Politik

Geopolitische Umbrüche mehren sich in Westafrika

Lesezeit: 3 min
26.01.2022 10:50  Aktualisiert: 26.01.2022 10:50
In Westafrika finden derzeit in drei Staaten geopolitische Verschiebungen statt. Die EU wird in allen drei Fällen von den Vorgängen tangiert.
Geopolitische Umbrüche mehren sich in Westafrika
Mamadou Drabo, Anführer der Bewegung «Rettet Burkina Faso», verkündet auf dem Place de la Nation vor der versammelten Menge, dass Oberstleutnant Damiba die Führung des Landes übernommen hat. (Foto: dpa)
Foto: Sophie Garcia

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Die Militärjunta in Mali hat dänische Spezialkräfte aufgefordert, «unverzüglich» das Land zu verlassen. Die Spezialeinheiten, die dem westafrikanischen Krisenstaat als Teil der Mission Takuba helfen, islamistische Terrorgruppen zu bekämpfen, seien ohne Malis Zustimmung im Einsatz, teilte die Übergangsregierung am späten Montagabend mit. Man habe den Einsatz Dänemarks «mit Erstaunen zur Kenntnis genommen», hieß es. Es fehle demnach ein bilaterales Zusatzprotokoll zwischen Dänemark und Mali.

Der französischen Ex-Kolonie mit ihren 20 Millionen Einwohnern machen seit Jahren islamistische Terrorgruppen zu schaffen. Viele Milizen, die zum Teil der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, führen im Länderdreieck Mali, Niger und Burkina Faso regelmäßig Anschläge durch. Die Regierungen haben in den wüstenartigen Weiten der Sahelzone außerhalb der Städte wenig Kontrolle.

Mali, wo auch Soldaten der Bundeswehr im Einsatz sind, hat seit 2012 drei Militärputsche erlebt und ist politisch äußerst instabil. Die Bundeswehr ist in Mali mit gut 1350 Soldaten als Teil der EUTM sowie der UN-Friedensmission Minusma im Einsatz.

Lesen Sie dazu: Söldner auf dem Vormarsch: EU zieht Militärberater aus Zentralafrika ab

EU droht Putschisten in Burkina Faso

Die Europäische Union hat eine entschlossene Reaktion auf den Militärputsch in Burkina Faso angekündigt. «Wenn die verfassungsmäßige Ordnung nicht wieder hergestellt wird, wird das unmittelbare Folgen für unsere Partnerschaft mit dem Land haben», teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch mit. Die EU verurteile den Staatsstreich und fordere die sofortige Freilassung des gewählten Präsidenten Roch Kaboré und aller anderen unrechtmäßig festgenommenen Personen.

Zu den möglichen Strafmaßnahmen der EU gegen das westafrikanische Land zählt ein Zurückfahren der Entwicklungszusammenarbeit und finanziellen Unterstützung. Zudem könnten Sanktionen wie EU-Einreiseverbote gegen die am Putsch beteiligten Personen erlassen werden. Allein über die sogenannte Team-Europe-Initiative hatte die EU dem Land zuletzt Unterstützung in Höhe von 350 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Bei dem Putsch hatten meuternde Soldaten am Montag den in der Bevölkerung umstrittenen Präsidenten Kaboré gestürzt und die Macht übernommen. Die Regierung und die Nationalversammlung wurden aufgelöst, die Grenzen des Landes vorerst geschlossen. Außerdem wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Wie und wann die 21 Millionen Landesbewohner eine Rückkehr zur Demokratie erwarten dürften, ließen die Putschisten offen.

Kein Schutz vor Islamisten

Grund für den Putsch ist die weit verbreitete Unzufriedenheit der Bevölkerung, weil die Regierung sie nicht effektiv vor Angriffen islamistischer Milizen schützen kann. Im Norden Burkina Fasos gilt das an Mali und den Niger grenzende Länderdreieck seit Monaten als Sperrgebiet. Besonders hier erlitt die Armee große Verluste im Kampf gegen den Terror. Als Extremisten im November in der nördlichen Stadt Inata 49 Militärpolizisten und vier Zivilisten töteten, gab es einen Sturm der Entrüstung.

Soldaten verlangten mehr Lohn und bessere Ausrüstung im Kampf gegen die Islamisten. Anschuldigungen, die Regierung kümmere sich nicht ausreichend um die Familien verletzter oder getöteter Streitkräfte, häuften sich. Berichte über fehlende Lebensmittelrationen und schäbige Kasernen befeuerten den Protest. Immer mehr Soldaten und Zivilisten forderten den Rücktritt Kaborés. Der setzte zwar im Dezember auf Druck der Öffentlichkeit seinen Premierminister ab und bildete eine neue Regierung - doch handfeste Reformen folgten nicht.

«Kaboré hat versucht, die Öffentlichkeit zu besänftigen, indem er seine Regierung umbildete, verschiedene Ebenen der Militärführung ersetzte und regierungskritische Proteste verbot», sagte Analyst Alexandre Raymakers von der Sicherheitsberatungsfirma Verisk Maplecroft. Die Wut der Menschen habe das jedoch nicht eingedämmt.

Burkina Faso befindet sich vor allem wegen des zunehmenden islamistischen Terrors in der Sahelzone in einer schweren Krise. In der Region agieren viele Milizen, die zum Teil dem sogenannten Islamischen Staat (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida Treue geschworen haben. Auch langwierige Dürren und Hungersnöte machen dem trotz reicher Goldvorkommen verarmten Land zu schaffen.

Der Putsch in Burkina Faso ist der vierte in Westafrika binnen eineinhalb Jahren und schürt Ängste, die gesamte Region könne destabilisiert werden. Das Nachbarland Mali hat im August 2020 sowie Mai 2021 Militärputsche erlebt und gilt als politisch äußerst instabil. Auch im weiter westlichen gelegenen Guinea ist seit der gewaltsamen Absetzung von Präsident Alpha Condé im September das Militär an der Macht.


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