Deutschland

Regierung einigt sich auf umfangreiche Entlastungen für die Bürger

Tankrabatt, Einmalzahlungen, ÖPNV: Mit umfangreichen Entlastungen für die Bürger reagiert die Ampel-Koalition auf die stark gestiegenen Energiepreise.
24.03.2022 13:04
Lesezeit: 2 min
Regierung einigt sich auf umfangreiche Entlastungen für die Bürger
Die Vorsitzenden der Ampel-Parteien, Lars Klingbeil, Ricarda Lang und Christian Lindner, sprechen am Donnerstag vor dem Reichstag zum geplanten Entlastungspaket wegen gestiegener Energiepreise. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Mit umfangreichen Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland reagiert die Ampel-Koalition auf die stark gestiegenen Energie- und Spritpreise. Geplant sind eine Energiepreispauschale, eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate sowie Hilfen für Familien und Geringverdiener. Das teilten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP am Donnerstag in Berlin mit. Vorgesehen sind auch billige Tickets für Busse und Bahnen im Öffentlichen Personennahverkehr - sowie Maßnahmen für mehr Energieeffizienz.

Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen hatten sich am Donnerstagmorgen auf das Paket geeinigt. Die Gespräche hatten am Vorabend um 21 Uhr begonnen.

Die "Mitte" der Gesellschaft solle schnell, unbürokratisch und sozial gerecht entlastet werden, hieß es in einem Beschlusspapier. Daher solle eine Energiepreispauschale eingeführt werden: Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen werde einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt.

Befristet für drei Monate soll die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, um Pendler und Firmen zu entlasten.

Die Koalition will zudem bundesweit für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr einführen. Dazu sollen die Länder entsprechende Mittel bekommen.

Zur Abfederung besonderer Härten für Familien soll schnellstmöglich für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen ausgezahlt werden. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet.

Die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen soll um 100 Euro pro Person erhöht werden. Weiter hieß es, bei den jetzigen Energiepreisen sei davon auszugehen, dass zum 1. Januar 2023 die Regelbedarfe die hohen Preissteigerungen abbilden und damit angemessen erhöht werden.

Um in Zukunft einen einfachen und unbürokratischen Weg für Direktzahlungen an die Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, werde die Bundesregierung möglichst noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg über die Steuer-ID für ein Klimageld entwickeln.

Die Koalition verständigte sich außerdem auf Maßnahmen für mehr Energieeffizienz. Das soll auch dazu beitragen, wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu verringern.

Ab dem Jahr 2024 soll jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden - im Koalitionsvertrag war das bisher zum 1. Januar 2025 vorgesehen. Es soll zudem der Rahmen dafür geschaffen werden, dass Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsanlagen austauschen können. Außerdem soll eine große Wärmepumpen-Offensive gestartet werden. Grünen-Chefin Ricarda Lang sprach von einem Ausstieg aus der Gasheizung.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte mehr Anstrengungen beim Energiesparen als Bedingung für ein Entlastungspaket genannt. Er hatte zum Beispiel Gasheizungen als "Auslaufmodell" bezeichnet.

FDP-Chef Christian Lindner sieht in der Einigung der Koalitionsspitzen einen Beweis für die Handlungsfähigkeit der Regierung. "Die Koalition ist der Überzeugung, dass wir die Menschen und die Wirtschaft angesichts dieser enormen Preissteigerungen kurzfristig und befristet schützen müssen", sagte der Finanzminister.

Grünen-Chefin Ricarda Lang sieht die Entlastungen als "energiepolitische Unabhängigkeitserklärung". Mit den Maßnahmen nehme man die Breite der Gesellschaft in den Blick. Es sei aber unklar, was noch komme, wahrscheinlich könne nicht jede Belastung aufgefangen werden.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat das Entlastungspaket als Beitrag zu sozialem Zusammenhalt und Stabilität in Deutschland bezeichnet. "Diese Regierung stellt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt", sagte er.

Eine Arbeitsgruppe der Koalition hatte zuvor in mehreren Runden keine Einigung über Erleichterungen in Reaktion auf steigende Preise erzielt. Man habe aber eine "breite Grundlage" nicht nur für neue Entlastungen, sondern auch für entschlossene Maßnahmen zur Stärkung der energiepolitischen Unabhängigkeit erarbeitet, hieß es.

Die Koalition hatte sich im Februar vor Ausbruch des Ukraine-Krieges auf ein erstes Entlastungspaket geeinigt. Dieses sah unter anderem vor, die milliardenschwere EEG-Umlage über die Stromrechnung ab Juli abzuschaffen. Zuvor war dies für Anfang 2023 geplant. Außerdem ging es bei dem Paket um eine Erhöhung der Pendlerpauschale für Fernpendler.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...

DWN
Politik
Politik SPD-Spitze im Umbruch: Bas spricht von historischer Verantwortung
12.05.2025

Die SPD steht nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl vor einem umfassenden Neuanfang. In Berlin haben...

DWN
Politik
Politik Beamte in die Rente? SPD und Experten unterstützen Reformidee
12.05.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erhält Unterstützung aus der SPD für ihren Vorschlag, künftig auch Beamte, Selbstständige und...