Finanzen

Billiges Geld: EZB finanziert Schulden-Staaten durch die Hintertür

Lesezeit: 3 min
09.03.2014 00:04
Die Schulden-Staaten in Europa finden keine Abnehmer für ihre Staatsanleihen. Daher müssen die nationalen Banken einspringen. Damit wurde der Bond-Markt zerstört. Der Preis, den die Staaten zahlen: Sie geraten in immer größere Abhängigkeit von den Banken und laden dem Steuerzahler damit unabsehbare Risiken auf.
Billiges Geld: EZB finanziert Schulden-Staaten durch die Hintertür

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Banken in der Eurozone haben weitaus mehr Staatsanleihen in ihren Bilanzen als noch vor der Finanzkrise. Sie stützen damit vor allem die angeschlagenen Krisenländer und vertiefen weiterhin die Abhängigkeit zwischen Banken und Regierungen. Insgesamt belaufen sich die von Banken gehaltenen Staatsschulden auf 1,75 Billionen Euro. Dies ist die höchste relative Belastung seit 2006.

Europäische Regierungen brauchen die Banken, um ihre wachsenden Staatsausgaben zu finanzieren. Viele Staaten finden einfach keine Alternativen für die Käufer ihrer Anleihen, nachdem außereuropäische Investoren abgewandert sind.

Obwohl die EZB daran interessiert ist, die Abhängigkeit der Staaten von den Banken zu brechen, warnen Analysten davor, dass ihr die Hände gebunden sind, berichtet die International Financing Review.

„Die Abhängigkeit der Staaten von ihren Banken wächst kontinuierlich. Das ist beunruhigend“, sagt Nikolaos Panigirtzoglou von JP Morgan. „Die EZB und die Regulierungsbehörden möchten dieses Risiko verringern, doch sie wissen, dass sie das jetzt nicht können, da die Region gerade erst nach und nach aus der Schuldenkrise herauskommt. Aber wenn die Frage der Nachhaltigkeit der Schuldenproblematik künftig wieder auftaucht, wird es vor allem ein Problem für Banken werden, die ungeschützt hoch bei Staatsanleihen aufgestellt sind.“

Seit den 1980er Jahren haben die Bankenregulierer für die Banken Anreize geschaffen, dass Staatsanleihen mit Null-Risikogewichtung gekauft und gehalten werden können. Das war ein politischer Beschluss. Auch der Baseler Ausschuss entschied 2010 beim letzten „Update“, die Regeln nicht zu ändern. Die Ratingagentur Fitch merkt an, dies führe nachgerade dazu, das Ganze richtig „auf Touren zu bringen“.

Der EZB wird vorgeworfen, so heißt es im Artikel der International Financing Review weiter, eine Vermittlerrolle bei Staatsanleihenkäufen zu spielen, mit vormals günstigen Kreditaufnahmen der Banken bei der EZB mit 1 Prozent des Leitzinssatzes, der zuletzt auf 0,25 Prozent fiel. Damit wurde billiges Geld in Staatsanleihen gepumpt, das in den letzten Jahren Gewinne von 7 Prozent und mehr hergeben habe – was im Endeffekt einem bequemen Profit entspräche.

Der Carry-Trade (Spekulationsstrategie) hierbei wird auf einen Wert zwischen fünf und 20 Milliarden Euro pro Jahr für spanische und italienische Banken geschätzt. Viele Banken verwenden den Handel nicht nur, um gravierende Verluste zu verstecken, sondern auch als eine Möglichkeit zum Aufbau der Kapitalpuffer. So werden die Kapitalflüsse der EZB auch dazu benutzt werden, um Halter von Staatsanleihen zu schützen.

Die von den Banken gehaltenen Staatsanleihen stiegen seit der LTRO der EZB (rund eine Billion Euro an die Euro-Banken, veranlasst Ende 2011 und Anfang 2012) um 355 Milliarden Euro oder insgesamt um 25 Prozent.

Die Banken in den Krisenstaaten legten am meisten zu. Italienische Banken erhöhten die Bestände ihrer Staatsanleihen um 62 Prozent, portugiesischen Banken um 52 Prozent und spanischen Institute um 45 Prozent.

„Durch die Zuteilung der LTRO durften sich Banken riesige Geldmengen von der EZB zu niedrigen Zinsen leihen und einige haben das Geld verwendet, um deutlich mehr Staatsschulden zu kaufen und damit Erlöse zu erwirtschaften. Die Regierungen haben ihnen dabei nicht widersprochen”, sagt Stefan Best, Bankanalyst bei Standard & Poor’s.

