Wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer aus der Ukraine geflüchteten Frau sitzt ein 43 Jahre alter Mann aus Herne bereits seit Mitte März in Untersuchungshaft. Das bestätigte die zuständige Staatsanwaltschaft in Bochum am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Die 25-jährige Ukrainerin war laut Medienberichten mit ihrem Sohn vor dem Krieg in ihrem Heimatland geflüchtet und danach durch private Vermittlung bei dem Beschuldigten aus Herne untergekommen.
In seiner Wohnung soll der 43-Jährige das Opfer dann sexuell missbraucht haben. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, sei es der jungen Frau gelungen, Angehörige per Mobiltelefon zu informieren. Diese hätten dann die Polizei alarmiert, die den Verdächtigen festnahm. Die Ermittlungen in den Fall dauerten an, so die Staatsanwaltschaft.
In NRW wäre es der zweite bekanntgewordene Vergewaltigungsfall einer geflüchteten Ukrainerin seit Ausbruch des Krieges. Auf einem Düsseldorfer Hotelschiff, in dem 88 ukrainische Migranten untergebracht worden waren, soll eine 18-jährige Ukrainerin vor dreieinhalb Wochen durch einen gebürtigen Nigerianer und einen Tunesier nacheinander vergewaltigt worden sein. Zumindest Letzterer verfügte über einen echten ukrainischen Aufenthaltstitel. Wie der gebürtige Nigerianer auf das Schiff kam, ist noch unklar.
NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) verurteilte beide Taten. Es sei schlimm, "wenn durch Krieg und Flucht traumatisierte Menschen erneut zu Opfern werden, nachdem sie bei uns angekommen sind und sich eigentlich in Sicherheit wiegen dürfen". Insgesamt registriert das NRW-Innenministerium bisher sechs Sexualdelikte im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.
Menschenhändler sprechen ukrainische Frauen an
Mit verdeckten Ermittlern und hartem Durchgreifen will die Bundespolizei ukrainische Frauen am Bahnhof Hannover-Messe vor Männern aus dem Rotlichtmilieu schützen. Die Geflüchteten würden schon im Zug von Frankfurt/Oder mit Flyern über das Phänomen der unlauteren Anwerbeversuche hingewiesen, sagte Michael Schuol, Vize-Präsident der Bundespolizeidirektion Hannover, am Mittwoch. Es gebe klare Hinweise, dass Personen aus dem organisierten kriminellen Milieu bewusst junge Frauen ansprechen, die im Rotlichtmilieu arbeiten sollten. Außerdem gebe es auch andere Männer, die Anschluss suchten, was strafrechtlich nicht relevant, aber nicht gewollt sei.
Der Bahnhof Laatzen und das angrenzende Messegelände von Hannover sind zu einem Drehkreuz zur Verteilung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen ausgebaut worden. Viele Frauen und Kinder bleiben nur wenige Stunden oder eine Nacht dort, bis es für sie in eine andere Stadt oder ein anderes Bundesland weitergeht.
Bislang sind an dem Bahnhof der Bundespolizei zufolge 16 Männer auffällig geworden. Es habe sogenannte Gefährderansprachen gegeben, sagte Schuol. Gegen zwei Männer sei in Absprache mit der Deutschen Bahn ein Betretungsverbot des Bahnhofs für vier Wochen ausgesprochen worden. Hinweise darauf, dass Frauen mit Kriminellen mitgegangen sind, gibt es Schuol zufolge bislang nicht.
«Wir sind darauf angewiesen, dass wir Hinweise von Bürgern bekommen», betonte er. Teils seien die angesprochenen Frauen selbst auf die Beamten zugekommen und hätten von den Anwerbeversuchen berichtet.
Am Messebahnhof kamen laut Bundespolizei allein am Dienstag (29. März) drei Sonderzüge mit jeweils 400 Menschen an. Insgesamt registrierte die Bundespolizei deutschlandweit 270 000 Flüchtlinge, 12 500 «Reisebewegungen» wurden im Raum Hannover verzeichnet.
Vor einer Woche hatte bereits die europäische Polizeibehörde Europol vor Verbrecherbanden gewarnt, die die Notlage von aus der Ukraine geflüchteten Frauen und Kinder ausnutzten.
