AUSBLICK DAX: AUFTRIEB GRUNDSÄTZLICH UNGEBROCHEN
Ausblick mit höherem Risiko als Ende 2020 …
Ende 2020 war der Ausblick für den DAX recht eindeutig: Die Konjunkturaussichten waren robust, die Fiskalpolitik stützte die Wirtschaft, Impfstoffe kamen auf den Markt, und die EZB hatte noch im November ihr Krisenprogramm ausgeweitet. Aufholeffekte, Fiskalstimulierung, EU-Wiederaufbaufonds, der DAX bei rund 13.000 Punkten und eine EZB im Modus „whatever it takes – and more“ hatten eine klare Entwicklung für den DAX in Richtung 16.000 Punkte im Jahr 2021 vorgegeben. Dieser Ausblick ist nun zum Jahresende 2021 nicht mehr so klar wie vor einem Jahr. Hierfür sind jedoch weniger die Omikron-Variante beziehungsweise die vierte Infektionswelle verantwortlich.
Denn zum einen erweisen sich Impfstoffe als effektiv, um den Verlauf abzumildern. Zum anderen wird neuer Impfstoff in Aussicht gestellt. Die vierte Infektionswelle und die Omikron-Variante könnten sich sogar positiv auf die Konjunktur im Jahr 2022 auswirken. Die letzten Quartale haben gezeigt, dass Abschottung eines Landes keine Lösung für die Bekämpfung des Virus darstellt. Hierfür sind Australien und Neuseeland beste Beispiele. Die Lösung liegt vielmehr in einer andauernden und effektiven Immunisierung. Durch die vierte Welle wurde die politische Hemmschwelle gesenkt, entschlossenere Maßnahmen für eine ansteigende Impfquote zu ergreifen. Dies hellt den mittelfristigen Konjunkturausblick auf.
Es sind eher gegenläufige Effekte, die den Ausblick für den DAX eintrüben. So gibt es im Gegensatz zur Lage vor einem Jahr kein klares Indiz dafür, dass die beiden Treiber des DAX – Konjunktur und Geldpolitik – auf Grün stehen. Denn auch wenn der Konjunkturausblick relativ robust erscheint, so ist gerade deshalb zunehmend eine Normalisierung der Geldpolitik zu erwarten – und dies nicht nur in den USA, wo erste Zinsanhebungen bereits im Jahr 2022 umgesetzt werden könnten, sondern auch in der Euro-Zone. Und dennoch ist der fundamentale Ausblick weiter freundlich. Schließlich werden die Zinsen durch die Notenbank nur dann angehoben, wenn die Konjunktur es tragen kann.
… vor allem wenn Notenbanken Anpassungen forcieren müssen
Die Inflation hat 2021 nach oben überrascht, und Sorgen vor einer mittelfristig höheren Teuerung finden zunehmend Gehör – auch bei den Notenbanken. Deshalb hat die Fed bereits klare Worte für eine geldpolitische Wende in ihrem jüngsten Treffen gefunden. Auch die EZB wird ihre Ankaufprogramme Anfang 2022 neu kalibrieren. Dies gilt auch dann, wenn sich der Konjunkturausblick infolge der vierten Infektionswelle kurzfristig eintrüben sollte. Denn die Folgen der aktuellen Welle könnten nicht nur die Konjunktur belasten, sondern auch die Inflation nach oben treiben – gerade, weil die Wirtschaft durch fiskalische Maßnahmen weiterhin unterstützt wird. So wird die EZB zunehmend genötigt sein, nicht unbedingt eine geldpolitische Straffung umzusetzen, aber zumindest in einen etwas neutraleren Modus umzuschalten. Dies wird den negativen Bundrenditen und damit den risikofreien Renditen Auftrieb geben.
Eine höhere Inflation bei schwacher Konjunktur könnte zu einem ernsthaften Risiko für den DAX werden. Im Jahr 2021 konnten Unternehmen ihre Margen dank einer robusten Nachfrage behaupten und bewirkten aufgrund von Lieferengpässen und hohen Rohstoffpreisen einen deutlichen Anstieg der Verbraucherpreisinflation. Deshalb waren bis dato die Gewinne der Unternehmen trotz der Produktionsprobleme robust. Sehen Notenbanken weltweit eine ernsthafte Inflationsgefahr, muss der Druck auf die Wirtschaft erhöht werden, um durch sinkende Nachfrage und Margendruck die Inflation wieder einzufangen. Hierfür wäre auch eine weniger unterstützende Fiskalpolitik notwendig.
