Die Kritik an Wladimir Putin seitens hochrangiger russischer Militärs, Politiker und einflussreicher Intellektueller nimmt zu. Ein Insider sagte den DWN, die Macht des russischen Präsidenten könnte ernsthaft gefährdet sein.
Von den westlichen Medien kaum aufgegriffen wurde ein im Januar veröffentlichtes Schreiben des pensionierten Generalleutnants Leonid Iwaschow, in dem dieser vor einem Krieg warnt und der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung zuspricht. Der 78-Jährige ist Vorsitzender der konservativen „Allrussischen Offiziersversammlung“ und gilt als Falke, der dem Westen kritisch bis feindlich gegenübersteht und der Sowjet-Union nachtrauert. Seinen Brief schließt er mit den Worten: „Wir appellieren an alle pensionierten Militärangehörigen und Bürger Russlands, wachsam zu sein, die Forderungen des Rates der Allrussischen Offiziersversammlung zu unterstützen, sich aktiv gegen Propaganda und die Entfesselung eines Krieges zu stellen und einen Bürgerkrieg zu verhindern.“ Mark Galeottin kommentierte dies in der „Moscow Times“ dahingehend, dass es zunehmend deutlich werde, dass nicht nur „liberale Intellektuelle“, sondern auch ausgesprochene Nationalisten, „für die Putin kein Patriot, sondern ein Opportunist“ sei, die Politik des Kreml zunehmend kritisch sehen.
Ende Januar wurde darüber hinaus ein offener Brief mit dem Titel „Wenn es doch nur keinen Krieg gibt“ veröffentlicht, der rund 150 Unterschriften trug, darunter von Intellektuellen und Aktivisten, aber auch von in Russland sehr bekannten und beliebten Künstlern.
Unklar ist, inwiefern Putin seine Entscheidungen noch mit Mitgliedern seines engsten Kreises abspricht, oder ob er sie mehr oder weniger alleine fällt (die Gründerin der Denkfabrik „R.Politik“, Tatjana Stanovaya, spricht von Putins Vertrauten als „Siloviki“ [auf Deutsch in etwa „starke Männer“], die vor allem den Geheimdiensten und dem Militär zugehörig seien). Laut der „Daily Mail“ soll Putin sein Kabinett mit seiner Entscheidung, die Ukraine anzugreifen, vollständig überrascht haben. Den Ministern sollen klar gewesen sein, dass Putin vorhabe, die beiden Donbass-Republiken Donezk und Luhansk anzuerkennen, nicht aber, dass er eine Invasion des gesamten Landes starten würde.
Auf der offiziellen Aufnahme, die zeigt, wie Putin verkündet, er werde das russische Nuklearwaffen-Arsenal in Alarmbereitschaft versetzen lassen, sieht man auch Generalstabschef Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu (der als einer von Putins engsten Vertrauten gilt) - die beiden wirken vollkommen überrascht, schon fast überrumpelt.
Die DWN sprachen mit einem seriösen Kenner der Verhältnisse, der über Insider-Informationen verfügt, und der seinen Namen nicht öffentlich machen will. Dieser Insider sagte, er halte Putins Macht für alles andere als gesichert. Die am gestrigen Tag bekannte Enthüllung sei nur ein weiteres Indiz dafür. Tatsache sei, dass es - durchaus nicht von der Hand zu weisende - Gerüchte gäbe, dass die Unzufriedenheit mit Putin, auch innerhalb seines Machtzirkels, zunehme, und zwar so stark, dass selbst ein Putsch nicht mehr ausgeschlossen werden könne.