Finanzen

Das sagen Deutschlands Ökonomen zur Rede des US-Notenbankchefs

Lesezeit: 3 min
27.08.2021 19:03
US-Notenbankchef Jerome Powell hat am 27. August 2021 mitgeteilt, dass sich die Fed bald von ihrer expansiven Geldpolitik verabschieden wird. Deutschlands Top-Ökonomen haben sich dazu geäußert.
Das sagen Deutschlands Ökonomen zur Rede des US-Notenbankchefs
21.03.2018, USA, Washington: Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Federal Reserve, gibt eine Pressekonferenz nach der ersten Sitzung unter seiner Verantwortung. (Foto: dpa)
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US-Notenbankchef Jerome Powell sieht die Fed auf einem guten Weg zum angestrebten Ausstieg aus dem Krisenmodus nach der Corona-Pandemie. Bei seinem virtuellen Redeauftritt auf der Fed-Konferenz von Jackson Hole betonte er, dass er im Juli einen Beginn des Abschmelzens der großangelegten Wertpapierkäufe noch in diesem Jahr für angemessen gehalten habe. Und mittlerweile habe auch der Arbeitsmarkt weitere Fortschritte gemacht. Doch gehe dies mit der Ausbreitung der Delta-Variante des Corona-Virus einher. Eine Festlegung auf einen Zeitplan zum Abbau der milliardenschweren Konjunkturhilfen vermied er. Ökonomen und Analysten merkten zu der Rede in ersten Reaktionen an:

JÜRGEN CALLIES, MEAG: „Powell ist relativ klar in der Linie der letzten Fed-Aussagen geblieben. Er hat noch einmal verdeutlicht, dass sie sehen wollen, dass das positive Momentum am Arbeitsmarkt anhält, bis sie in die Richtung gehen, das Tapering offiziell mit Termin zu verkünden. Ich glaube schon, dass das eher der November sein wird als der September. Bedeutet, sie dürften aus unserer Sicht um den Jahreswechsel 2021/2022 herum mit dem Tapering beginnen. Einige der derzeit nicht-stimmberechtigte Mitglieder haben zwar zuletzt gesagt, dass man auch bereits im Oktober beginnen könnte. Meine Erwartungen ist es allerdings nicht, dass die Notenbank das Tapering schon im September für Oktober ankündigen wird. In seiner Rede hat Powell das geliefert, was die Märkte erwarten konnten, seitdem klar ist, dass Jackson Hole nur virtuell stattfindet. Nachdem auch der Zeitraum von zweieinhalb auf einen Tag eingedampft wurde, sind nach meiner Beobachtung auch die Erwartungen heruntergeschraubt worden.“

SONJA MARTEN, DZ BANK: „Unsere Erwartung, dass die Fed ihre Anleihekäufe Anfang 2022 reduziert und dies dann in einem sehr gemäßigten Tempo (Staatsanleihen 10 Mrd. USD pro Monat, MBS 5 Mrd. USD pro Monat) tut, hat sich mit der heutigen Rede von Powell erneut gefestigt. Und folgt die Fed diesem Plan, wird die Ausweitung ihrer Bilanzsumme erst im Spätsommer 2022 zum Stillstand kommen. Eine schnelle Zinserhöhung direkt im Nachgang erachten wir jedoch als unwahrscheinlich. Auch beim letzten Mal hat sich die Fed viel Zeit genommen, die Auswirkungen ihres Tapering-Prozesses abzuwarten, bevor sie den Leitzins anhob. Analog dazu dürfte sie sich mit einer ersten Leitzinserhöhung bis 2023 Zeit lassen.“

CHRISTIAN SCHERRMANN, DWS: „Wie von uns erwartet, hielt sich der Vorsitzende der Federal Reserve, Jay Powell, damit zurück, zu erklären, dass 'ausreichende weitere Fortschritte' in Richtung Vollbeschäftigung bereits erreicht seien. Eine genaue Beobachtung der US-Arbeitsmärkte wird nun entscheidend sein, um den Weg zum Tapering einzuschätzen. Wir erwarten für die FOMC-Sitzung im September eine weitere Guidance und sehen frühestens Ende dieses Jahres den Beginn des Taperings.“

