Finanzen

Inflation: Gibt es einen Schutz gegen die schleichende Enteignung?

Lesezeit: 5 min
21.11.2021 00:06
Die Inflation ist nicht mehr zu stoppen. Jetzt heißt es, klug zu investieren.
Inflation: Gibt es einen Schutz gegen die schleichende Enteignung?
Dieser Crash ging glimpflich aus: dem Fahrer passierte nichts. Der Zusammenbruch des Geldsystems wird schlimmere Folgen nach sich ziehen - für die es sich jetzt zu wappnen gilt. (Foto: dpa)

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Der Trend ist beunruhigend: Die offizielle Inflationsrate in Deutschland, die im Mai 2021 noch bei 2,5 Prozent lag, hat ganze fünf Monate später bereits einen Wert von 4,5 Prozent erreicht und steigt ganz offensichtlich weiter an.

Das aber ist noch lange nicht der einzige Anlass zur Sorge. Lieferengpässe, explodierende Transportkosten und eine immer bedrohlichere Energiekrise werden dazu beitragen, die Preise in den kommenden Wochen und Monaten weiter in die Höhe zu treiben. Dazu erwarten uns neue, mit Corona begründete Einschränkungen, die Wirtschaft und Finanzsektor zusätzlich belasten und ebenfalls für einen weiteren Preisanstieg sorgen werden.

Wohin führt diese Entwicklung? Handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen, das man am besten ignorieren sollte, oder stehen wir am Anfang einer gefährlichen Spirale nach oben?

Die durchsichtigen Entwarnungen von FED und EZB

EZB-Chefin Christine Lagarde gibt sich seit Wochen alle Mühe, das Problem der fortschreitenden Geldentwertung herunterzuspielen. Für sie ist es der wirtschaftliche Erholungsprozess, der gegenwärtig für Angebotsengpässe sorgt und die Inflation treibt. Dazu kommen nach ihren Aussagen der außergewöhnlich niedrige Ölpreis vom vorigen Jahr und die Absenkung und spätere Wieder-Anhebung der Mehrwertsteuer in Deutschland.

Lagardes Argumente überzeugen nicht. Zwar tragen die von ihr genannten Faktoren alle zum Preisanstieg bei, doch können sie dessen Wucht nicht einmal annähernd erklären.

Lagardes Kollege Jerome Powell, Chef der mächtigen US-Zentralbank Federal Reserve (FED), der die anziehende Inflation zunächst auch als „vorübergehende Phänomen“ abgetan hatte, gibt inzwischen zu, dass er sich verschätzt hat. Auf seinen jüngsten Pressekonferenzen nannte er den Preisanstieg von mittlerweile über sechs Prozent ein „hartnäckigeres Problem als zunächst angenommen“ und gestand ein, dass man in absehbarer Zeit „Gegenmaßnahmen treffen“ müsse.

Es ist kein Zufall, dass sowohl Powell als auch Lagarde keine schlüssige Erklärung für das so heftig einsetzende Phänomen Inflation liefern und auch keine konkreten und wirksamen Schritte zu seiner Eindämmung ankündigen. Beides käme nämlich einem öffentlichen Eingeständnis des Bankrotts ihrer Politik der vergangenen Jahre gleich.

Die Zentralbanken sind mit ihrem Latein am Ende

Tatsächlich ist der Preisanstieg, den wir aktuell erleben, nichts anderes als das Ergebnis der ultralockeren Geldpolitik, die die Zentralbanken nach der Weltfinanzkrise begonnen, in der Eurokrise intensiviert und im Rahmen des Beinahe-Crashs des globalen Finanzsystems im März 2020 auf die Spitze getrieben haben.

Waren es zwischen 2008 und 2019 noch hunderte von Milliarden, die ins System eingespeist wurden, so sind es inzwischen Billionen an Dollars, Euros und anderen Währungen, mit denen die Märkte überflutet werden.

Allerdings haben wir im vergangenen Jahr einen historischen Wendepunkt in der Geldpolitik erreicht. Bis zum März 2020 standen den Zentralbanken nämlich zwei Mittel zur Stützung des Systems zur Verfügung – die Geldschöpfung zur Ausweitung der Geldmenge und die Zinssenkung, die vor allem der Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und damit der Stützung der Finanzmärkte dient.

Im März 2020 sind die Zentralbanken bei den Zinsen jedoch bei null oder zumindest in der Nähe der Null angekommen. Da das Bankensystem auf Dauer nicht mit Negativzinsen leben kann, entfällt seitdem also das Mittel der Zinssenkung. Anders ausgedrückt: Die Zentralbanken können das System in Zukunft nur noch durch weitere Geldschöpfung stützen.

Diese Geldschöpfung wird aber ohne gleichzeitige Zinssenkungen nicht mehr den bisher gezeigten Effekt haben, so dass man den Geldhahn immer weiter wird aufdrehen müssen. Wir stehen also vor einer unvermeidbaren Explosion der globalen Geldmenge.

Das Gerede von der Rückkehr zur soliden Geldpolitik

Man kann davon ausgehen, dass die Zentralbanker sich dieser Tatsache bewusst sind. Ihr Job jedoch verlangt von ihnen, die Märkte zu beruhigen. Aus genau diesem Grund deuten Jerome Powell und Christine Lagarde seit einigen Wochen immer wieder zaghaft an, dass sie die Geldmenge in Zukunft wieder reduzieren und die Anleihenkäufe zurückfahren wollen.

