Politik

Ungarn verhindert EU-Sanktionen gegen russischen Patriarchen Kirill

Budapest blockiert von der EU geplante Sanktionen gegen das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche.
02.06.2022 09:00
Aktualisiert: 02.06.2022 09:18
Lesezeit: 2 min
Ungarn verhindert EU-Sanktionen gegen russischen Patriarchen Kirill
Der orthodoxe Patriarch Kirill. (Foto: dpa) Foto: Andrey Rusov

Die EU verzichtet wegen des Widerstands Ungarns vorerst auf Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill. Das sechste EU-Sanktionspaket, in dem auch ein weitgehendes Öl-Embargo enthalten ist, wurde am Donnerstag von Vertretern der 27 EU-Staaten ohne die eigentlich geplante Strafmaßnahme gegen Kirill gebilligt. Weil eine einstimmige Entscheidung notwendig war, konnten sich die anderen 26 Länder nicht gegen Ungarn durchsetzen.

Kirill sollte eigentlich wegen seiner Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Sanktionsliste der EU. Er pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu. Der 75-Jährige stellte sich in seinen Predigten immer wieder hinter den Kriegskurs und behauptete zuletzt sogar, dass Russland noch nie ein anderes Land angegriffen habe.

Ungarn wollte die Sanktionen, die ein EU-Einreiseverbot und Finanzsperren umfassen, allerdings nicht akzeptieren. Regierungschef Viktor Orban hatte seine Haltung zuletzt «mit der Frage der Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften» begründet. Diese sei «heilig und unveräußerlich».

Orban hatte in den vergangenen Jahren den «Moskauer» Orthodoxen in Ungarn viel Geld zukommen lassen. So wird mit großem Aufwand die orthodoxe Liebfrauenkirche im Zentrum von Budapest renoviert. Selbst für den Bau einer eigenen orthodoxen Kirche im südwestungarischen Kurort Heviz hatte Orban eine Million Euro aus der Staatskasse übrig. Bis zum Ukraine-Krieg war Heviz ein beliebtes Urlaubsziel gut betuchter Russen.

Ungewöhnlich war auch, dass Orban als Regierungschef eines nicht-orthodoxen EU-Landes Kirill im Vormonat mit warmen Worten zur Wiederwahl als Patriarchen gratulierte. «Sie sind einer der wenigen europäischen Politiker, die während ihrer Arbeit bemerkenswerte Anstrengungen unternehmen, um die christlichen Werte zu erhalten und die Normen der öffentlichen Moral und die Institution der traditionellen Familie zu stärken», schrieb Orban an Kirill.

Der Ungar pflegt ein weit besseres Verhältnis zum Moskauer Patriarchen als zu Papst Franziskus in Rom. Im Februar sagte er in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation: «Das christliche Europa ist wegen seiner eigenen inneren Schwächen und äußerer Schläge in großer Not. Es scheint, dass das lateinische (westliche) Christentum in Europa nicht mehr auf eigenen Beinen zu stehen vermag. Ohne ein Bündnis mit der Orthodoxie, mit dem östlichen Christentum werden wir die kommenden Jahrzehnte kaum überleben.»

Nach Angaben von EU-Diplomaten waren am Donnerstag etliche Staaten extrem verärgert über die erneute Blockade Ungarns. Diese stelle die Einigkeit der EU im Umgang mit Russland infrage und überschatte, dass eigentlich ein sehr wirkungsvolles Sanktionspaket auf den Weg gebracht worden sei. Dieses sieht neben dem Öl-Embargo vor, die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Zudem sollen mehrere russische Nachrichtensender in der EU verboten werden.

Der wirtschaftlich besonders relevante Boykott gegen Öllieferungen aus Russland zielt darauf ab, im kommenden Jahr auf dem Seeweg kein Öl mehr in die EU zu lassen. Lediglich Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer großen Abhängigkeit noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen.

Der förmliche Beschluss des Sanktionspakets soll an diesem Freitag erfolgen. Danach kann es im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden und in Kraft treten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Immer mehr XRP- und ETH-Inhaber wenden sich still und leise an OPTO-Miner, um 3.000 Dollar pro Tag zu verdienen

Im derzeit unberechenbaren Kryptomarkt entscheiden sich immer mehr Anleger dafür, langsamer zu werden und sich nicht mehr von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Elektronikboom im Netz: Droht Europa die Billigflut aus China?
09.07.2025

Europas Verbraucher kaufen Elektronik immer öfter online – doch ausgerechnet ein drohender Zollkrieg der USA könnte Europa mit einem...

DWN
Politik
Politik Kommt die Senkung der Stromsteuer für alle? Bundesregierung droht Dämpfer im Bundesrat
09.07.2025

An der Entscheidung der Bundesregierung, die Stromsteuer nicht – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – auch für alle Bürger und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Huthi-Angriff im Roten Meer zerschlägt Hoffnung auf Wiedereröffnung des Suezkanals
09.07.2025

Ein neuer Angriff der Houthis auf ein griechisches Frachtschiff lässt alle Hoffnungen auf eine Wiedereröffnung des Suezkanals zerplatzen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft und KI: Jeder zweite Arbeitnehmer zweifelt an Deutschlands wirtschaftlicher Zukunft
09.07.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Beschäftigte sind skeptisch, ob Deutschland im Zeitalter der künstlichen Intelligenz wirtschaftlich...

DWN
Politik
Politik Corona: Breite Mehrheit für Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung
09.07.2025

Lockdown, Impfpflicht, Schulschließungen und Abstandsregeln – in der Corona-Pandemie wurde eine Vielzahl von unverhältnismäßigen...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Goldreserven: Hoher Goldpreis, explodierende Staatsschulden – sollte die Bundesbank Gold zu Geld machen?
09.07.2025

Rekordschulden, Rekordausgaben: Der Bundeshaushalt steuert unter der schwarz-roten Regierung bis 2029 auf ein 850 Milliarden Euro schweres...

DWN
Unternehmen
Unternehmen IT-Sicherheit in der Urlaubszeit: Wenn der Chef im Urlaub ist, beginnt für die IT der Ernstfall
09.07.2025

Der Sommer beginnt, das Management reist ab – für Hacker ist das die ideale Gelegenheit. Lesen Sie, wie Unternehmen für IT-Sicherheit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OPEC+ erhöht Förderung deutlich – Ölpreise unter Druck
09.07.2025

Die OPEC+ überrascht mit einer weit stärkeren Förderausweitung als erwartet – mit möglichen Folgen für die Weltwirtschaft,...