Technologie

Forscher: Geteilte E-Scooter doch nicht so klimaschonend

Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Markt für E-Scooter-Sharing. Jetzt sind Wissenschaftler zu erstaunlichen Ergebnissen über die Mini-Fahrzeuge gekommen.
07.01.2022 17:07
Aktualisiert: 07.01.2022 17:07
Lesezeit: 2 min

Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass E-Scooter doch nicht so klimaschonend sind wie bisher angenommen. Das berichtet die Fachpublikation „National Geographic“. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die „geteilten“ (Sharing) - Fahrzeuge – also solche, die sich jeder per App für eine bestimmt Zeit mieten kann.

Die Schweizer Wissenschaftler des Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) der ETH haben festgestellt, dass geteilte E-Scooter überwiegend den Öffentlichen Nahverkehr, das Fahrrad und den Gang zu Fuß ersetzen. Und nicht - wie bisher immer angenommen - die Fahrt mit dem Auto. Deswegen fällt die Klimabilanz der elektrischen Fahrzeuge nach den Berechnungen der Schweizer Gelehrten tatsächlich schlechter aus, als bisher alle geglaubt haben. Denn die Verkehrsmittel beziehungsweise die natürliche Art, sich fortzubewegen, die E-Scooter in Wirklichkeit ersetzen, seien wesentlich umweltfreundlicher, argumentieren sie. Das ist ein wichtiges Ergebnis von Positionsdaten, Buchungen und Umfragedaten, die das Team um die Forscher Daniel Reck und Kay Axhausen vom IVT drei Monate lang gesammelt hat. 540 Teilnehmer aus der Stadt Zürich waren bereit gewesen, den Wissenschaftlern ihre Antworten zur Verfügung zu stellen.

Fachleute werteten 65.000 Fahrten aus

Insgesamt umfasst die Studie rund 65.000 Fahrten mit verschiedenen Verkehrsmitteln. „Die Ergebnisse der Studie sind auf die meisten europäischen Städte mit gutem Angebot an Öffentlichem Nahverkehr übertragbar“, sagen die Forscher.

Allerdings gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Wer E-Scooter hingegen privat nutzt, habe wiederum eine bessere Klima-Bilanz als die Öffentlichen Verkehrsmittel, das Fahrrad und beim Gang zu Fuß. Nur die geteilten E-Scooter wiesen einen höheren CO2-Abdruck auf, sagen die Wissenschaftler.

„Unterm Strich emittieren geteilte E-Scooter und E-Bikes mehr CO2 als die ersetzten Verkehrsmittel, während private E-Scooter und E-Bikes weniger CO2 emittieren als die ersetzten Verkehrsmittel”, macht Reck klar. Das liege unter anderem daran, dass private Scooter im Schnitt mehr als doppelt so lange im Einsatz bleiben, bevor sie gewartet oder ersetzt werden müssen.

Wie die deutschen Hersteller die Studie bewerten

Die Erkenntnisse sind insbesondere für die deutschen Anbieter und Hersteller von besonderer Bedeutung. Denn Deutschland, das die E-Scooter erst im Mai 2019 erlaubt hat, gilt als zweitgrößter Markt der Welt für diese Art von Dienstleistung. Der Fachdienst „Statista“ geht davon aus, dass die Gesamtumsätze der Branche in Deutschland 2021 wohl bei 140 Millionen Euro gelegen haben. Insgesamt haben wahrscheinlich elf Millionen Kunden die Fahrzeuge benutzt, glauben die Fachleute. Nur der Markt in USA weise höhere Werte auf, schreiben die Experten.

„Unser E-Scooter ELMOTO KICK wird ausschließlich im Privatkunden-Bereich vertrieben“, erklärt Melina Dreyer, PR & Social Media Manager, von GOVECS, einem Hersteller aus München. „Unsere Modelle, die wir für das Sharing-Business anbieten, sind ‚größere‘ Elektroroller mit einer Geschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde. Das Modell Govexs Flex wurde beispielsweise eigens für den Sharing-Betrieb entwickelt: Besonders robust, effizient und langlebig, denn wir sind ebenfalls der Meinung, dass ein Elektroroller nur nachhaltig ist, wenn er auch lange fährt und nicht nach kurzer Zeit wieder ausgetauscht werden muss“, sagt die Vertreterin des süddeutschen Produzenten den DWN.

„Besitzen jederzeit nachhaltiger als das Teilen“

„Insbesondere für Mikromobilitätslösungen, die in der Regel für kurze Entfernungen genutzt werden, ist das Besitzen jederzeit nachhaltiger als das Teilen“, erklärt Florian Walberg, Gründer und CEO von Egret, einem weiteren deutschen Anbieter, der aus Hamburg stammt. „Um einer Hardware Nachhaltigkeit zu quittieren, sollte eine maximale Langlebigkeit gewährleistet sein. Aus diesem Grund konzentrieren wir uns auf Premiumqualität und haben die Langlebigkeit unserer Produkte zum Kern unserer Produktentwicklung erklärt“, fügt der Manager hinzu und richtet einen Appell an alle anderen, die es betrifft:

„Wir setzen uns für die Einführung verbindlicher Vorgaben für Sharing-Unternehmen ein. Die Integration in bestehende Infrastrukturen und ein Verteilungsschlüssel für Stadt und Land sollte für dieses Konzept viel stärker im Fokus stehen: Je nahtloser und unkomplizierter die Mobilität im Zusammenspiel mit ÖPNV und Sharing-Fahrzeugen funktioniert, desto eher sind die Menschen bereit, das eigene Auto stehen zu lassen – und das muss das gemeinsame Ziel sein.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz-Erfinder warnt: „Meine Schöpfung kann uns vernichten“
22.11.2025

Er gilt als einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“ – jetzt warnt Yoshua Bengio vor ihrer zerstörerischen Kraft. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Škoda-Erfolg und Chinas Einfluss: Was die Abhängigkeit für deutsche Autobauer bedeutet
22.11.2025

Elektromobilität ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den europäischen Massenmarkt. Doch wie gelingt es...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachtsmarkt-Sicherheit: Was bringen Beton, Kameras und Co. auf Weihnachtsmärkten wirklich?
22.11.2025

Deutsche Weihnachtsmärkte stehen für Atmosphäre, Tradition und Millionen Besucher. Gleichzeitig wächst die Debatte über Schutz,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ticketsteuer sinkt: Flugbranche verspricht mehr Verbindungen – Passagiere bleiben skeptisch
22.11.2025

Die Bundesregierung will den Luftverkehr mit einer Absenkung der Ticketsteuer ab Mitte nächsten Jahres entlasten. Die Flug- und...

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...

DWN
Politik
Politik Koalition unter Druck: Bundesrat zwingt Merz-Regierung in den Vermittlungsausschuss
21.11.2025

Die Stimmung in der Koalition mau, der Rentenstreit noch längst nicht ausgestanden – jetzt legt sich auch noch der Bundesrat quer. Er...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Ein Mundscan reicht: Das Healthtech DentalTwin erstellt KI-basierte Modelle für Zahnersatz
21.11.2025

Mithilfe KI-basierter Datengenerierung verlagert das Start-up DentalTwin die Zahnprothetik ins Digitale. Das dürfte nicht nur Praxen und...