramme im Vorfeld der Bundestagswahl.

Die Union bestehend aus CDU und CSU verfolgt den Ansatz einer vollständigen Klima-Neutralität der deutschen Wirtschaft bis zum Jahr 2045. Der im Wahlprogramm vorgestellte energiepolitische Ansatz zur Energiewende zeichnet sich durch eine Fokussierung auf marktwirtschaftliche Wettbewerbskräfte und eine Erleichterung von Innovationen aus. So wird beispielsweise die Bedeutung eines marktwirtschaftlich organisierten Emissionshandels betont, ebenso wie die Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Speicher- und Wasserstofftechnologien.

Insgesamt zeichnet sich die Strategie der Union neben dem geforderten Aufbau weiterer Kapazitäten bei Wind- und Solarenergie durch eine Vielzahl pragmatischer Lösungsansätze aus, zu denen auch die Themen Recycling, Kreislaufwirtschaft und Wassermanagement gehören. Der Wald wird in seiner Funktion als „CO2-Senke“ gewürdigt. Im Bereich der Mobilität wird neben dem Hochlauf von Elektroautos und Ladeinfrastruktur eine Technologieoffenheit gefordert - saubere Verbrennungsmotoren, angetrieben etwa von sythetischem Kraftstoff, werden als Teil der Lösung betrachtet und nicht pauschal abgelehnt.

Wie genau all diese Forderungen umgesetzt werden sollen, bleibt unbeantwortet. Bis auf die Themen Speicher, Wasserstoff und Bürgerbeteiligung werden die im ersten Teil der Analyse beschriebenen Probleme nicht behandelt.

Das Wahlrpogramm der Union finden Sie hier.

Die SPD will Deutschland bis 2045 vollständig „klimaneutral“ machen und die Stromversorgung bis 2040 komplett ohne fossile und nukleare Komponenten aufstellen. Im Gegensatz zur Union beinhalten die Forderungen der SPD eine stärkere dirigistische Komponente. So sollen aus Sicht der Partei beispielsweise auf „allen Dächern“ Solaranlagen gebaut werden, die alternativen Energiequellen massiv mithilfe direkter Subventionen ausgebaut und die CO2-Sondersteuern erhöht werden. Die aus der CO2-Steuer resultierenden Zusatzkosten sollen nach dem Willen der Partei alleine die Vermieter bezahlen.

Fazit: Im Wahlprogramm der SPD findet sich so gut wie keine Erwähnung der im ersten Teil skizzierten Probleme, außer dass der Paradigmenwechsel im Stromsystem vorangetrieben werden soll. Wie genau die Forderungen realisiert werden sollen, bleibt unklar.

Das Wahlprogramm der SPD finden Sie hier.

Die AfD verfolgt eine Energiepolitik, die im Gegensatz zu jener aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien steht. Sie hinterfragt die Theorie der menschengemachten Klimaerwärmung und sieht die derzeitige Erwärmungsperiode in einem größeren Zusammenhang der Weltgeschichte als normal an. Die Dekarbonisierungspolitik aller anderen Parteien lehnt die AfD ab, ebenso wie den Ausstieg aus der Kohle- und Atomverstromung.

Stattdessen setzt die Partei auf einen breit gefächerten Energiemix, welcher neben den erneuerbaren Quellen auch über fossile und atomare Kapazitäten verfügt. Ziel ist ein hohes Maß an Versorgungssicherheit, marktwirtschaftliche Prozesse bei der Implementierung erneuerbarer Energien und eine grundlegende Technologieoffenheit.

Aus diesem Grund sind die oben behandelten Problematiken der Energiewende aus Sicht der AfD an sich obsolet und die Partei beschäftigt sich nicht im Einzelnen mit diesen Fragen. Sie favorisiert hingegen einen breiten Energiemix verschiedener Erzeugungstechnologien, welcher mit Kohle- und Atomstrom auch steuerbare Elemente umfassen würde.

