Außenministerin Annalena Baerbock ist zu ihrem zweiten Ukraine-Besuch seit Kriegsbeginn in Kiew eingetroffen. Sie wolle mit der Reise zeigen, «dass wir der Ukraine weiter beistehen, so lange es nötig ist – mit der Lieferung von Waffen, mit humanitärer und finanzieller Unterstützung», sagte sie am Samstagmorgen bei ihrer Ankunft.
Mit dem Besuch will die Grünen-Politikerin auch ein Zeichen gegen drohende Kriegsmüdigkeit in Deutschland setzen. «Für mich ist klar, Putin setzt darauf, dass wir der Anteilnahme am Leid der Ukraine müde werden», sagte sie. «Er glaubt, dass er unsere Gesellschaften mit Lügen spalten und mit Energielieferungen erpressen kann. Und, dass er uns die Energie nehmen kann, uns gegen diesen brutalen Angriff auf unser aller Werte zu verteidigen.» Diese Rechnung Putins dürfe und werde nicht aufgehen. «Denn ganz Europa weiß, dass die Ukraine unsere Friedensordnung verteidigt.»
Mit dem Sonderzug nach Kiew
Die Grünen-Politikerin reiste in der Nacht zu Samstag mit einem Sonderzug und einer kleinen Delegation von Polen aus nach Kiew. Der Luftraum über der Ukraine ist seit Kriegsbeginn gesperrt. In Kiew will Baerbock unter anderem Gespräche mit Außenminister Dmytro Kuleba führen. Das weitere Programm wurde aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehalten.
Baerbock erinnerte bei ihrer Ankunft daran, dass sich die Ukrainerinnen und Ukrainer nun schon seit mehr als sechs Monaten gegen die russischen Angreifer stemmten. In dieser schrecklichen Zeit zwischen Hoffen und Bangen hätten die Menschen in der Ukraine auch auf die Hilfe Deutschlands vertraut. «Ich bin heute nach Kiew gereist, um zu zeigen, dass sie sich weiter auf uns verlassen können.»
Baerbock will Minenräumung thematisieren, Ukrainer wollen Panzer
Baerbock nannte zwei konkrete Themen, die ihr bei dem Besuch wichtig sind: die deutsche Hilfe beim Räumen von Minen und die Unterstützung bei der Aufarbeitung begangener Kriegsverbrechen. Ihre ukrainischen Gesprächspartner dürften ihre Forderungen nach schweren Waffen bekräftigen. Ministerpräsident Denys Schmyhal hatte bei seinem Deutschlandbesuch in der vergangenen Woche von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Lieferung deutscher Leopard-2-Kampfpanzer gefordert.
Scholz betonte anschließend, Deutschland wolle sich auf die Bereitstellung von Luftabwehrsystemen und Artillerie konzentrieren - und vor allem keine Alleingänge machen. Bisher hat auch kein anderer Nato-Verbündeter Kampfpanzer westlicher Bauart in die Ukraine geschickt.
Die Bundesregierung hat der Ukraine bisher Waffen im Wert von 734 Millionen Euro bereits geliefert oder zugesagt, darunter auch einiges an schweren Waffen: zehn schwere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000, 15 Flugabwehrpanzer, drei Mehrfachraketenwerfer und drei Bergepanzer. Geplant ist zudem die Lieferung von vier Luftverteidigungssystemen vom Typ Iris-T. Bei einer internationalen Konferenz auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag allerdings auf weitere Zusagen schwerer Waffen verzichtet.
Inzwischen waren schon einige Minister in Kiew
Baerbock war Mitte Mai als erstes deutsches Regierungsmitglied seit Kriegsbeginn nach Kiew gereist. Sie hatte damals die deutsche Botschaft wiedereröffnet und Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Kuleba getroffen. Außerdem besuchte sie die teilweise zerstörten Vororte Butscha und Irpin.
Scholz besuchte Kiew Mitte Juni zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis. Die vier Staats- und Regierungschefs ebneten dort den Weg für den EU-Kandidatenstatus der Ukraine. Aber auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD), Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) haben die Ukraine in den letzten sechs Monaten besucht. Zuletzt waren aus der Bundesregierung Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor sechs Wochen dort. (dpa)