Politik

Bundesregierung verstärkt Waffenlieferungen an die Ukraine beträchtlich

Die Bundesregierung liefert der Ukraine weitere Waffensysteme - auch und gerade in Abstimmung mit den USA. Russland warnt.
01.06.2022 11:00
Lesezeit: 4 min
Bundesregierung verstärkt Waffenlieferungen an die Ukraine beträchtlich
Aleksandar Vucic, Präsident von Serbien, und Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung, geben eine gemeinsame Pressekonferenz. (Foto: dpa) Foto: Darko Vojinovic

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine die Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems für den Kampf gegen die russischen Angreifer zugesagt. Außerdem werde den ukrainischen Streitkräften ein modernes Ortungsradar zur Verfügung gestellt, das Artillerie aufklären könne, sagte Scholz am Mittwoch im Bundestag. Er kündigte auch an, dass Deutschland die von den USA angekündigte Lieferung von Mehrfachraketenwerfern in die Ukraine «nach unseren technischen Möglichkeiten» unterstützen werde.

Bei dem Luftabwehrsystem handelt es sich laut Scholz um Iris-T des Herstellers Diehl. Damit werde das modernste Flugabwehrsystem geliefert, über das Deutschland verfüge. «Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen», sagte Scholz. Die Ukraine fordert seit langem die Lieferung von Flugabwehrsystemen, um sich gegen Angriffe von russischen Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Raketen oder Drohnen schützen zu können.

Deutschland will zudem vier Mehrfachraketenwerfer aus Beständen der Bundeswehr in die Ukraine liefern. Das geschehe in enger Abstimmung mit den USA, die auch die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den Systemen übernehmen würden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Regierungskreisen.

Die Liste wird länger

Die Bundesregierung hatte unmittelbar nach Kriegsbeginn entschieden, erstmals deutsche Waffen in einen laufenden Krieg gegen eine Atommacht zu liefern. Bisher wurden unter anderem Panzerfäuste, Luftabwehrraketen und viele Millionen Schuss Munition geliefert.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Vorwurf etwa aus Reihen der Union zurückgewiesen, Deutschland liefere keine schweren Waffen an die Ukraine. In der Generaldebatte im Bundestag verwies Scholz am Mittwoch auf den Ringtausch mit Verbündeten beim Schützenpanzer "Marder". Auch mit Griechenland gebe es jetzt eine entsprechende Vereinbarung. Zudem liefere Deutschland in den kommenden Wochen zusammen mit den Niederlanden zwölf Panzerhaubitzen. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland an den Geschützen werde in wenigen Tagen abgeschlossen sein.

Was anderes als die "Marder" und die Haubitzen seien denn schwere Waffen, fragte Scholz die Opposition: "Das ist doch einfach dahergeredetes Zeug, das Sie da vortragen." Die Bundesregierung habe eine "mutige Entscheidung" getroffen, mit der Tradition zu brechen, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. "Wenige Tage nach Kriegsausbruch haben wir Flugabwehrraketen und Panzerabwehrwaffen geliefert", sagte Scholz und listete weiteres der Ukraine zur Verfügung gestelltes Materials auf: mehr als 15 Millionen Schuss Munition, 100.000 Handgranaten, über 5000 Panzerabwehrminen, umfangreiches Sprengmaterial, Maschinengewehre und Dutzende Lastwagenladungen mit sonstigen relevanten Gütern etwa zur Drohnenabwehr.

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Wochen auch bereits zwei Zusagen für die Lieferung schwerer Waffen gemacht: Es sollen 50 Flugabwehr-Panzer vom Typ Gepard und 7 Panzerhaubitzen 2000 - moderne Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 40 Kilometern - in die Ukraine geliefert werden. Sie sind aber noch nicht dort angekommen.

Lesen Sie dazu: Gutachten: Deutschland könnte durch Ausbildung ukrainischer Soldaten als Kriegspartei eingestuft werden

USA - Langstreckenwaffen Teil eines 700 Millionen schweren Pakets

Die Vereinigten Staaten stellen der Ukraine Regierungsangaben zufolge im Rahmen eines 700 Millionen Dollar schweren Waffenpakets modernste Waffen im Kampf gegen Russland zur Verfügung. Die Lieferung umfasse auch Mehrfachraketenwerfer M142 HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System), um die militärischen Fähigkeiten der Ukraine zu verbessern, sagten US-Regierungsvertreter am Dienstag unter der Bedingung der Anonymität. Die hochmobilen Artilleriesysteme können Ziele in einer Entfernung von Hunderten Kilometern treffen. Die Ukraine habe zugesichert, die Artilleriesysteme nicht für Angriffe auf russisches Staatsgebiet einzusetzen, erklärten die Regierungsbeamten in einem Telefonat mit Reportern. Das Waffenpaket umfasse auch Munition, Radarsysteme, zusätzliche Javelin-Flugabwehrraketen sowie Panzerabwehrwaffen und soll am Mittwoch (Ortszeit) bekannt gegeben werden.

