Knapp sechs Wochen vor der geplanten Präsidentschaftswahl in Libyen hat der mächtige General Chalifa Haftar seine Kandidatur angekündigt. Er wolle damit keine Macht und keinen Status erlangen, sondern das libysche Volk „in einer entscheidenden Phase zu Ruhm, Fortschritt und Wohlstand“ führen, sagte er am Dienstag in einer Rede, die der ihm nahestehende Fernsehsender Libija al-Hadath übertrug. Die Wahl ist für den 24. Dezember geplant.
Haftar wurden schon länger Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt. Mit der vorübergehenden Abgabe der Armee-Führung schuf er Ende September auch die Voraussetzung für eine Kandidatur. Bis dahin hatte Haftar die selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) im Osten des Landes angeführt. Im Bürgerkrieg kämpfte er gegen die international anerkannte Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch mit Sitz im Westen. Haftar wird unter anderem von der russischen Regierung und Ägypten unterstützt, während die Türkei der wichtigste Verbündete der Regierung in Tripolis ist.
Wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern ist derzeit aber weiterhin unklar, ob die Wahlen tatsächlich wie geplant stattfinden. Ein Streitpunkt ist der Zeitpunkt der Parlamentswahl, die eigentlich am selben Tag wie die Präsidentschaftswahl abgehalten werden sollte.
Libyen war nach dem völkerrechtswidrig von Großbritannien, den USA und Frankreich gewaltsam erzwungenen Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg versunken. In diesem Frühjahr wurde unter UN-Vermittlung eine Übergangsregierung gebildet, die das Land zu Wahlen führen soll.
Auch Gaddafis Sohn tritt an
Sechs Wochen vor der geplanten Präsidentschaftswahl will sich ein Sohn des getöteten früheren Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi als Kandidat aufstellen lassen. Saif al-Islam reichte seinen Antrag dafür am vergangenen Sonntag in der südlichen Stadt Sabha ein, wie die Wahlkommission mitteilte. Sie veröffentlichte bei Facebook auch Fotos davon, wie Al-Islam an einem Schreibtisch die nötigen Dokumente ausfüllt. Er ist mit langem Bart und in traditionellem Gewand zu sehen. Al-Islam habe auch einen Wahlzettel erhalten.
Al-Islam hatte in Libyen die Niederschlagung von Protesten gegen seinen Vater im Jahr 2011 unterstützt. Im wurde vorgeworfen, im Rahmen der Aufstände zur Tötung friedlicher Demonstranten aufgerufen zu haben. Auf der Flucht wurde er dann von einer Miliz gefasst und kam in der westlibyschen Stadt Sintan in Haft. Dort verbrachte er nach eigener Aussage mehrere Jahre mit kaum Kontakt zur Außenwelt. Sonntag markierte seinen ersten öffentlichen Auftritt seit Jahren.
Seit 2014 fordert der Internationale Strafgerichtshof Al-Islams Auslieferung, um ihm wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess zu machen. 2015 wurde er von einem Gericht in Tripolis in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die Machthaber in Sintan ließen ihn aber weder nach Tripolis überstellen, noch lieferten sie ihn aus.
20.000 fremde Söldner im Land
Die Teilnehmer einer Libyen-Konferenz in Paris hatten vergangene Woche auf das Abhalten der am 24. Dezember geplanten Wahlen ebenso gepocht wie auf den vereinbarten Abzug ausländischer Söldner und Militärs. Es gehe darum, die Chance auf Frieden zu ergreifen, appellierte UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu Beginn der Konferenz. Die Wahlen seien ein entscheidender Schritt auf dem Weg hin zu Frieden und Stabilität. Ob dieser Weg gelingt, ist noch nicht ausgemacht, es gibt internen Streit und Nutznießer des Chaos.
„Die internationale Staatengemeinschaft steht Libyen bei“, betonte die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Wahlen am 24. Dezember spielten eine entscheidende Rolle. „Ich hoffe, dass die Vorbereitung für die Wahlen so vervollständigt wird, dass das Ergebnis anerkannt wird.“ Eine Voraussetzung für das Abhalten der Wahlen sei Sicherheit. Deswegen sei es wichtig, dass der Abzug ausländischer Söldner nicht nur auf dem Papier erfolge. Eine erste Gruppe von 300 Kämpfern aus Nachbarländern solle schon bald abziehen, hieß es.
„Wir müssen darüber wachen, dass es freie und faire Wahlen gibt“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Libyen habe sich dazu verpflichtet, das Wahlergebnis anzuerkennen, egal wie es ausfällt. Diese Zusage bekräftigte zum Abschluss der Pariser Konferenz Libyens Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba. Es sei ein „historisches Ziel“, den Wahltermin einzuhalten, um Frieden und Stabilität zu erreichen. Nötig seien internationale Wahlbeobachter und Sanktionen für diejenigen, die die Wahlen möglicherweise nicht anerkennen wollten. Einflussreiche Islamisten im Land hatten aus Angst vor Machtverlusten angekündigt, die Wahlen nicht anerkennen zu wollen.
Bis heute sind nach UN-Schätzungen noch 20.000 ausländische Kräfte in Libyen im Einsatz. Russland, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate sind mit Chalifa Haftar, der mit seinen Truppen große Gebiete im Osten und Süden kontrolliert, verbündet. Im Westen sind türkische Truppen und ihre syrischen Söldner im Einsatz, die von der ehemaligen Regierung ins Land geholt wurden, um einen Vormarsch Haftars bis Tripolis zu verhindern.
Die Bundesrepublik gilt als ein wichtiger Vermittler in dem Konflikt. Deutschland verfolgt dabei auch eigene Interessen: Durch Libyen führen wichtige Routen für Flüchtlinge, die den Weg über das Mittelmeer nach Europa suchen. Das Schicksal der Flüchtlinge verdiente mehr Aufmerksamkeit, sagte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi. „Es muss etwas getan werden, um den Migranten zu helfen“, sagte er mit Blick auf die dramatische Lage von in Libyen gestrandeten Flüchtlingen.