Fazit: Als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien will die AfD keinen Ausstieg aus nuklearen oder fossilen Energiequellen, weshalb die hier im Zusammenhang mit der Energiewende aufgeworfenen Fragen in ihrem Wahlprogramm überhaupt nicht behandelt werden.

Das Wahlprogramm der AfD finden Sie hier.

Der Fokus der FDP im Bereich der Energiepolitik liegt auf Wettbewerb, Freiheit und Innovation. Eine Besonderheit stellt ein „Stresstest für die Energieversorgung“ dar, den die Partei regelmäßig durchführen will. Mit diesem Stresstest verfügt die FDP als einzige der untersuchten Parteien über eine konkrete Maßnahme, um die Versorgungssicherheit des deutschen Stromsystems auf systematischer Grundlage zu analysieren.

Die Partei schreibt: „Wir Freie Demokraten wollen ein regelmäßiges Monitoring (Stresstest) für Versorgungssicherheit mit Energie und dazu klare Kriterien gesetzlich festschreiben. Denn die sichere und zuverlässige Versorgung mit Strom, Wärme, Kälte und Kraftstoff zu jeder Zeit an jedem Ort hat für uns Priorität. Sie darf durch klima- und energiepolitische Maßnahmen nicht gefährdet werden. Kohle- und Atomausstieg und die zunehmende Einspeisung aus zeit- und wetterabhängig schwankender Wind- und Sonnenenergie stellen unser Energiesystem vor enorme Herausforderungen. Einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen können flexible Erzeugungs- und Speichertechnologien leisten.“

Die FDP will neben dem Ausbau der Erneuerbaren eine Wasserstoff-Strategie konzipieren, zu der auch der unter Einsatz von Erdgas gewonnene, sogenannte „blaue Wasserstoff“ zählt. Darüber hinaus soll die Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen forciert werden. Die Partei unterstützt den oben angesprochenen Paradigmenwechsel im Stromsystem: „Wir möchten den Rollout intelligenter Messsysteme („Smart Meter“) vereinfachen – als Voraussetzung für „Smart Grids“ und für Automatisierung durch künstliche Intelligenz. Dabei müssen IT- und Datensicherheit ein Grundpfeiler zum Schutz dieser kritischen Infrastruktur sein.“ Erdgas wird als wichtige Backup-Energie eingestuft, die Bürger sollen frühzeitig bei Maßnahmen der Energiewende miteinbezogen werden.

Fazit: Die FDP behandelt die Probleme Erdgas-Reserve, Bürgerbeteiligung und Paradigmenwechsel im Stromsystem. Als einzige Partei will sie die Versorgungssicherheit im Land mithilfe eines Stresstests regelmäßig überprüfen.

Das Wahlprogramm der FDP finden Sie hier.

Bündnis 90/Die Grünen verfolgen das Ziel einer vollständigen „Klimaneutralität“ bis zum Jahr 2035. Das Thema des „Klimaschutzes“ dominiert alle energiepolitischen Überlegungen deutlich.

Wie die anderen Parteien auch fordert die Partei den Ausbau erneuerbarer Energien, allerdings viel umfangreicher als diese. Zudem setzen die Grünen auf Eingriffe des Staates in die Eigentumsrechte.

So sollen die Verpflichtungen des Pariser Abkommens ebenso ins Grundgesetz aufgenommen werden wie der Atomausstieg. Dirigistische Vorgaben wie CO2-Einsparziele, Standards und Grenzwerte sollen faktisch die Energiewende in Stromversorgung, Mobilität und Wohnen rasch erzwingen. Der Kohleausstieg soll auf 2030 vorgezogen, Klimaziele nachgeschärft und die derzeit bei 25 Euro je Tonne CO2 befindlichen CO2-Steuern schon im Jahr 2023 auf 60 Euro angehoben werden. Die daraus resultierenden Einnahmen des Staates sollen teilweise an die Bürger zurückgegeben werden.

