Angesichts der schweren Folgen von Lieferproblemen für die Versorgung im Land steht die britische Regierung vor einer Kehrtwende. Wie mehrere britische Medien am Samstag übereinstimmend berichteten, will Premierminister Boris Johnson ausländische Lastwagenfahrer vorübergehend von den scharfen Brexit-Visaregeln ausnehmen. Dabei solle es eine Obergrenze geben.
Bisher lehnte Johnson Ausnahmen strikt ab. Auslöser für den Sinneswandel waren offensichtlich Berichte über Probleme bei Benzinlieferungen an Tankstellen. „Boris hat die schlechten Schlagzeilen völlig satt und möchte, dass es gelöst wird, er schert sich nicht mehr um Visaregeln“, zitierte die „Financial Times“ einen „Verbündeten“ Johnsons.
In Großbritannien fehlen nach Schätzungen des Branchenverbands Road Haulage Association etwa 100 000 Lastwagenfahrer. Deshalb kam es vielerorts zu Engpässen und leeren Supermarktregalen. Die Energiekonzerne BP und Esso konnten wegen des Fahrermangels einige Tankstellen nicht mehr mit Kraftstoff versorgen. Auch andere Branchen wie die Fleischhersteller klagen über einen eklatanten Fachkräftemangel. Seit dem Brexit müssen EU-Bürger, die neu zur Arbeit nach Großbritannien ziehen, teure Visa besorgen.
Vor einigen Tankstellen bildeten sich lange Schlangen, nachdem die Lieferprobleme bekannt wurden. Die Energiekonzerne BP und Esso schlossen einige Tankstellen, an anderen gab es entweder nur noch Benzin oder Diesel. Der Betreiber EG Group führte an den Zapfsäulen eine Obergrenze von 30 Pfund (35 Euro) je Kunde ein. Die Regierung betonte, Panikkäufe seien nicht notwendig. „Es gibt keinen Kraftstoffmangel“, twitterte Kabinettsmitglied Nadine Dorries. „Ich wiederhole: ES GIBT KEINEN KRAFTSTOFFMANGEL!!“