Deutschland

Spekulanten verdienen sich eine goldene Nase - und verschärfen Gasknappheit in Deutschland

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit verdienen sich deutsche Gas-Spekulanten derzeit eine goldene Nase und blockieren damit wichtige Gaslieferungen für Deutschland.
28.01.2022 09:35
Aktualisiert: 28.01.2022 09:35
Lesezeit: 2 min
Spekulanten verdienen sich eine goldene Nase - und verschärfen Gasknappheit in Deutschland
Ein Mitarbeiter der Firma WINGAS GmbH ist 2009 mit einem Kontrollgang über die Erdgas-Verdichterstation im brandenburgischen Mallnow (Märkisch-Oderland) beschäftigt. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Viel ist in den vergangenen Wochen von einer drohenden Gasknappheit in Deutschland geschrieben worden. Allerlei Gründe wurden dafür genannt - etwa der besonders kalte Winter im Vorjahr und daraus abgeleitet niedrige Reserven, anhaltende Brüche in den weltweiten Lieferketten oder angebliche Erpressungsversuche Russlands vor dem Hintergrund der Spannungen um die Ukraine. Letzteres Argument wurde widerlegt, Russland hielt sich in den vergangenen Monaten an seine vertraglich verankerten Lieferverpflichtungen.

Lesen Sie dazu: Russland hält sich an Verträge - Europas Gasknappheit ist hausgemacht

Wenig bekannt hingegen ist der wichtigste Faktor, der den Zustrom von Erdgas nach Deutschland seit Wochen massiv behindert, den Aufbau robuster Reserven dadurch blockiert und zu den massiven Preissteigerungen hierzulande maßgeblich beiträgt: die Aktivitäten deutscher Gas-Spekulanten.

Diese verkaufen nämlich seit mehr als einem Monat im großen Stil Gas, welches aus Russland nach Deutschland geliefert wird, nach Polen weiter. Diese Geschäftemachereien sind der Grund dafür, warum Erdgas seit mehr als vier Wochen in der strategisch wichtigen Pipeline „Jamal“ nicht wie üblich von Ost nach West fließt, sondern umgekehrt von Deutschland nach Polen.

Der englischsprachige Dienst von Reuters berichtete am 20. Januar, dass das Gas seit 31 Tagen von West nach Ost fließe. Da derzeit keine gegenteiligen Berichte bekannt sind, dürfte der Richtungswechsel nun schon seit 38 Tagen anhalten.

Jens Berger skizziert das Unterfangen auf den Nachdenkseiten folgendermaßen: „

Der polnische Wunsch nach einer energiepolitischen Unabhängigkeit von Russland ist dabei ein äußerst lukratives Geschäft für deutsche Gashändler. Die kaufen das Gas preiswert aus den in langfristigen Lieferverträgen vereinbarten Abnahmemengen aus Russland ein und verkaufen es dann zu den weitaus höheren Preisen auf dem Spotmarkt und den Futuremärkten an Polen weiter. Noch verrückter wird die ganze Geschichte, wenn man sich die physischen Lieferwege anschaut. Deutschland bezieht dieses Gas hauptsächlich aus Russland über die durch Polen verlaufende Jamal-Pipeline. Und über eben diese Pipeline liefern die Händler dann auch das Gas im Rückwärtsbetrieb an Polen weiter.

Genau das passiert durchgängig seit nunmehr 36 Tagen. Nach Meldungen des deutschen Netzbetreibers Gascade liefert die Jamal-Pipeline seitdem nicht etwa russisches Gas in deutsche Speicher, sondern umgekehrt russisches Gas aus deutschen Speichern ostwärts nach Polen und von dort aus sogar in die Ukraine. Zurzeit beträgt das Liefervolumen sagenhafte 13 Millionen Kilowattstunden pro Stunde. Das ist, gemessen am derzeitigen Gaspreis an den Spotmärkten, Gas im Wert 1,3 Millionen Euro pro Stunde, 31,2 Millionen Euro pro Tag. Leider ist nicht bekannt, zu welchem Preis die Händler das Gas zuvor aus Russland eingekauft haben. Wenn der Preis sich jedoch an dem langfristigen Durchschnittspreis auf dem Future-Markt orientiert, so kann man davon ausgehen, dass sie zurzeit mindestens 400% Gewinn machen.

Nun ist es aber nicht nur so, dass nur deutsche Spekulanten sich mit diesem Dreieckhandel die Taschen vollstopfen. Gas, das eigentlich für deutsche Kunden bestimmt ist, fließt nach Polen und in die Ukraine und gleichzeitig kommt kein neues Gas aus Russland durch die Jamal-Pipeline in die deutschen Gasspeicher, da diese ja im Rückwärtsbetrieb Gas aus den Speichern gen Osten transportieren muss. Die Folge: Die Speicher leeren sich und auf dem deutschen Gasmarkt treibt die Knappheit den Preis in die Höhe. Die Versorger geben diese Preissteigerungen an die Verbraucher weiter.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie rutscht ab: Jefferies-Analyst senkt Kursziel – jetzt Apple-Aktie kaufen?
21.01.2025

Die Apple-Aktie steht am Dienstag mächtig unter Druck. Ein skeptischer Analystenkommentar sowie schwächere Verkaufszahlen in China sorgen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Entwicklung 2025: Stimmung hellt sich auf, welche Segmente sind die Favoriten?
21.01.2025

Nachdem das Transaktionsvolumen auf dem Immobilienmarkt für zwei Jahre deutlich zurückgegangen war, hat er sich vergangenes Jahr...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Sozialabgaben pushen Schwarzarbeit: Handwerk wird unbezahlbar
21.01.2025

Steigende Sozialabgaben sorgen für steigende Preise: Das Handwerk fordert jetzt eine Sozialabgabenbremse, sonst werden Handwerksarbeiten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IfW Kiel zur Trump-Präsidentschaft: "Zeiten der immer schnelleren Globalisierung vorbei"
21.01.2025

Für die deutsche Wirtschaft ist die Präsidentschaft von Donald Trump laut dem Wirtschaftsinstitut IfW Kiel mit erheblichen Unsicherheiten...

DWN
Politik
Politik Gericht bestätigt: Sächsische AfD darf als rechtsextrem bezeichnet werden
21.01.2025

Der sächsische Landesverband der AfD hatte 2023 gegen die Einschätzung des Verfassungsschutzes Beschwerde eingelegt, die Partei als...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis und Ölpreis: Trumps zweite Amtszeit könnte turbulent für den Rohstoffmarkt werden
21.01.2025

Donald Trump ist zum zweiten Mal US-Präsident – turbulente Zeiten scheinen sicher. Unmittelbare Auswirkungen kommen auf den...

DWN
Panorama
Panorama Macht Elon Musk hier den Hitlergruß? Wirbel um Video im Netz
21.01.2025

Bei einer Parade zu Trumps Amtseinführung reckt Elon Musk den ausgestreckten Arm zum Publikum. Viele wollen darin einen Hitlergruß...

DWN
Politik
Politik Trump erlässt Austritt aus Weltgesundheitsorganisation: "Die WHO hat uns abgezockt"
21.01.2025

Donald Trump verfügt in einem Präsidentenerlass, die Weltgesundheitsorganisation zu verlassen. Die WHO habe schlecht auf die...