CHRISTOPH BALZ, COMMERZBANK: „Fed-Chef Powell hat in seiner Rede in Jackson Hole eine baldige Kurswende in der Geldpolitik in Aussicht gestellt, womit er die Kommunikationspolitik der letzten Wochen fortführte. Er wies allerdings auch auf die von der Delta-Variante ausgehenden Risiken hin. Wir erwarten weiterhin, dass die Fed im vierten Quartal beschließt, die Anleihenkäufe zu reduzieren.“

CHRISTOPH KUTT, DZ BANK: „In seiner mit Spannung erwarteten Rede auf der Jackson-Hole-Konferenz hat US-Notenbankchef Jerome Powell keinen genauen Fahrplan vorgelegt, wann die Fed ihre Anleihekäufe reduziert. In seiner Rede betonte er, dass die aktuelle Geldpolitik weiterhin angemessen sei. Er hob jedoch hervor, dass die Anleihekäufe 'vielleicht schon dieses Jahr' reduziert werden könnten. Der wichtigste Punkt vom heutigen Tag ist, dass Powell die Tapering-Pläne nicht vom Tisch genommen hat. So glaubt der Markt weiter an die Erholung und kann sich auf die Reduktion des Quantative Easing vorbereiten, die aus unserer Sicht Ende des Jahres beginnen wird. Die Unsicherheit bleibt niedrig. Mit massiven Marktreaktionen ist nicht zu rechnen.“

OTMAR LANG, CHEFVOLKSWIRT TARGOBANK: „Viel Lärm um Nichts: Gebannt hatten viele Marktteilnehmer in dieser Woche auf die heutige Rede von US Fed-Chef Jerome Powell in Jackson Hole hingefiebert. Dabei war schon im Vorfeld klar, dass es bei der Konferenz der Notenbanker keinen wirklichen Paukenschlag geben würde. Dass die Fed ihre Anleihekäufe noch in diesem Jahr zurückfahren würde, steht lange fest. Wann sie damit beginnt, ist nicht wirklich relevant. Zumindest auf die Börsen wird das genaue Timing keinen signifikanten Einfluss mehr haben. Dennoch sollte Powell spätestens auf der Fed-Sitzung im September konkreter werden im Hinblick auf den Umfang und das Tempo des Taperings. Die hohe Inflation in den USA sieht er nach wie vor als 'vorübergehend' an. Schon 2022 werde man wieder bei gut zwei Prozent liegen. Die Fed gibt sich damit geldpolitisch entspannter als viele Marktteilnehmer.“

ELMAR VÖLKER, LBBW: „Die Spatzen pfiffen es in den letzten Wochen schon fast von den Dächern: Die US-Notenbank steht in den letzten Zügen der Vorbereitung für den ersten wichtigen Schritt heraus aus der ultra-lockeren Geldpolitik. Falls der zuletzt kräftige Erholungstrend am US-Arbeitsmarkt nicht plötzlich abreißt, dürfte die US-Notenbank ihre Anleihekäufe wohl bereits im Verlauf des vierten Quartals 2021 erstmals seit Beginn der Coronakrise wieder drosseln. Die Fed wäre jedoch nicht die Fed, würde sie nicht gleichzeitig die Sorgen vor einem abrupten Kurswechsel beschwichtigen: Spekulationen, dass auf das 'Tapering' in naher Zukunft auch eine Leitzinswende folgen könnte, erscheinen nach den heutigen Äußerungen Powells unangebracht, was die Finanzmärkte beruhigen dürfte. Überdies hält Powell mit Verweis auf die steil steigenden Corona-Infektionen in den USA ein Hintertürchen offen, um den geplanten Start des 'Exits' aus der ultra-lockeren Geldpolitik doch noch aufzuschieben.“


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