In einem Gastbeitrag für die Zeitung "New York Times" (Dienstagausgabe) schrieb US-Präsident Joe Biden, dass die russische Invasion in der Ukraine durch Diplomatie beendet werden könne. Dafür müssen die Vereinigten Staaten jedoch erhebliche Waffen und Munition bereitstellen, um der Ukraine am Verhandlungstisch den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen. "Deshalb habe ich beschlossen, den Ukrainern fortschrittlichere Raketensysteme und Munition zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die wichtigsten Ziele auf dem Schlachtfeld in der Ukraine präziser treffen können."

Bislang hatte die Regierung in Washington davor gewarnt, dass Waffen mit größerer Reichweite eine Eskalation bedeuten könnten, wenn die Ukraine damit Ziele in Russland angreifen würde. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte, jegliche Waffenlieferungen, die russisches Territorium erreichen könnten, wären "ein ernsthafter Schritt in Richtung einer inakzeptablen Eskalation".

Russland warnt - und lässt Atom-Streitkräfte trainieren

Russland hat den Westen und insbesondere die USA erneut eindringlich vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt. Die Vereinigten Staaten gießen mit ihren modernen Raketensystemen "Öl ins Feuer", wie Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge am Mittwoch sagte. "Die USA behalten ihre Linie bei, mit Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen", sagte Peskow. Die Lieferung von Mehrfachraketenwerfern werde die Ukraine nicht dazu bringen, die Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen.

Peskow sagte, dass Moskau dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht glaube, dass das System nicht gegen russisches Gebiet gerichtet werde. Das russische Militär sehe darin vielmehr eine direkte Bedrohung und werde entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen, sagte Peskow. Details nannte er nicht. Moskau warnt den Westen immer wieder, dass die gelieferten schweren Waffen Angriffsziele für die russischen Truppen seien.

Es gebe bisher keinen Fall, in dem Selenskyj ein Versprechen gehalten habe, sagte Peskow. So habe er auch sein Wahlversprechen nicht eingelöst, den Krieg im Südosten der Ukraine, der seit 2014 läuft, zu beenden. Stattdessen habe er den Minsker Friedensplan für den Donbass nicht erfüllt. Selenskyj hatte erklärt, dass er die Vereinbarungen in dem Abkommen ablehne.

Die russischen Atom-Streitkräfte führen nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax in der nordöstlich von Moskau gelegenen Provinz Iwanowo Truppenübungen durch. Etwa 1000 Soldaten würden umfangreiche Manöver mit über 100 Einsatzfahrzeugen abhalten, darunter auch Trägerraketen für ballistische Interkontinentalraketen vom Typ Jars, berichtet Interfax unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Der Bericht konnte von Reuters zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Berge, Natur und ganz viel ROBINSON Flair – die perfekte Auszeit in den Alpen.

Manchmal ist das Gute so nah. Keine lange Anreise, kein Jetlag – und trotzdem diese einzigartige Mischung aus Freiheit, Erholung und...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bundesrat-Abstimmung: Heute entscheiden die Länder über das Schuldenpaket – was passiert als Nächstes?
21.03.2025

Kommt jetzt eine gigantische Schuldenaufnahme? So einfach ist es nicht, auch wenn die Zustimmung im Bundesrat als wahrscheinlich gilt.

DWN
Finanzen
Finanzen Fuchs-Aktie unter Druck: Wachstum trotz starker Zahlen zu wenig für Anleger
21.03.2025

Die Fuchs-Aktie ist am Freitagvormittag unter Druck geraten, obwohl der Schmierstoffhersteller Fuchs SE mit starken Zahlen und einer...

DWN
Politik
Politik Zu teuer oder längst überfällig? Debatte um Ausweitung der Mütterrente hält an
21.03.2025

Die geplante Ausweitung der Mütterrente sorgt weiterhin für Diskussionen. Während Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoexporte 2024: USA wichtigster Absatzmarkt - jeder dritte Porsche ging nach Übersee
21.03.2025

Trotz der aktuellen Krise hat die deutsche Autoindustrie im Jahr 2024 mehr Neuwagen exportiert. Besonders bemerkenswert: Die USA sind der...

DWN
Finanzen
Finanzen Spar- und Investitionsunion (SIU): Enteignung durch die EU oder Chance für europäische Sparer?
21.03.2025

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein neues Projekt angekündigt: die Spar- und Investitionsunion (SIU). Ziel sei es,...

DWN
Immobilien
Immobilien Comeback des Büros: Vom Homeoffice zurück in die Firma?
20.03.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen etabliert. Seit 2023 setzen viele Firmen auf ein hybrides...

DWN
Politik
Politik Whiskey, Harley & Co gerettet? EU verschiebt Zölle auf US-Waren
20.03.2025

Die USA haben neue Zölle eingeführt, die auch Deutschland und die EU belasten. Die Europäische Kommission plante zunächst eine schnelle...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Commerzbank: Aktie fällt nach Kursrallye - Unicredit-Übernahme stockt
20.03.2025

Die Commerzbank-Aktie fiel am Donnerstag deutlich. Anleger ließen sich die Kursrallye der vergangenen Wochen ausbezahlen. Der Wert der...