Deutschland

Bundesverfassungsgericht: Hohe Steuerzinsen sind seit 2014 verfassungswidrig

Die hohen Steuerzinsen von sechs Prozent im Jahr sind dem Bundesverfassungsgericht zufolge angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase seit 2014 verfassungswidrig.
18.08.2021 09:36
Aktualisiert: 18.08.2021 09:36
Lesezeit: 1 min
Bundesverfassungsgericht: Hohe Steuerzinsen sind seit 2014 verfassungswidrig
Außenaufnahme des Bundesverfassungsgericht. Der Zweite Senat verhandelt zu Äußerungsbefugnissen von Regierungsmitgliedern. (Foto: dpa) Foto: Uli Deck

Die Finanzämter müssen ihr Zinsen auf Steuernachforderungen senken. Das Bundesverfassungsgericht hat den geltenden Zinssatz von 0,5 Prozent im Monat, mithin sechs Prozent im Jahr, für verfassungswidrig erklärt. In der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung heißt es, "die Verzinsung von monatlich 0,5 Prozent ist angesichts der Niedrigzinsphase seit dem Jahr 2014 evident verfassungswidrig." Allerdings darf der Satz bis zum Jahr 2018 noch angewendet werden, erst auf Steuerbescheide ab 2019 sind Nachzahlungszinsen von sechs Prozent jährlich nicht mehr möglich. Rückzahlung können allerdings nur Steuerpflichtige erwarten, deren Bescheide noch nicht rechtskräftig sind. Wie hoch der Zinssatz sein darf, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht festgelegt. Es ist jetzt Sache des Gesetzgebers bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung zu treffen. (AZ: 1 BvR 2237/14 u.a.)

FDP und Grüne kritisierten, dass die Regierung den Zinssatz nicht schon längst gesenkt hat. "Einmal mehr muss Karlsruhe dafür sorgen, dass Selbstverständlichkeiten wieder gelten", sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar der Nachrichtenagentur Reuters. "Das Urteil ist nicht überraschend - der Bundesfinanzhof hatte bereits 2018 erste Zweifel angemeldet", sagte die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus. "Die Bundesregierung und allen voran Olaf Scholz haben es verschlafen, hier frühzeitig aktiv zu werden."

Nachzahlungszinsen fallen an, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkommen-, Körperschafts-, Umsatz oder auch Vermögens- und Gewerbesteuer-Erklärung verspätet abgibt und Steuer nachzahlen muss. Zwar gilt immer eine Karenzzeit von 15 Monaten ab Fälligkeit. Innerhalb dieser Frist werden keine Verspätungszinsen erhoben werden. Ab dann fallen auf Nachzahlungen jedoch 0,5 Prozent pro Monat an. Dabei ist es egal, ob die Verspätung allein vom Steuerpflichtigen verschuldet ist oder das Finanzamt lange für die Bearbeitung brauchte oder eine Außenprüfung des Finanzamts zu einer Nachzahlung führte.

Grundsätzlich hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Nachzahlungszinsen gebilligt. Damit solle der Vorteil abgeschöpft werden, dass der Steuerpflichtige das Geld für die Nachzahlung lange behalten und anlegen konnte. Aber die unveränderte Höhe von sechs Prozent jährlich sei durch die Niedrigzinsphase seit 2014 nicht mehr gerechtfertigt. Der Erste Senat billigte dem Gesetzgeber zwar zu, die Zinshöhe noch bis 2018 anzuwenden, aber ab 2019 ist der Zinssatz nicht mehr anwendbar. Dies gilt allerdings auch für Steuerrückzahlungen. Denn auch wer zu viel Steuern bezahlt hatte, bekam das Guthaben nach Ablauf der Karenzzeit mit monatlich 0,5 Prozent verzinst.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht auf zwei Verfassungsbeschwerden von Gewerbetreibenden zurück. Sie hatten teilweise Erfolg.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...