Finanzen

Cameron scheitert mit Klage: EU darf Leerverkäufe verbieten

Die britische Regierung scheitert mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Nach Meinung der Briten hätte die EU die Leerverkäufe nicht verbieten dürfen. Die Richter sagten jedoch, dass die riskanten Wetten zurecht verboten wurden.
22.01.2014 12:27
Lesezeit: 2 min

Die EU-Wertpapieraufsicht darf in Europa hochspekulative Börsengeschäfte verbieten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies am Mittwoch überraschend eine Klage der britischen Regierung ab, die die Kompetenzen der EU-Behörde ESMA beim Verbot sogenannter Leerverkäufe überschritten sah. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die ESMA im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt habe, als sie diese riskanten Wetten auf fallende Kurse untersagt hatte.

In Deutschland gilt seit Juli 2010 ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Aktien, Staatsanleihen aus EU-Ländern und Kreditausfallversicherungen auf diese Bonds. Bei Leerverkäufen veräußern Investoren, wie etwa Hedgefonds, geliehene Aktien in der Hoffnung auf sinkende Kurse. Denn dann können sie die Papiere billiger zurückkaufen und an den Verleiher zurückgeben. Sind diese Geschäfte „ungedeckt“, hat der Investoren die Aktien, die er verkauft, noch nicht einmal geliehen, womit Volumen und Risiko weiter steigen. Kritiker monieren, dass so die Preisschwankungen an den Finanzmärkten zunehmen und ein Kursrutsch beschleunigt werden kann.

Nach Darstellung der EuGH-Richter darf die ESMA Maßnahmen erlassen, wenn eine Bedrohung für die Märkte oder die Stabilität des Finanzsystems der EU besteht. Voraussetzung sei, dass keine nationale Behörde entsprechende Schritte getätigt habe oder dass diese Maßnahmen nicht ausreichten. Zudem seien die Befugnisse dazu gedacht, bessere Voraussetzungen zum Funktionieren des Binnenmarkts im Finanzbereich zu schaffen. Der angewandte Artikel 114 des EU-Rechts, der die Angleichung nationaler Gesetze ermöglicht, sei dafür die geeignete Rechtsgrundlage.

Diese Begründung könnte auch der Diskussion über den geplanten EU-weiten Mechanismus zur Bankenabwicklung neue Nahrung verleihen. Das Bundesfinanzministerium argumentiert, dass Artikel 114 beim Aufbau eines Abwicklungsfonds ungeeignet sei. Sie hatte deshalb eine zwischenstaatliche Vereinbarung ins Spiel gebracht, die von den EU-Finanzministern im Dezember gebilligt worden war. Im EU-Parlament, das der Vereinbarung in den kommenden Monaten zustimmen soll, regt sich dagegen aber heftiger Widerstand. Artikel 114 des EU-Rechts setzt keine Einstimmigkeit im EU-Rat voraus. Die geplanten Regeln für Bankenabwicklungen sind neben der einheitlichen Aufsicht die zweite wichtige Säule der Bankenunion.

Großbritannien hatte geklagt, weil es Artikel 114 als unzureichend für ein EU-weites Verbot von Leerverkäufen ansah. In einer ersten Stellungnahme äußerte sich das britische Finanzministerium enttäuscht. Lob für die Richter kam dagegen vom CSU-Europa-Abgeordneten Markus Ferber: „Auch die Briten müssen akzeptieren, dass es keine einseitigen vermeintlichen Wettbewerbsvorteile für nationale Finanzplätze mehr geben kann.“ Die Regierung unter Premierminister David Cameron verwahrt sich gegen Einmischungen durch EU-Behörden in nationale Belange und fürchtet Nachteile für den Finanzplatz London - den wichtigsten in Europa. Cameron wirft der EU Reformunwilligkeit vor. Großbritannien ficht vor Gericht drei weitere EU-Maßnahmen im Finanzsektor an, darunter die Deckelung von Banker-Boni.

Das aktuelle Urteil des EuGH war so nicht erwartet worden, nachdem der Generalanwalt vor dem Gericht im September seine Bedenken gegen das geltende Verbot vorgebracht hatte. In den meisten Fällen folgt das Gericht der Einschätzung des Generalanwalts.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...

DWN
Technologie
Technologie Technologieinvestitionen schützen die Welt vor einer Rezession
10.05.2025

Trotz der weltweiten Handelskonflikte und der anhaltenden geopolitischen Spannungen bleibt die Nachfrage nach Technologieinvestitionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...

DWN
Panorama
Panorama EU-Prüfer sehen Schwächen im Corona-Aufbaufonds
10.05.2025

Milliarden flossen aus dem Corona-Topf, um die Staaten der Europäischen Union beim Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie zu unterstützen....