Zinsanhebungen trotz schwacher Konjunktur sind hingegen kein plausibles Szenario für 2022. Denn bei einer schwachen Konjunktur würden sich Gewinnmargen und Arbeitsmarkt anpassen und somit die Inflationsdynamik abschwächen. Ob und in welchem Umfang die Unternehmensgewinne davon betroffen sind, ist dann eine Frage der Anpassungsgeschwindigkeit von vor allem Rohstoff- und Arbeitsmärkten. Bei Letzteren sind Produktivitätssteigerung und Lohnentwicklung entscheidend. Es besteht die Gefahr, dass eine auch im Jahr 2022 robuste Nachfrage noch länger für Inflationsdruck sorgt und so die Notenbanken zum Handeln nötigt.
Die geldpolitische Unterstützung wird im Jahr 2022 nachlassen; und die Gefahr einer geldpolitischen Straffung zur Eindämmung des Inflationsrisikos ist gestiegen. Dennoch erwartet die IKB mittelfristig ein Nachlassen der Inflationsdynamik, sodass eine spürbare geldpolitische Straffung nicht notwendig ist. Dies beruht auf der Einschätzung, dass ein kräftiges Nachfragewachstum bei den aktuellen privaten sowie staatlichen Schuldenquoten nicht zu erwarten ist – vor allem weil die Geldpolitik kaum noch Spielraum hat, die private Schuldenlast durch Zinssenkung zu reduzieren. Andererseits hat sich die EZB durch die Anpassung des Inflationsziels und die Betonung eines nachhaltigen Inflationsanstiegs viel Raum geschaffen, selbst bei einer länger anhaltenden hohen Inflation nur graduell zu reagieren. Steigende Zinsen im Jahr 2022 sollten deshalb eher ein Indiz einer robusten Wirtschaft sein und keine Folge von Maßnahmen gegen den Inflationsdruck. So sollten risikofreie Renditen im Jahr 2022 zwar steigen, das Gewinnpotenzial der Unternehmen aber auch.
Sorgen, die Geldpolitik könne die Konjunkturerholung ausbremsen, sind unangebracht. Die Konjunkturrisiken dürften aber zumindest kurzfristig dominieren, was den DAX unter Druck setzen und grundsätzlich in den kommenden Wochen und selbst Monaten zu erhöhter Volatilität führen sollte. Die Inflationsrisiken sollten aber in der zweiten Jahreshälfte von 2022 deutlich nachlassen, der Konjunkturausblick sollte sich aufhellen und eine grundsätzlich abwartende EZB dürfte DAX-Anstiege nicht stoppen. Mit nachlassenden Lieferengpässen und Rohstoffpreisen sollten sich zudem die Gewinn-Margen der Unternehmen trotz sinkender Inflation in den Jahren 2022 und 2023 behaupten.
Bewertung des DAX gibt Unterstützung
Während der Goldpreis bei rund 1.800 US-Dollar pro Feinunze eine eher schwache Konjunktur und damit erneut sinkende Zinsen signalisiert, scheint beim DAX keine besonders positive Gewinnerwartung eingepreist zu sein. Im Gegenteil: Das aktuelle KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) liegt unter dem Durchschnittwert, selbst wenn die hohen KGV der Finanz- und Coronakrise nicht berücksichtigt werden. Ende 2020 deutete das hohe KGV hingegen auf eine klare und deutliche konjunkturelle Verbesserung hin. Dies hat sich im Jahr 2021 bestätigt und die Bewertungen wieder sinken lassen. Aktuell sind die Gewinnerwartungen – auch infolge des Anstiegs 2021 – im Kontext der Konjunkturerwartung eher verhalten.
Die Bewertung des DAX scheint angesichts der Wachstumserwartungen nicht angespannt zu sein. Das KGV spiegelt keine ambitionierten Erwartungen bei den Gewinnsteigerungen, sondern liegt eher am unteren Rand des langjährigen Durchschnitts. Das heißt: Die Unternehmensgewinne müssen nicht deutlich ansteigen, um das aktuelle Preisniveau des DAX zu rechtfertigen. Im Gegenteil, die Erwartung eines robusten Gewinnausblicks infolge eines hohen nominalen BIP-Wachstums im Jahr 2022 – entweder durch reales Wachstum oder durch Inflation – sorgt für ein weiter sinkendes KGV und damit Auftrieb für den DAX.
