Deutschland

Parteien-Staat: Die geschlossene Gesellschaft fürchtet ihre Feinde

Die Parteien zweigen für ihre kümmerlichen Mitgliederzahlen unverhältnismäßig viel Geld vom Steuerzahler ab. Insgesamt 154 Millionen Euro haben die Parteien 2013 vom Steuerzahler bekommen – obwohl alle großen Parteien zusammen gerade mal auf 1,1 Millionen Mitglieder kommen. Diese Art von Parteien-Herrschaft ist nicht zeitgemäß. Die Bürger müssen die Demokratie als offene Gesellschaft erzwingen.
01.01.2014 03:36
Lesezeit: 2 min

In einer kürzlich von der dpa bekanntgegebenen Aufstellung haben die Parteien in Deutschland zusammen gerade mal 1,1 Millionen Mitglieder. Die SPD kommt auf 474.000, die CDU auf 468.000, die CSU auf 148.000, die Grünen auf 61.000, die Linken auf 63.000 und die FDP auf 57.000 Mitglieder.

Im Vergleich zur Zahl der Wahlberechtigten von 60 Millionen Deutschen bei der vergangenen Bundestagswahl ist das eine erstaunlich geringe Zahl.

Das bedeutet: Nur ein Bruchteil der Deutschen ist in Parteien organisiert.

Dennoch müssen die Steuerzahler ordentlich dafür arbeiten, dass die Parteien ein auskömmliches Leben führen können: Im Jahr 2013 haben die Parteien insgesamt 154 Millionen Euro an Parteienförderung erhalten, wie die Zeitung Das Parlament ermittelt hat.

Das bedeutet: Die Parteien-Demokratie ist im Grund ein sehr cleveres Geschäftsmodell. Die nur von wenigen Mitgliedern getragenen Vereinigungen können auf garantierte Umsätze der Steuerzahler bauen – auch wenn die überwiegende Mehrheit der Deutschen keine dieser Parteien gewählt hat, um für sie Politik zu machen (mehr zu diesem Phänomen und der Tatsache, dass dies in der politischen Willensbildung bewusst ignoriert wird – hier).

Diese nur auf Deutschland bezogenen Umsätze finden ihr Pendant in der Internationalisierung des Parteien-Business: Über die EU bekommen die Parteien noch einmal Millionen-Beträge.

Die Sicht des Parteien-Staats als Geschäftsmodell erklärt natürlich auch, warum alle Parteien – außer der Linken, aber deren Kritik richtet sich nicht prinzipiell gegen den Internationalismus, sondern gegen die aktuelle Form der EU – ein Interesse an der EU haben: Alle verklärenden Parolen für „mehr EU“ haben nämlich weniger einen ideologischen, als vielmehr einen wirtschaftlichen Hintergrund: Die Parteien wollen sich einen lukrativen Geschäftszweig nicht beschneiden lassen.

Die EU-Wahl im Frühjahr 2014 wird daher erneut ein Wettlauf um die Steuergelder sein – und weniger eine politische Auseinandersetzung zum Austausch von Argumenten für den besten Nutzen für alle Bürger.

So erklärt sich auch die Überlegung der Großen Koalition, die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verlängern: Die Parteien würden sich auf diesem Weg weitere 154 Millionen Euro aus dem Steuertopf genehmigen können – bei gleichzeitiger Ersparnis von Wahlkampfkosten (mehr hier).

Auffällig ist, dass die Parteien mit einem deutlichen Rückgang der Mitgliedsbeiträge zu kämpfen haben. Doch wer nun erwarten würde, dass sich die Ansprüche der Parteien deswegen reduziert wurden, irrt: Wie der Stern berichtet, haben sich die Parteien die Zahlungen aus Steuermitteln in den vergangenen drei Jahren um 20 Millionen Euro erhöht.

Es geht eben nichts über die Möglichkeit, über Mittel verfügen zu können, für die man nicht arbeiten muss, sondern die man einfach per Gesetz erhöht – entweder der Summe oder der Laufzeit nach.

Der Zwangsbeitrag mag nützlich für die Parteien und ihre undurchsichtigen Apparate sein.

Der Demokratie schadet der rituelle Griff in die Kasse.

Denn die Parteien denken nicht mehr an die Bürger, sondern an sich selbst- und ihre „Angestellten“.

Parteienherrschaft – das ist die Aushöhlung der Demokratie mit dem Geld derer, die eigentlich der Souverän sein sollten.

Angesichts der Schuldenkrise und der immer geringer werdenden Ressourcen ist der Keim zur Spaltung der Gesellschaft gelegt. In vielen Ländern ist das Entstehen von radikalen Parteien die Folge (die selbst oft Politik als nichts anderes sehen als Geschäftsmodell – hier).

Die etablierten Parteien wehren sich gegen das Eindringen von Neulingen wie alte Firmen, die Innovationen als Bedrohung empfinden. Sie fürchten die offene Gesellschaft.

Denn die offene Gesellschaft im Parteienspektrum führt zu neuen Mitbewerbern, die am Kuchen knabbern.

Das Parlament hat berechnet:

Als großer Gewinner darf sich die erst zu Jahresbeginn gegründete Alternative für Deutschland (AfD) sehen. Sie kann mit rund 1,8 Millionen Euro für das Jahr 2013 rechnen, wie AfD-Schatzmeister Norbert Stenzel bestätigt. Zu den weiteren Parteien, die bei der Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent der Zweitstimmen für sich verbuchen konnten, gehören die Piraten, denen 814.000 Euro zustünden, die NPD (477.000) und die Freien Wähler (359.000).

Das Geschäftsmodell von Politiker als einer zwangsfinanzierten, geschlossenen Gesellschaft ist sehr bequem.

Doch es hat keine Zukunft.

Die Bürger müssen sich den Staat zurückholen, weil er ihnen gehört.

Das wird kein Spaziergang.

Es wird Verlierer geben.

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