Diese Ankündigungen kann man aber getrost als hohle Versprechungen abtun, denn selbst wenn FED und EZB den Versuch unternehmen würden, sie einzulösen, wären sie zum Scheitern verurteilt, und dafür gibt es einen eindeutigen Beweis: Im Jahr 2018 hat die Fed unter ihrer damaligen Chefin Janet Yellen bereits versucht, die Geldpolitik zu straffen. Die Folge war der größte Einbruch an den weltweiten Aktienmärkten seit achtzig Jahren, der Yellen nötigte, den Akteuren der globalen Finanzmärkte Anfang 2019 hoch und heilig zu versprechen, den Kurs umgehend zu korrigieren und zur lockeren Geldpolitik zurückzukehren.

Wer sich in unseren Tagen auf die Zukunft vorbereiten will, muss also wissen: Wir befinden uns auf einem Weg, der keine Umkehr mehr zulässt. Das globale Finanzsystem gleicht einem Drogenkranken, der nach immer mehr Suchtmitteln verlangt und den ein Entzug mit Sicherheit umbringen würde.

Wichtig ist, den Tatsachen ins Auge zu sehen

Wichtig ist es in der aktuellen Situation, sich kein A für ein U vormachen zu lassen, sondern den Tatsachen ins Auge zu sehen, und die lauten: Wir stehen am Anfang einer Geldentwertung, gegen die den Verantwortlichen keine wirksamen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Wir müssen sogar damit rechnen, dass die Inflation in absehbarer Zeit an Fahrt aufnehmen und in eine galoppierende und schlussendlich in eine Hyperinflation übergehen wird.

Auch hierfür gibt es ein eindeutiges Warnzeichen, und das ist das Projekt, das alle großen Zentralbanken zurzeit unter Hochdruck verfolgen: die Einführung digitalen Zentralbankgeldes. Das Ziel besteht darin, den Geschäftsbanken die Kreditvergabe zu entziehen und diese allein in die Hand der Zentralbanken zu legen. Da dieses Geld programmierbar ist, glaubt man, auf diese Weise das Problem der Negativzinsen in den Griff bekommen zu können.

Wie und wann dieses Geld eingeführt werden wird, steht momentan noch in den Sternen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass es irgendwann kommen wird und dass wir bis zu seiner Einführung mit einem kontinuierlichen Aufblasen der vorhandenen Geldmenge und daher mit fortschreitender Geldentwertung rechnen müssen.

Dieser Prozess wird aber noch eine weitere Entwicklung anheizen, nämlich die kontinuierliche Zunahme der weltweiten Schulden. Dieser Prozess wiederum wird seinerseits die Geldentwertung vorantreiben, so dass wir nicht nur national, sondern international Weimarer Verhältnisse bekommen werden und bei der Einführung des digitalen Zentralbankgeldes mit einer Währungsreform rechnen müssen.

Was tun?

Was also tun? Angesichts der Tatsache, dass wir uns seit einigen Jahren im größten Geldexperiment in der gesamten Geschichte der Menschheit befinden und uns mit dem kommenden Umbruch historische Unwägbarkeiten und eine nie dagewesene Unsicherheit erwarten, erscheint es sinnvoll, sich zum Zweck der Vermögenserhalts auf alte Tugenden zu besinnen und in Sachwerte zu investieren.

Sowohl Edelmetalle als auch verschiedene Rohstoffe stehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor einer Preisexplosion, die im Fall der Edelmetalle zurzeit noch durch Manipulation unterdrückt wird. Je instabiler das System jedoch wird, umso weniger wird das Drücken der Preise durch die Großbanken gelingen, so dass man hier mit gewaltigen Preissteigerungen und damit zumindest mit einem Erhalt der Kaufkraft rechnen kann.

Natürlich muss man auch hier Vorsicht walten lassen. Ein Goldverbot wie in den dreißiger Jahren in den USA kann nicht ausgeschlossen werden Beim Silber dagegen ist ein Verbot allein wegen der schieren Menge und des ständigen industriellen Bedarfs wohl kaum durchsetzbar.

Was Immobilien und Aktien angeht, so ist ebenfalls Vorsicht geboten. Wir haben es schon seit einiger Zeit mit einer zunehmenden Flucht aus dem Geld zu tun, die an allen Fronten für immense Blasen gesorgt hat. Sowohl Aktien als auch Immobilien sind zurzeit extrem überbewertet und warten nur auf eine Korrektur.

Wie steht es um Kryptowährungen? Bitcoin, zum Beispiel, hat seinen Besitzern in der jüngeren Vergangenheit doch erhebliche Gewinne beschert. Das ist richtig, aber auch Kryptowährungen sind Teil des aktuellen Geldexperiments, und wer insbesondere in Bitcoin investiert, der sollte wissen: Der Preis wird durch pure Spekulation bestimmt, kann zwar weiter steigen, allerdings auch auf sein intrinsisches Niveau fallen, und das liegt bei null.

Egal, wie man es dreht und wendet, wir leben in Zeiten allergrößter Unsicherheit und haben in den vergangenen achtzehn Monaten zudem einen einmaligen Angriff auf unsere Grundrechte erlebt, so dass man selbst staatliche Eingriffe in das Eigentumsrecht nicht mehr ausschließen kann.

Unter diesen Bedingungen empfiehlt es sich nicht nur, in Sachwerte zu investieren, sondern auch, so gut es geht, zu diversifizieren und sich ständig über die aktuellen Entwicklungen zu informieren, um notfalls schnell und wirksam umschichten zu können.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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