Deutschland

Streik in NRW: Kräfte-verschleißender Machtkampf an den Uni-Kliniken

In NRW spitzt sich ein seit Wochen andauernder, harter Kampf zwischen Arbeitgeber und Krankenhauspersonal zu. Seit Wochen herrscht in allen sechs Unikliniken des Landes Notbetrieb, weil die Beschäftigten streiken.
Autor
29.06.2022 13:09
Aktualisiert: 29.06.2022 13:09
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: In den sechs Uni-Kliniken in Nordrhein-Westfalen (NRW) tobt seit Wochen ein harter Kampf zwischen Arbeitgeber und Krankenhauspersonal. Der Grund: Die Kliniken weigern sich neben den Pflegekräften bestimmte Berufsgruppen des Krankenhauspersonals in den Tarifvertrag Entlastung (TVE) aufzunehmen.

Davon betroffen sind unter anderem die Labor-Mitarbeiter, die Radiologie, der Patientenservice, das Catering, die Kinderkrankenpflege sowie die Mitarbeiter in der ambulanten Behandlung der Chemotherapie für Krebspatienten. Auf den Punkt gebracht: All jene Kategorien von Arbeitskräften, die nicht in den refinanzierbaren Bereich fallen, sprich, deren Ausgaben nicht durch die Krankenkassen abgedeckt werden.

„Wir fordern nicht mehr Geld“, stellt Veronika Bergen, Mitglied des Delegiertenrates der Unis und selbst Laborantin an der Uni-Klinik Köln klar, „sondern kämpfen für eine optimale Versorgung der Patienten.“ Denn: Durch eine Mehrbelastung könne es durchaus zu schwerwiegenden Fehlern kommen. „Schon ein Vertauschen einer Blutprobe, kann für einen Patienten gravierende Folgen haben.“ Diesem für alle Beteiligten drohenden Horrorszenario soll mit dem neuen Tarifvertrag Entlastung (TVE) ein Riegel vorgeschoben werden.

Die Verhandlungen starteten am 20. Mai. Zwar erstmal mit Anhörungen, aber dazwischen liegen bereits 16 Verhandlungstage ohne ein zählbares Ergebnis. Morgen soll das Kräftemessen zwischen Klinikleitung und Mitarbeiter vorerst in die letzte Runde gehen.

Leere Versprechungen

Besonders enttäuscht sind die Mitarbeiter der von dieser Ausgrenzung betroffenen Berufsgruppen von Vertretern der Politik. Vor den Landtagswahlen am 15. Mai dieses Jahres habe es noch konkrete Versprechungen gegeben, die aber nach den Wahlen nicht mehr eingehalten wurden.

„Die CDU in der Person von Karl Josef Laumann, ehemals Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und die Wahlkampf-Spitzen-Kandidatin der Grünen, Mona Neubaur, haben uns einen Tarifvertrag Entlastung für alle Berufsgruppen versprochen. Allerdings: Im Koalitionsvertrag findet dieses Versprechen keine Erwähnung mehr.“ Laumann habe sogar eine Petition zur Unterstützung unterschrieben. Zudem gäbe es vom Land NRW auch noch keine finanzielle Zusage zum neuen Tarifvertrag.

Konkret sind vom Tarifstreit in NRW die Mitarbeiter der Uni-Kliniken in Bonn, Münster, Köln, Düsseldorf, Essen und Aachen betroffen.

Derzeit gelten für diese Mitarbeiter noch die Bestimmungen des Tarifvertrages des Landes, kurz TVL genannt. Jedoch erlaubt das Land NRW den Arbeitnehmerverbänden im Bereich Entlastung direkte Verhandlungen mit den entsprechenden Arbeitgebern zu führen. Die in dem TVL enthaltenden Regelungen, die etwa die Arbeitszeiten, Urlaubszeiten oder die Gehaltsregelungen betreffen, sollen dabei mit in den neuen Tarifvertrag mit den Uni-Kliniken übernommen werden.

Wie Veronika Bergen betont, unterstütze die große Mehrheit der Mitarbeiter der Uni-Kliniken die Bestrebungen für einen neuen Tarifvertrag. Nicht zuletzt gibt es etwa in Köln tägliche Streikposten von mehreren hunderten Leuten rund um die Uhr. Derweil wird der Dienst in den Krankenhäusern von einer Notdienst-Vereinbarung gewährt. Das heißt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart haben, dass die Notfallversorgung der Patientinnen und Patienten immer garantiert bleiben muss. Dabei gibt es Stationen, die deshalb teilweise mit weniger Personal auskommen müssen. In anderen Bereichen wie etwa der Transfusions-Medizin ist die Anzahl jedoch gleich geblieben. Und: Das Thema Tarifvertrag Entlastung sei bereits vor Corona ein Thema gewesen, und nicht erst die Folge der Pandemie und der damit zusammenhängenden Personal-Engpässe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt Deutschland: Käufer kehren zurück, Zinsen steigen
18.09.2025

Der deutsche Immobilienmarkt lebt wieder auf. Mehr Käufer greifen zu, doch steigende Bauzinsen bremsen die Euphorie. Während die...

DWN
Politik
Politik Fed senkt Leitzins: Trump drängt auf geldpolitischen Kurswechsel
18.09.2025

Die US-Notenbank senkt erstmals seit Ende 2024 den Leitzins – ein Schritt, der tief in die innenpolitische Auseinandersetzung hineinragt....

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...