Es ist nicht das erste Mal, dass Banken bei Carry-Trades bei Staatspapieren leicht verdientes Geld anhäuften. In den vergangenen zehn Jahren kauften viele Banken, darunter BNP Paribas, Societe Generale, Deutsche Bank und Commerzbank, griechische Schulden in Milliardenhöhe, um auf zusätzlichen Rendite zu kommen. Auch ihnen war der Kauf von de Politik nahegelegt und mit hohen Renditen versüßt worden.

Als Griechenland seine Schulden restrukturieren musste, verzeichneten diese vier Banken Milliardenverluste. Die Commerzbank musste sogar teilverstaatlicht werden.

Auch die Hypo-Real Estate (HRE) verzeichnete beim Geschäft mit griechischen Staatsanleihen ein Minus von rund acht Milliarden Euro, die nach der Verstaatlichung der Bank (bereits im Jahr 2009) zu Lasten der deutschen Steuerzahler ging.

Nun scheint es einen neuen Deal zwischen den Schulden-Regierungen und ihren Banken zu geben: Die nationalen Banken kaufen die Bonds ihrer Länder, um im Gegenzug die von der EZB als risikolos eingestuften Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheiten zu hinterlegen - und neues Geld von der EZB abzurufen.

Das ist nichts anderes als eine Staatsfinanzierung durch die Zentralbank auf Umwegen. Eine direkte Staatsfinanzierung ist verboten, wie auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat (mehr hier).

Doch wo kein Kläger, da wird es auch keinen Richter geben - schließlich machen es alle Euro-Staaten offenbar mittlerweile so.

Italiens Schuldenstand betrug Ende 2013 bereits 133 Prozent im Verhältnis zum BIP. Das ist höher als die 129 Prozent von Griechenland, bevor das Land einen „bail-out“ beantragte.

Spanien hat ebenfalls einen weit höheren Schuldenstand als sein jährliches Bruttoinlandsprodukt. Nach Angaben des IWF gab es seit 1950 insgesamt 95 Staaten, die eine Schuldenrestrukturierung beantragten. Oftmals mit Schuldenständen weit unterhalb derer von Spanien und Italien.

Spanische Banken halten aktuell 297 Milliarden Staatsanleihen. Italiens Kreditinstitute verzeichnen 407 Milliarden Staatsanleihen in ihren Bilanzen.

„Die EZB ist zwar bemüht, die gefährliche Verbindung zwischen Banken und Staaten zu reduzieren. Sie kann aber nicht der Tatsache entkommen, dass viele Regierungen ihre Banken auch weiterhin brauchen, die ihre Staatsanleihen kaufen“, sagte Alberto Gallo, Kreditstratege bei der RBS. „Im Grunde ist es nicht das vorrangige Ziel der Banken, ihre nationalen Regierungen zu finanzieren, aber sie werden aufgefordert, genau das zu tun.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag zum Handelsstart mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europäische Unternehmen sehen düstere Aussichten in China
10.05.2024

Die jährliche Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking zeigt, dass europäische Unternehmen ihre Wachstumschancen in China so...

DWN
Technologie
Technologie Lithium-Abbau in Deutschland: BGR-Forscher starten Tiefenförderung in der Lüneburger Heide
10.05.2024

Der Weg zu einer nachhaltigen Elektromobilität führt möglicherweise durch die Lüneburger Heide: Die Die Bundesanstalt für...

DWN
Finanzen
Finanzen Genomsequenzierung: Investieren in die personalisierte Medizin der Zukunft
09.05.2024

Genomsequenzierung, Gentherapie, personalisierte Medizin: Die Medizin- und Pharma-Industrie steht vor einem Wendepunkt. Gleichzeitig sind...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview zur Mafia in Deutschland: „Hier gehe ich von Strafvereitelung im Amt aus“
09.05.2024

Italienische Mafia-Organisationen gewinnen in Deutschland zunehmend an Einfluss – und können dabei teilweise auf das stillschweigende...

DWN
Technologie
Technologie Luftfahrt: Klimaneutralität bis 2050 wohl unrealistisch
09.05.2024

Der Luftverkehr gilt als ein starker Treiber zur Klimakrise. Mit technischen Lösungen klimaschonendes- oder gar klimaneutrales Fliegen zu...