Finanzen

Pakistan beugt sich dem IWF - und beschließt gefährliche Maßnahmen

Die pakistanische Regierung hat schmerzhafte und politisch riskante Maßnahmen beschlossen, um an Kredite des IWF zu kommen.
14.01.2022 10:00
Aktualisiert: 14.01.2022 10:02
Lesezeit: 3 min
Pakistan beugt sich dem IWF - und beschließt gefährliche Maßnahmen
Händler sitzen unter Anzeigetafeln an der Börse Karachi zusammen. (Foto: dpa) Foto: Shahzaib Akber

Nach wochenlangen Kontroversen hat Pakistans Parlament in einer sieben Stunden dauernden Sitzung Finanzmaßnahmen beschlossen. Die Maßnahmen, zu denen zusätzliche Steuern zählen, sind notwendig, um ein Kreditpaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) wiederzubeleben. Die Zustimmung der Nationalversammlung erfolgte in der Nacht zu Freitag, nachdem Premierminister Imran Khan die Unterstützung seiner Koalitionspartner zurückgewinnen konnte.

Das neue Gesetz hebt unter anderem Steuerbefreiungen etwa für Babynahrung und diverse Lebensmittel auf oder erhöht diese Steuern. Das soll dazu beitragen, jährlich 1,93 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Einnahmen zu erzielen. Das Land hat insgesamt eines der niedrigsten Steueraufkommen weltweit. Pakistans Oppositionsparteien und Wirtschaftsexperten befürchteten, der Schritt werde eine neue Inflationswelle auslösen. Die jährliche Preissteigerungsrate lag im Dezember bereits bei 11,5 Prozent.

Pakistan hatte sich 2019 mit dem IWF auf ein Kreditpaket in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar geeinigt, um eine Zahlungsbilanzkrise abzuwenden. Wegen aus Sicht des IWF fehlender Reformen wurde es aber bereits zwei Mal ausgesetzt und lediglich ein Drittel der Summe ausbezahlt. Nun hofft Islamabad, dass der IWF Ende Januar eine Tranche von einer Milliarde US-Dollar freigibt.

Die vom IWF geforderten Einsparmaßnahmen sind politisch riskant. Denn in Pakistan existiert eine mächtige islamistische Opposition, die nur darauf wartet, die Regierung aus dem Zentrum der Macht zu verdrängen. Die Rücknahme der Steuererleichterungen und die von Ökonomen erwartete stärkere Inflation könnten den Unmut in der Bevölkerung verstärken und den Islamisten neue Anhänger zuführen.

Spur der Gewalt

Dabei wird die Auseinandersetzung zwischen den islamistischen Gruppierungen und der Zentralregierung seit einigen Monaten immer blutiger: Zuletzt waren an Silvester bei mehreren Zwischenfällen mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Mindestens vier Personen wurden getötet und mehr als ein Dutzend verletzt, als ein Bus mit Studentenvertretern einer religiösen Partei auf eine am Straßenrand platzierte Bombe auffuhr, das teilten Behördenvertreter am 31. Dezember mit. Der Vorfall ereignete sich demnach am späten Donnerstagabend in der Provinzhauptstadt Quetta.

Quetta ist die Hauptstadt von Baluchistan, Pakistans größter und auch unruhigster Provinz. Sie grenzt an Afghanistan und den Iran. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. In der Vergangenheit haben pakistanische Taliban sowie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) rivalisierende religiöse Gruppen und Kleriker in der Region angegriffen.

In der Nacht zu Freitag führten zudem pakistanische Sicherheitskräfte eine Hausdurchsuchung in der nordwestlichen Region Nord-Waziristan der Provinz Khyber Pakhtunkhwa an der Grenze Afghanistans durch. Einer Erklärung der Armee vom Freitag zufolge führte der Einsatz zu langen Gefechten mit Islamisten, bei denen vier Soldaten getötet wurden. In einer Erklärung der pakistanischen Taliban hieß es, es seien sieben Sicherheitskräfte getötet worden. Laut Armee wurden in einem weiteren Einsatz der Sicherheitskräfte im Nordwesten zwei Militante getötet.

Nord-Waziristan diente bis 2014 als Hauptquartier von Al-Kaida, des Hakkani-Netzwerkes der afghanischen Taliban und militanten pakistanischen Islamisten. Ab 2014 wurden sie im Zuge von Militäroffensiven aus diesen Gebieten vertrieben. Zuletzt haben die pakistanischen Taliban ihre Angriffe intensiviert, offenbar beflügelt vom Erfolg der afghanischen Taliban.

