Politik

Big-Data-Unternehmen: Risiko eines Atomkriegs liegt bei „20 bis 30 Prozent“

Alex Karp sagt, dass ein Atomkrieg sehr viel wahrscheinlicher ist, als die meisten Menschen glauben. Der Gründer und Vorstand der Datenanalyse-Firma Palantir liefert eine interessante Begründung für seine beunruhigende These.
25.05.2022 10:19
Aktualisiert: 25.05.2022 10:19
Lesezeit: 3 min

Palantir-Geschäftsführer Alex Karp schätzt die Wahrscheinlichkeit eines globalen Atomkriegs langfristig bei 20 bis 30 Prozent ein, weil der Krieg in der Ukraine keine Anzeichen einer Entspannung zeige. Die meisten Menschen würden das Risiko mit unter 1 Prozent beziffern und damit drastisch unterschätzen. Im exakten Wortlaut hatte der Unternehmer Folgendes gesagt. "Ich denke, es hängt natürlich von der Betrachtungsdauer ab. Auf einer langen Zeitachse ist das Risiko meiner Meinung nach modellierbar und liegt wahrscheinlich im Bereich von 20-30%."

In dem Interview, dass auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos mit dem Nachrichtensender CNBC geführt wurde, erklärte Karp auch, warum aus seiner Sicht die meisten Menschen das Risiko von nuklearen Konflikten viel zu niedrig sehen. „Einer der Gründe, warum die Menschen das Risiko eines Atomkriegs unterschätzen, ist, dass seit dem Zweiten Weltkrieg ein funktionierendes System besteht“, so Karp. Dieses System habe dazu geführt hat, dass mehr Menschen im Westen gebildeter und wohlhabender geworden sind, aber zugleich in gewisser Weise blind für extreme Szenarien.

Der Gründer und Vorstand der Datenfirma glaubt außerdem, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine große und kleine Länder dazu bringt, ihre militärischen Strategien zu überdenken. Schließlich war die Daten-Arbeit von US-Nachrichtendiensten unterstützt durch Analyse-Software von Palantir – mit entscheidend dafür, dass die russische Offensive ins Stocken geraten ist.

Auf die Frage von CNBC, ob der Krieg eine Lehre für China sei, sagte Karp: "Die Lektion für jedes große Land ist 'heilige Scheiße'. Wir haben so viel schweres Militärgerät gekauft, und wenn die Leute bereit sind, wie Helden zu kämpfen, bis zum letzten Mann zu kämpfen ... und tatsächlich wissen, wie sie vorzugehen haben, weil sie Zugang zu Software haben und die Daten zu ihrem Vorteil einzusetzen wissen, dann können sie uns vielleicht tatsächlich besiegen."

Laut Karp evaluiere aktuell jede große Nation ihre Offensiv- und Defensivfähigkeiten auf deren Tauglichkeit gegen Datenanalyse-Methoden der feindlichen Fraktion. "Ist unsere Offensivfähigkeit tatsächlich eine Offensive? Oder wird uns eine Verteidigungsoffensive wie in der Ukraine schlagen können? Jedes einzelne große Land der Welt prüft dies. Nicht nur unsere Widersacher, sondern auch unsere Verbündeten."

Nukleares Risiko wird „systematisch unterschätzt“

Nicht nur der Ukraine-Krieg an sich hat Karp zu diesen brisanten Aussagen verleitet. Seine Äußerungen kommen zu einem Zeitpunkt, in dem die Spannungen zwischen China und Taiwan weiter eskalieren. Der erfahrene US-Diplomat und ehemalige Außenminister Henry Kissinger sagte am Montag, dass Washington und Peking versuchen müssten, Taiwan nicht in den Mittelpunkt ihrer angespannten diplomatischen Beziehungen zu stellen, und fügte hinzu, dass es im Interesse des Weltfriedens sei, dass die beiden größten Volkswirtschaften der Welt eine direkte Konfrontation vermeiden.

"Aber wir befinden uns jetzt in einem Moment, in dem das System tatsächlich kippt", sagte Karp und fügte hinzu, dass Zeiten wie diese zu Momenten völliger Irrationalität führen können.

"Unsere Institutionen haben uns nicht beigebracht, wie man damit umgeht. Und deshalb unterschätzen wir das Risiko systematisch."

Palantir verkauft seine Analyse-Software an Militär und Geheimdienste

Die Aussagen von Alex Karp sind beunruhigend, sollten jedoch mit einem gewissen kritischen Abstand betrachtet werden. Als Vorstand von Palantir würde er davon profitieren, wenn alle an einen bevorstehenden Nuklearkrieg glauben und infolgedessen Regierungen in der ganzen Welt ihre Armeen und Geheimdienste mit den Datenanalyse-Tools von Palantir ausstattet.