Klartext: Kurzfristig hohe Volatilität, dennoch positiver Ausblick
Auch wenn die fundamentale Nachfrage es durchaus andeuten würde, es braucht keinen besonders positiven Gewinnausblick, um im Jahr 2022 einen spürbar ansteigenden DAX zu erwarten. Die aktuellen Bewertungen (15.300 Punkte) sind weder ambitioniert noch spiegeln sie besonders hohe Gewinnerwartungen. Dies gilt selbst für einen DAX-Wert von rund 16.500 Punkten. Darüber hinaus müssen sich allerdings positive Überraschungen beim Gewinnausblick für 2022 realisieren, was nicht ausgeschlossen, aber durchaus mit Risiken behaftet ist. So sehen wir einen DAX-Wert von über 16.500 Punkten für Ende 2022 als eine robuste Prognose mit ausgeglichenem oder leicht nach oben tendierendem Risikoprofil. Ein Anstieg von über zehn Prozent – der DAX läge dann bei über 17.000 Punkte – bedarf hingegen einer besonders guten Konjunktur, vor allem, wenn risikofreie Renditen – also Bundrenditen – ansteigen sollten, wovon wir ausgehen. Deshalb wäre auch ein DAX von 17.000 Punkten Ende 2022 laut IKB-Konjunkturprognosen eine immer noch vertretbare Einschätzung. Dies gilt vor allem, wenn die Lieferengpässe beseitigt werden, die Rohstoffpreise nachgeben sollten und die EZB weiterhin das kurze Ende der Zinskurve unverändert lässt.
GOLDPREIS: DIE LUFT WIRD DÜNNER
Steigende Unsicherheit lässt Goldpreis ansteigen …
Der Inflationsdruck nimmt weltweit weiter zu, und die Prognosen für 2022 werden fast monatlich angepasst. Zwar erwarten die meisten Experten nach wie vor, der Preisanstieg sei vorübergehend beziehungsweise nicht nachhaltig, da die Rohstoffpreiseerhöhungen und Lieferengpässe temporär seien und keine anhaltenden Preisschübe mit sich bringen würden. Die Sorge vor Zweitrundeneffekten steigt jedoch angesichts einer weiterhin grundsätzlich expansiven Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks.
In Anbetracht steigender Infektionszahlen kommen weitere Sorgen hinzu. Wird die sich abzeichnende aktuelle Corona-Welle zu zusätzlichen Preisschüben führen? Denn die Fiskalpolitik sowohl in den USA als auch in der Euro-Zone sollte auch im Jahr 2022 eher expansiv ausgerichtet bleiben, die Wachstumsdynamik dürfte weiterhin unter anhaltender Unsicherheit und Lieferproblemen leiden. Reduziert sich das Potenzialwachstum infolge der Pandemie, was bei gleicher Nachfrage für ein voraussichtlich höheres neutrales Zinsniveau sorgen würde? Und was werden all die Euro bewirken, die die EZB über ihre Geldmenge M3 in Umlauf brachte?
Selten war der Inflationsausblick beziehungsweise die zu erwartende Geldpolitik so unsicher wie aktuell – trotz definierter, wenn auch oftmals angepasster Inflationsziele aller bedeutenden Notenbanken. Ist dies Grund für eine spürbare Korrektur des Goldpreises?
Die Antwort liefert der zu erwartende Verlauf von US-Inflation, US-Dollar-Wechselkurs und vor allem der zehnjährigen US-Renditen. Inflationserwartungen zeigen eine hohe Korrelation mit der tatsächlichen Inflation. Eine steigende Inflation sorgt deshalb für zunehmende Inflationssorgen und damit für Auftrieb beim Goldpreis. Erhöhen sich jedoch infolge des Inflationsanstiegs beziehungsweise einer reagierenden Fed auch die US-Renditen, wirkt sich dies negativ auf den Goldpreis aus. Der Anstieg der US-Renditen seit ihrem Tiefpunkt Mitte 2020 hat somit die Verteuerung von Gold ebenso gedämpft wie der aufwertende US-Dollar-Wechselkurs. Die IKB nutzt ein Modell für den monatlichen US-Dollar-Goldpreis, das auf den beschriebenen Treibern basiert.
… doch wie plausibel sind die aktuellen Erwartungen des Goldmarkts?
Was erwartet der Goldmarkt, und wieviel weiteren Raum gibt es nach oben? Wird der Fair Value bei einer zögerlichen US-Notenbank weiter ansteigen, oder ist es eher der Goldpreis, der korrigieren wird? Hierzu hat die IKB mehrere Szenarien simuliert.
Im Basisszenario sinkt die US-Inflation im Verlauf von 2022, was allgemein erwartet wird. Zum Jahresende 2022 läge sie im Basisszenario bei circa zwei Prozent. Die US-Renditen steigen in diesem Szenario Ende kommenden Jahres auf 1,8 Prozent an, auch weil die Fed die Zinsen 2022 anheben wird beziehungsweise eine Normalisierung der Geldpolitik einleitet. Bedeutende Zinsanstiege werden aufgrund der Konjunkturrisiken jedoch nicht erwartet, sodass der Renditeanstieg überschaubar ist. In diesem Szenario erhält der Goldpreis kaum Auftrieb. Selbst eine nur moderate Anhebung der US-Renditen und ein sich stabilisierendes Konjunkturbild würden demnach ausreichen, den Goldpreis unter Druck zu setzen. Dies gilt selbst dann, wenn die Inflationsrate nach oben überrascht, vorausgesetzt, die Renditen reagieren darauf.
