Marokko hatte Anfang Mai aus Verärgerung über die deutsche Außenpolitik seine Botschafterin in Berlin zurückrufen. Hintergrund ist unter anderem der Streit um die Westsahara, die Marokko für sich beansprucht. „Die Bundesrepublik Deutschland hat wiederholt feindselig gegen die höheren Interessen des Königreichs Marokko gehandelt“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur MAP aus einer Stellungnahme des Außenministeriums, in der die Behörde den Schritt begründet hatte.
Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte überrascht auf den Schritt. Man sei nicht vorab darüber informiert worden und die Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar, hieß es aus dem Ministerium. „Wir sind umso mehr überrascht von dieser Maßnahme, als dass wir uns mit der marokkanischen Seite in konstruktiver Weise um die Beilegung der Krise bemühen“, hieß es weiter. Man habe um eine Erklärung gebeten.
Der Gebietsanspruch Marokkos auf die südlich der Landesgrenze gelegene Westsahara wird international nicht anerkannt. Allerdings bestätigte der damals bereits abgewählte, aber noch amtierende US-Präsident Donald Trump im Dezember Marokkos Souveränität über die dünn besiedelte Region. Im Gegenzug sollte Marokko Israel diplomatisch anerkennen - was es dann auch tat. Deutschland kritisierte diese Entscheidung und berief eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats dazu ein.
Das nordafrikanische Land ist dem MAP-Bericht zufolge außerdem verstimmt, weil es nicht zur Berliner Libyen-Konferenz im Januar 2020 eingeladen wurde. Es sei unangemessen, Marokko von derlei Treffen auszuschließen, hieß es. Das Land monierte demnach einen „Kampf gegen die regionale Rolle Marokkos“ insbesondere im Libyen-Konflikt.
Marokkos Verärgerung ist nicht neu: Bereits im März hatte das Königreich ohne Vorwarnung die Beziehungen zur deutschen Botschaft und den mit ihr verbundenen Organisationen ausgesetzt. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte damals mit, Deutschland sehe „keinen Grund für eine Beeinträchtigung der guten diplomatischen Beziehungen zu Marokko“.
Wichtige Energiewende-Projekte gefährdet
Die diplomatische Eiszeit zwischen Rabat und Berlin gefährdet mehrere in dem nordafrikanischen Land geplante Projekte, die vor dem Hintergrund der deutschen Energiewende von Bedeutung sind. So soll in Marokko beispielsweise Strom mithilfe der Solarkraft generiert und auch zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden, schreibt der Blog German Foreign Policy:
„Die Erfolge beim Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu China und zu Afrika südlich der Sahara ermöglichen es Rabat bisher, mit seiner diplomatischen Blockade gegenüber Berlin hart zu bleiben. Der Streit hat längst auch die wirtschaftliche Ebene erreicht. Die Bundesregierung plant, zur Realisierung der Energiewende im großen Stil ‚grünen‘, mit Solar- und Windenergie erzeugten Wasserstoff zu nutzen; als einer der zentralen Standorte für dessen Erzeugung gilt Marokko. Unter anderem ist der Bau einer Großanlage zur Wasserstofferzeugung geplant; die Finanzierung des 325 Millionen Euro teuren Projekts soll überwiegend von der deutschen KfW geleistet werden. Ob das Vorhaben unter den Bedingungen der diplomatischen Blockade noch Chancen auf Erfolg hat, gilt als ungewiss - dies umso mehr, als von der Blockade zunehmend auch die Tätigkeit der bundeseigenen Entwicklungsagentur GIZ in Marokko betroffen ist, die dort zu Jahresbeginn noch 322 Mitarbeiter beschäftigte, nicht zuletzt bei Projekten im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien. Dass Rabat bisher nicht einlenkt, obwohl ein etwaiger Abbruch des Projekts wirtschaftliche Schäden auch für Marokko brächte, ruft in Berlin Erstaunen hervor“, schreibt das Portal.