Europol warnt vor Ausbeutung
Flüchtlinge aus der Ukraine stehen Europol zufolge europaweit besonders im Visier von Verbrecherbanden. Ihre Notlage werde von Menschenhändlern ausgenutzt, warnte die europäische Polizeibehörde am Dienstag in Den Haag. Die Banden sähen gerade Frauen und Kinder als ideale Opfer - um sie als Arbeitskräfte oder sexuell auszubeuten oder auch zum Betteln zu zwingen. Kinder könnten auch Opfer von illegalen Adoptionen werden.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar hat die Bundespolizei nach Angaben des Bundesinnenministeriums die Ankunft von 232 462 Kriegsflüchtlingen in Deutschland festgestellt. Nach UN-Angaben flohen bereits mehr als 3,5 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland. Polnischen Behördenangaben zufolge brachten sich mehr als 2,14 Millionen Menschen über die Grenze des Landes in Sicherheit. Die Ukraine hatte vor Beginn des russischen Angriffs mehr als 44 Millionen Einwohner.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies zuletzt darauf hin, dass noch Millionen weitere Menschen vor den Kämpfen flüchten könnten. Die EU-Innenminister wollen am kommenden Montag erneut über die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge sprechen.
Besonders gefährdet sind nach Angaben von Europol allein reisende Minderjährige. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen flüchteten bereits etwa eine Million Kinder aus dem Kriegsgebiet, darunter viele ohne Begleitung der Eltern. Europol mahnte zu besonderer Wachsamkeit an Grenzen, in Aufnahmezentren, Massenunterkünften sowie an Bahnhöfen. Dort hielten Verbrecher gezielt nach Opfern Ausschau.
Die Behörde warnte insbesondere davor, dass sich Verbrecher als hilfsbereite Bürger ausgäben und vermeintlich gratis Unterkünfte oder Transport anbieten beziehungsweise Arbeitsplätze in Aussicht stellen. Kriminelle suchten auch Kontakt über Plattformen für Flüchtlinge in den sozialen Medien. Osteuropa ist Europol zufolge seit Jahren für Menschenhändler eine Schlüsselregion. Viele Banden hätten ihre Wurzeln in Nachbarländern der Ukraine.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) empfahl die Einrichtung von Schutzzonen in Bahnhöfen. In Bahnhöfen gingen Kriminelle gezielt auf junge Frauen und Kinder zu, bevor die Polizei auch nur in Kontakt mit ihnen komme, sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, der «Rheinischen Post» (Dienstag). Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International mahnte mit Blick auf Polen, um eine Ausbeutung geflüchteter Frauen und Kinder durch Kriminelle zu verhindern, sei es wichtig, ein «standardisiertes, institutionalisiertes Registrierungssystem zu schaffen, um den Aufenthaltsort, die Verwandtschaftsbeziehungen und den jeweiligen Zielort der Flüchtenden zu kennen, sowie die Identitäten der Menschen, die anbieten, sie zu befördern oder unterzubringen».
Die vom Innenministerium gemeldete Zahl der in Deutschland angekommenen Kriegsflüchtlinge bezieht sich nicht auf die Registrierungen in Aufnahmeeinrichtungen oder bei Ausländerbehörden. Sie beschränkt sich zudem auf Geflüchtete, die von der Bundespolizei angetroffen wurden, etwa an der österreichisch-bayerischen Grenze, an Bahnhöfen oder in Zügen. Im Regelfall gibt es keine festen Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen, Ukrainer dürfen zudem ohne Visum einreisen - die Zahl der Angekommenen ist daher wahrscheinlich deutlich höher. Nicht erfasst wird außerdem, wie viele der Geflüchteten womöglich von Deutschland aus weiterreisen zu Freunden oder Verwandten in anderen Staaten.
Um Engpässe bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu vermeiden, sollten am Dienstag rund 4000 Menschen mit 77 Bussen an verschiedene Orte in Deutschland gebracht werden. Nach Angaben aus Regierungskreisen waren alleine 21 Fahrten nach Bayern vorgesehen. Eine vom Bund organisierte Fahrt war demnach von Polen nach Hessen geplant. Mehr als die Hälfte der Busfahrten sollte in Berlin starten.