Besonders bemerkenswert sind die Forderungen, dass Erdgaskraftwerke nur noch unter strikten Bedingungen betrieben werden dürfen und zwar nur, wenn sie zwingend notwendig sind und bereits für einen möglichen Umbau auf Wasserstoffbetrieb geplant und gebaut werden. Dazu würden alle Gaskraftwerke nur befristet am Markt erlaubt sein. Den Import von Flüssiggas (LNG) lehnen die Grünen ebenso ab wie die Gaspipeline Nord Stream 2.

Zu den weiteren Forderungen gehören eine Verstaatlichung der Netzbetreiber sowie eine komplette Verbannung des Atom-Knowhows aus Deutschland. So heißt es im Wahlprogramm: „Unser Ziel ist es, die Atomfabriken in Gronau und Lingen schnellstmöglich zu schließen. Der Betrieb des Forschungsreaktors Garching mit hochangereichertem Uran gehört beendet.“

Die Grünen nehmen einige der in der Analyse genannten Punkte auf. Etwa wird der Paradigmenwechsel im Stromsystem voll unterstützt, das Speicherproblem soll mithilfe von Wasserstofftechnologien gelöst und Anwohner von Windparks und Stromtrasen in die Entscheidungen miteinbezogen werden. Angesichts der vergleichsweise radikalen Vorschläge (früherer Kohleausstieg, Atomausstieg im Grundgesetz, dirigistische Maßnahmen wie Verstaatlichungen und Strafsteuern) fehlen allerdings ernsthafte Ansätze der Realisierung.

Das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen finden Sie hier.

Auch die Linke fordert eine „Klimaneutralität“ Deutschlands bis 2035. Ebenso wie die Grünen setzt die Partei bei der Fortführung der Energiewende auf dirigistische Maßnahmen. So soll der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen und das erst vergangenes Jahr eröffnete Kraftwerk Datteln 4 sofort vom Netz genommen werden. Ferner wird ein „sofortiger“ Ausstieg aus der Atomkraft verlangt, ebenso wie ein Ausstieg aus der Erdgasverstromung und der Fracking-Fördertechnik. Auch die Linke fordert ein sofortiges Verbot der Forschung an Atom-Technologien in Deutschland.

Die Partei setzt bei der Realisierung ihrer Ideen auf dirigistische Maßnahmen (etwa beim Strompreis) und Eingriffe in Eigentumsverhältnisse. So sollen beispielsweise Energiekonzerne verstaatlicht werden. Wasserstoff dürfe nur durch erneuerbaren Strom erzeugt werden (sogenannter „grüner Wasserstoff“), dieser werde dann auch „zur Rückverstromung während Dunkelflauten“ eingesetzt.

Der Fokus liegt insgesamt auf einer dezentralen Energieversorgung mit Speichermöglichkeiten. Im Wahlprogramm heißt es: „Basisdemokratische Bürgerbeteiligung: DIE LINKE unterstützt eine regional ausgerichtete und in der Bevölkerung verankerte Energiewende, zum Beispiel Energiegenossenschaften und Bioenergiedörfer. Institutionen, Einrichtungen, Betriebe, Städte und Kommunen sollen das gesetzliche Recht zum Kauf der von ihnen für die Energieerzeugung und -eigenversorgung genutzten Netze erhalten. In kommunalen Stadtwerken unter direkter demokratischer Mitgestaltung der Bevölkerung können ökologische Energiegewinnung und bezahlbare Energiepreise am besten erreicht werden.“

Angesichts der weitreichenden Forderungen bleibt trotz Erwähnung einiger Problempunkte (Bürgerbeteiligung, Wasserstoff als Reserveenergie etc.) unklar, wie die Vorstellungen konkret umgesetzt werden könnten.

Das Wahlprogramm der Linken finden Sie hier.

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