Alternatives Szenario: In diesem Szenario steigen die Konjunkturrisiken erneut an. Eskalierende Infektionsraten und Gegenmaßnahmen belasten die Stimmung und verhindern eine sich grundsätzlich aufhellende Stimmung – auch wenn die reale Wirtschaft bei Weitem nicht so in Mitleidenschaft gezogen wird wie im Jahr 2020. In diesem Fall sinken die US-Renditen erneut auf 1,3 Prozent am Ende des Jahres 2022. Die geldpolitische Wende zieht sich somit hinaus. Die Inflationsrate verläuft kurzfristig höher und weitere Überraschungen sind nicht auszuschließen. Der grundsätzliche Inflationsverlauf ist jedoch ähnlich wie beim Basisszenario. In einem Szenario erneut sinkender Renditen steigt der Fair Value des Goldpreises auf rund 1.900 US-Dollar pro Feinunze bis Ende 2022 an. Wird die USA infolge von Konjunkturrisiken zunehmend als „safe-haven“ gesehen und der US-Dollar-Devisenkurs wertet auf, würde dies jedoch den Goldpreis unter Abwärtsdruck setzen – zumindest den US-Dollar-Goldpreis.
Was ist, wenn die Inflationsrate nach oben überrascht und US-Renditen deutlicher reagieren? Steigt die Inflationsrate Ende des Jahre 2022 über 2,5 Prozent und damit auf durchschnittlich über vier Prozent im Jahr 2022, wird sich der Druck auf die US-Renditen beziehungsweise auf die Fed deutlich erhöhen. Der höhere Inflationsdruck im Jahr 2022 wäre dann zunehmend die Folge von Sekundäreffekten – etwa einer Lohn-Preis-Spirale –, die eine kräftige Fed-Reaktion erwarten lassen würden. Zehnjährige US-Renditen legen in diesem Szenario auf rund 2,5 Prozent bis Ende 2022 zu. In diesem Szenario würde der Fair Value des Goldpreises infolge klarer Schritte der Notenbank sowie steigender Renditen im Jahr 2022 deutlich sinken.
Einschätzung der Goldpreisentwicklung
Ist die Fed-Politik weiterhin glaubwürdig, dann deutet der aktuelle Goldpreis auf eine Übertreibung hin. Nur eine anhaltend hohe Inflationsrate beziehungsweise negative Konjunkturüberraschungen und damit ein Abwärtsdruck auf US-Renditen würden dem Goldpreis weiterhin Auftrieb geben. Es braucht also ein Stagflationsszenario, bei dem die Notenbank jeglichen Zinsanstieg auch am langen Ende verhindert, um die Konjunktur zu stützen, gleichzeitig aber die höhere Inflation selbst mittelfristig toleriert. Angesichts des Fokus der Fed auf die durchschnittliche Inflation ist eine solche Entwicklung nicht völlig von der Hand zu weisen. Ein nachhaltiges Stagflationsszenario benötigt allerdings anhaltendes Nachfragewachstum, was bei einer konventionellen Geldpolitik zu Zinsanhebungen führen sollte. So gehen wir davon aus, dass die Fed 2022 und 2023 an der Zinsschraube drehen wird– unabhängig von der Entwicklung auf der Angebotsseite. Angesichts des niedrigeren Niveaus der US-Renditen ist in diesem Falle mit weiter steigenden US-Renditen zu rechnen – und somit mit Druck auf den Goldpreis. Es ist vor allem die Entwicklung der US-Renditen und weniger die Inflation, die für die Goldpreisentwicklung entscheidend ist.
Auch wenn kurzfristig der Goldpreis infolge von Inflationsschüben und einer noch zögerlichen Fed Auftrieb erfahren könnte, so sehen wir im Verlauf des Jahres 2022 kaum bedeutendes Anstiegspotenzial, sondern vor allem Abwärtsrisiken. Die Erwartung erneut deutlich sinkender US-Renditen ist erforderlich, um beim aktuellen Goldpreis noch signifikantes Anstiegspotenzial zu sehen. Wir sehen hierfür eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit – auch wenn die aktuelle Corona-Welle den US-Konjunkturausblick etwas dämpfen könnte. Die erwartete fiskalische Stimulierung im Jahr 2022 unterstützt diese Einschätzung.