Trotz Stromausfällen, Materialmangel und lokalen Corona-Ausbrüchen hat Exportweltmeister China im September überraschend eine Schippe draufgelegt. Die Ausfuhren wuchsen dank der anziehenden Nachfrage nach Konsumartikeln zum bevorstehenden Weihnachtsgeschäft um 28,1 Prozent zum Vorjahresmonat, wie aus den am Mittwoch veröffentlichten Zolldaten hervorgeht. Für Ökonomen kommt das überraschend: Sie hatten nur mit einem Plus von 21,0 Prozent gerechnet, nach 25,6 Prozent im August.
"Die Exporte haben sich erneut überdurchschnittlich entwickelt", sagte Volkswirt Erin Xin vom Bankhaus HSBC. Dahinter stecke wohl eine frühere Auslieferung von Konsumgütern für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft in den westlichen Industrieländern. Dort geht die Sorge um, angesichts von Engpässen wie etwa bei Halbleitern und gestörten globalen Lieferketten nicht rechtzeitig oder ausreichend Ware zu bekommen.
So klagten im September laut einer Ifo-Umfrage 74 Prozent der deutschen Einzelhändler über Lieferprobleme. "Die Beschaffungsprobleme aus der Industrie sind nun auch hier angekommen", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Manches Weihnachtsgeschenk wird vielleicht nicht lieferbar sein oder teuer werden."
Andere Analysten sagten, dass die Stromausfälle die Exporte bislang zwar noch nicht beeinträchtigt haben. Aber in den kommenden Monaten könnten dadurch die Produktion eingeschränkt und die Kosten für die chinesischen Hersteller in die Höhe getrieben werden. Die durch die Umstellung auf saubere Energie, die starke Nachfrage und hohe Rohstoffpreise verursachte Stromknappheit hat seit Ende September die Produktion in zahlreichen Fabriken zum Erliegen gebracht, darunter bei vielen Zulieferern von globalen Konzernen wie Apple und Tesla. Betroffen waren etwa Fabriken in den östlichen Provinzen Guangdong und Zhejiang, beides wichtige Exportstandorte.
"WELTWIRTSCHAFT WIRD STÜTZEN"
"Wir gehen allgemein davon aus, dass diese Störungen in den kommenden Monaten nachlassen werden,", sagte Volkswirt Louis Kuijs von Oxford Economics. Die politische Führung dürfte das Wachstum betonen und dazu aufrufen, die Klimaziele in einem gemäßigteren Zeitrahmen zu verfolgen. "Auf längere Sicht dürften die Exporte durch die anhaltende Erholung der Weltwirtschaft und ein allmähliches Nachlassen der Störungen in der globalen Lieferkette im nächsten Jahr gestützt werden", sagte Kuijis.
Chinas Importe stiegen im September mit 17,6 Prozent deutlich langsamer als noch im August mit 33,1 Prozent. "Die Aufschlüsselung zeigt einen breit angelegten Rückgang bei allen Warentypen, besonders ausgeprägt bei den eingehenden Lieferungen von Halbleitern", sagte Analyst Julian Evans-Pritchard von Capital Economics. Geringere Einfuhrmengen von Industriemetallen seien zudem ein weiterer Beleg dafür, dass Umweltauflagen und eine Abkühlung der Bautätigkeit die Schwerindustrie belasten.
Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge bleibt China ein Zugpferd der Weltwirtschaft. In diesem Jahr soll die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt um 8,0 Prozent wachsen. Für 2022 werden 5,6 Prozent erwartet.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat sich von der Pandemie zwar schnell erholt, aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Erholung an Schwung verliert. Die hohe Nachfrage nach Rohstoffen und Versorgungsengpässe trüben Chinas wirtschaftliche Aussichten. Mehr zum Thema: Der Gigant wankt: Chinas Finanzsystem steht vor dem Kollaps, Partei und Konzerne kämpfen um die Macht