Politik

In Europa geliebt, in den USA verhasst: Vierteilige Arte-Doku über Muhammad Ali

Sein Spitzname „The Greatest“ sollte sich bewahrheiten. Nie kannte die Boxwelt einen solchen Star wie Cassius Clay alias Muhammad Ali. Eine hochkarätige Arte-Doku spürt dem Phänomen in vier Teilen nach.
07.01.2022 10:02
Lesezeit: 2 min

Vor Millionen Zuschauern am Fernsehgerät treffen Muhammad Alis Fäuste mit größter Leichtigkeit immer wieder das Gesicht des sichtlich angeschlagenen Gegners: Ernie Terrell, „der Oktopus“ genannt, kann seinen Kopf nur noch mit Mühe schützen.

Der Gigant tänzelt um seinen elenden Widersacher. „Wie heiße ich?“, brüllt Ali und schlägt zu. „Wie heiße ich?“ Wieder ein vernichtender Schlag. „Wie heiße ich?“ Nie hat Muhammad Ali einen Gegner mit solcher Verachtung gedemütigt wie Ernie Terrell im Februar 1967.

Was hatte der „Oktopus“ getan? Er war als schwarzer Kämpfer für das weiße Establishment angetreten, um den Aufstieg eines schwarzen Neulings aufzuhalten. Terrell hatte sich demonstrativ geweigert, den Gegner mit dessen neu angenommenen Namen Ali anzureden. Er nannte den Boxer wie die weiße Öffentlichkeit beim Geburtsnamen: Cassius Clay. Nach 15 Runden gewinnt Ali brutal seinen 28. Kampf - von 28 Kämpfen. Amerikas schwarze Jugend hat ein neues Idol.

Zu sehen ist das in der Doku „Muhammad Ali“ am Dienstag und Mittwoch auf Arte (11./12.1., jeweils 20.15 Uhr; bis 11./12.3. in Mediathek).

Der 1942 geborene Afroamerikaner Cassius Clay hat zum ersten Mal als kleiner Junge ein Boxstudio betreten. Er will damals den Betreiber, einen Polizisten, nur um Hilfe bitten, weil ihm sein Fahrrad gestohlen wurde. Stattdessen entdeckt Clay ein Lebensziel, das er nie aus den Augen verlieren wird: Er steigt vom Amateurboxer zum Olympiasieger von 1960 auf. Ein Syndikat aus weißen Geschäftsleuten finanziert die ersten Schritte seiner Karriere, um ihn von der Mafia fernzuhalten, die in den 50ern die meisten US-Boxer vereinnahmte.

Dennoch wird Cassius Clay, der großmäulig und fast immer zuverlässig die Runde seines Sieges voraussagt, irgendwann zu groß, um nicht anzuecken. 1964 staunt die Welt, als er gegen den haushohen Favoriten Sonny Liston den Weltmeistertitel im Schwergewichtsboxen erkämpft.

Er ist ein Genie an Selbstvermarktung und gaukelt einem Fotoreporter sogar vor, er trainiere unter Wasser. Doch als er zum Muslim wird, der „Nation of Islam“ beitritt, seinen Namen ändert und nicht in den Vietnamkrieg ziehen will, gerät Ali ins Visier.

Dabei geht es ihm ums Prinzip, einen Kampfeinsatz hätte ein Star wie er in Südostasien nicht zu fürchten gehabt. Er wolle nicht auf andere Nicht-Weiße schießen, sagt er der Presse. In den USA wird Ali ausgepfiffen, in Europa verehrt. Und seine illustre Weltkarriere ist noch lange nicht am Ende.

Der brillante amerikanische Dokumentarfilmer Ken Burns, der dem Arte-Publikum in episch langen Mehrteilern schon den amerikanischen Bürgerkrieg und den Vietnamkrieg erklärt hat, hat sich dieses Mal die größte Box-Legende des 20. Jahrhunderts vorgenommen.

Muhammad Ali wird in vier Runden vorgestellt, die je zwischen eineinhalb und zwei Stunden lang sind und in einer wahren Bilderflut dem 2016 gestorbenen Weltstar, Ausnahmeboxer und Selbstdarsteller ausgesprochen nahekommen. Unterlegt ist das kleine Meisterwerk mit spitzenmäßiger Black Music.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Wird die Grundsteuer erhöht? Zu viele Ausgaben, zu wenig Einnahmen: Deutsche Kommunen vorm finanziellen Kollaps
13.05.2025

Marode Straßen, Bäder und Schulen: Fast neun von zehn Städten und Gemeinden in Deutschland droht in absehbarer Zeit die Pleite. Bereits...

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...

DWN
Politik
Politik SPD-Spitze im Umbruch: Bas spricht von historischer Verantwortung
12.05.2025

Die SPD steht nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl vor einem umfassenden Neuanfang. In Berlin haben...