Die Datenanalyse-Technologie von Palantir zielt darauf ab, die Entscheidungsfindung von Führungskräften zu unterstützen, indem mit Big-Data-Methoden und teils unter Einsatz von künstlicher Intelligenz errechnete (mitunter sehr komplexe) statistische Zusammenhänge verständlich aufbereitet werden. Das Unternehmen arbeitet mit Streitkräften und Geheimdiensten in den USA und Europa zusammen, hält aber die genaue Art der meisten militärischen Partnerschaften geheim. Das Produktportfolio umfasst drei Kern-Bereiche: Palantir Gotham, Palantir Foundry und Palantir Apollo.

Gotham bedient vor allem Geheimdienste und den Verteidigungssektor. Die Software analysiert riesige Datensätze, um verborgene Muster zu erkennen und so die Zusammenarbeit von Datenanalysten und operativen Agenten zu optimieren. Gotham wird auch von Strafverfolgungsbehörden benutzt, darunter das FBI, LAPD sowie die Polizei Hessen.

Foundry lässt sich unter dem Begriff Business Intelligence zusammenfassen. Die Software dient zur Aufbereitung, Analyse und Visualisierung von (Unternehmens-)Daten. Die Kunden stammen vorwiegend aus dem Privatsektor. Das jüngste Produkt Apollo ist eine Plattform zur Entwicklung und autonomen Verwaltung von Software.

Palantir macht noch etwa die Hälfte seiner Umsätze mit Aufträgen von Regierungsbehörden. Das Privatsegment wächst aber stärker als das Regierungsgeschäft und soll in Zukunft verstärkt ausgebaut werden. Aus diesem Grund hat das Big-Data-Unternehmen seine Software in den letzten Jahren überarbeitet, um das Produkt individueller auf jeden Kunden abstimmen zu können.

Palantir Technologies ist börsennotiert und hat aktuell eine Marktkapitalisierung von grob 15 Milliarden Dollar. In seiner fast 20-jährigen Geschichte hat das Unternehmen noch nie Gewinne erzielt. Die jüngsten Quartalszahlen wiesen einen Umsatz von 446 Millionen bei einem Verlust von 101 Millionen Dollar aus. Peter Thiel, Milliardär, ehemals CEO von Paypal und Mitgründer von Palantir hatte einmal behauptet, dass die Datenfirma eines Tages zum wertvollsten Tech-Konzern der Welt werden könnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa Auskunft: Wie lange darf die Schufa Zahlungsprobleme speichern?
06.11.2025

Der Schufa-Score soll Unternehmen helfen, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden einzuschätzen. Aber wie lange dürfen die Daten gespeichert...

DWN
Politik
Politik Brics-Europa-Symposium: AfD-Politiker reisen nach Russland
06.11.2025

AfD-Abgeordnete reisen zu einer Konferenz nach Russland. Dabei kommt es vielleicht auch zu einem Treffen mit Ex-Präsident Medwedew. Die...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsbau: Regierung reaktiviert Neubauförderung mit 800 Millionen Euro
06.11.2025

Für bestimmte Neubauprojekte gibt es nun wieder Fördergeld. Welche Bedingungen Bauherren erfüllen müssen – und warum viele genehmigte...

DWN
Immobilien
Immobilien Dachausbau: Wie sich das verborgene Potenzial nutzen lässt
06.11.2025

Die Umgestaltung von Dachböden in Wohnräume ist eine der günstigsten Methoden, um neue Wohnfläche zu gewinnen.

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie im Plus: Trotz starker Quartalszahlen und Rekordaufträgen bleiben Risiken
06.11.2025

Rheinmetall überzeugt mit starken Quartalszahlen und rekordhohen Aufträgen – doch Lieferverzögerungen und Investitionen belasten die...

DWN
Finanzen
Finanzen DroneShield-Aktie bricht weiter ein: Was hinter dem Kurssturz steckt und warum Anleger verunsichert sind
06.11.2025

Die DroneShield-Aktie sorgt derzeit für Schlagzeilen: Nach rasantem Aufstieg folgt der tiefe Fall. Trotz Rekordauftrag und starkem Umsatz...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milliardeninvestitionen in Fernost: BASF startet Betrieb am neuen Standort in China
06.11.2025

Es ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte von BASF: In China hat der Konzern einen neuen Verbundstandort gebaut - gegen...

DWN
Politik
Politik Macrons Sondergesandter: Die Ukraine ist ein hochattraktives Land für Investitionen
06.11.2025

Frankreichs Sondergesandter für den Wiederaufbau der Ukraine, Pierre Heilbronn, sieht in Kiew nicht nur ein Kriegsgebiet, sondern das...