Anfang November 2021 hatten Anhänger einer islamistischen Partei ihren Marsch auf die Hauptstadt Islamabad abgebrochen. In den vergangenen zehn Tagen hatten Tausende Anhänger der verbotenen TLP die Ausweisung des französischen Botschafters wegen der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in Frankreich im Vorjahr gefordert. Demonstrationen mündeten teilweise in Gewalt. Mindestens sieben Polizisten kamen ums Leben, Dutzende Demonstranten wurden verletzt.

Nach Gespräche mit Regierungsvertretern sagte der TLP-Sprecher, ein Sitzstreik werde fortgeführt, bis der Anführer Saad Rizvi freigelassen werde. Die wichtigste Verkehrsader des Landes, die GT Road, bleibt aufgrund des andauernden Sitzstreiks in Wazirabad, einer kleinen Industriestadt rund 190 Kilometer von Islamabad, weiter geschlossen.

Die Auseinandersetzungen der TLP mit der Regierung dauern bereits seit dem Vorjahr an. Die Regierung weigerte sich wiederholt, den Botschafter auszuweisen, verbot stattdessen die Partei und inhaftierte im April deren Führer.

Die Partei wurde 2017 mit ihrem Eintreten für Gesetze bekannt, die eine Todesstrafe für jene vorsehen, die der Beleidigung des Islams oder des Propheten Mohammed schuldig gesprochen wurden.

Milliardenhilfen und islamische Indoktrination aus Saudi-Arabien

Saudi-Arabien will Pakistan mit Milliardenhilfen aushelfen. Das Königreich werde drei Milliarden US-Dollar in die pakistanische Zentralbank einzahlen und zudem Öl für 1,2 Milliarden Dollar im Jahr mit Zahlungsaufschub liefern, um das Land angesichts der Wirtschaftskrise zu unterstützen, sagte der pakistanische Informationsminister Fawad Chaudhry Ende Oktober 2021.

Das Geld aus Riad werde verwendet, um die sich erschöpfenden Reserven der Zentralbank auf einem sicheren Niveau zu halten, sagte Chaudhry. Die Hilfen seien während eines Besuches des pakistanischen Regierungschefs Imran Khan in Saudi-Arabien am Wochenende vereinbart worden, hieß es aus dem Außenministerium.

Bis dahin hatte Islamabad erfolglos versucht, das Kreditpaket mit dem Internationalen Währungsfonds wiederzubeleben. Dieses wurde 2019 vereinbart, aber mangels Reformen wird im Moment kein Geld ausgezahlt. Zuletzt verlor die Landeswährung Rupie gegenüber dem Dollar stark an Wert. Der Währungsverfall zusammen mit einem Rekordanstieg der Energiepreise führte zu einer Inflationsrate von über 10 Prozent und löste Demonstrationen gegen die Regierung aus.

Der wachsende Einfluss Saudi-Arabiens dürfte das massive Problem Pakistans mit Islamisten noch vergrößern, welche in den vergangenen Jahren deutlich mehr Macht aufbauen konnten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Finanzen
Finanzen ROI: Return on Investment und warum eine hohe Kapitalrendite wichtig ist
23.02.2025

Eine hohe Kapitalrendite entscheidet über den finanziellen Erfolg von Unternehmen und Investoren. Erfahren Sie, warum sie so wichtig ist...

DWN
Finanzen
Finanzen BlackRock: Die unsichtbare Macht eines Finanzgiganten
23.02.2025

BlackRock ist der weltweit größte Vermögensverwalter – doch wie groß ist sein Einfluss wirklich? Buchautor Werner Rügemer erklärt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft in der Krise – Welche Pläne haben die Parteien für Deutschland?
23.02.2025

Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise – und die Bundestagswahl steht bevor. Wie wollen die Parteien Wachstum fördern, Steuern...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr verstärkt Heimatschutz – neue Truppe startet im März
23.02.2025

Die Bundeswehr richtet ihre Verteidigung neu aus: Mit der Heimatschutzdivision will sie kritische Infrastruktur schützen und auf mögliche...

DWN
Politik
Politik Wahlkampf 2025: CDU/CSU zwischen Neustart und Tabubruch
23.02.2025

CDU und CSU setzen auf Steuererleichterungen, das Ende des Bürgergeldes und eine härtere Migrationspolitik. Doch wie realistisch sind die...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...