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Rezession in Deutschland: Geschäftsklima bricht ein

Die Stimmung in den Chefetagen hat sich im September stärker eingetrübt als erwartet. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020.
26.09.2022 10:59
Aktualisiert: 26.09.2022 10:59
Lesezeit: 2 min
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Rezession in Deutschland: Geschäftsklima bricht ein
Finanzminister Christian Lindner Wirtschaftsminister Robert Habeck letzte Woche im Bundestag. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Die Stimmung in den Chefetagen deutscher Firmen ist so schlecht wie seit den Anfängen der Corona-Krise nicht mehr. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im September auf 84,3 Zähler von 88,6 Punkten im Vormonat und damit auf den tiefsten Stand seit Mai 2020, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 87,0 Punkte gerechnet.

„Die deutsche Wirtschaft rutscht in eine Rezession“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat deutlich zugenommen." Die Befragten äußerten sich zu Geschäftslage und Aussichten noch skeptischer als zuletzt. Die Industrie schaue mit großer Sorge auf das nächste halbe Jahr. „Die Erwartungen waren zuletzt im April 2020 so pessimistisch.“ Die Stimmung habe sich in nahezu allen Branchen verschlechtert, so Ifo-Chef Fuest.

Der gesamte Ifo-Index signalisiere mehr denn je eine Rezession im Winterhalbjahr, betonte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Der Energiepreisschock lasse die Kaufkraft der Konsumenten einbrechen und mache die Produktion vieler Unternehmen unrentabel. „Deutschland ist durch die massiv verteuerten Energieimporte ärmer geworden“, sagte Krämer. „Wir stehen vor einem wirtschaftlich schwierigen Winter.“

Im Dienstleistungssektor brach das Ifo-Barometer ein. Insbesondere das Gastgewerbe befürchtet demnach schwere Zeiten. Im Handel hat sich das Geschäftsklima nochmals verschlechtert. „Im Einzelhandel fielen die Erwartungen sogar auf ein historisches Tief.“ Auch im Bauhauptgewerbe sank der Index merklich.

Im Frühjahr hat die deutsche Wirtschaft trotz der Folgen des Ukraine-Krieges noch ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent geschafft. Derzeit sind die Perspektiven wegen der verschärften Energiekrise und der hohen Inflation aber düster. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaft im zu Ende gehenden Sommer-Quartal voraussichtlich etwas schrumpft und dann Ende 2022 und Anfang 2023 sogar merklich Fahrt verliert.

Lieferengpässe und Energiepreise setzen Firmen zu

Die Lieferengpässe in der deutschen Industrie haben sich im August wieder verschärft. Zwei Drittel aller Unternehmen klagten über Engpässe, das sind rund vier Prozentpunkte mehr als im August, wie Ifo-Experte Klaus Wohlrabe am Montag der Nachrichtenagentur Reuters zu der monatlichen Umfrage des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts sagte. Zusätzlich machten die steigenden Energiepreise den Unternehmen zu schaffen.

„Wir sehen ein dickes Minus auf allen Fronten“, sagte Wohlrabe. „Die deutsche Wirtschaft steht vor der Rezession.“ Vor allem die energieintensiven Branchen blickten äußerst pessimistisch auf den Winter.

Keine Entspannung ist dabei bei der Inflation in Sicht. „Die Preiserwartungen sind wieder gestiegen, mehr als jedes zweite Unternehmen hat Preiserhöhungen angekündigt.“ Zuletzt waren die Verbraucherpreise in Deutschland im August um 7,9 Prozent gestiegen. Die Bundesbank rechnet für September mit einem weiteren Preisschub und hält zweistellige Inflationsraten in den kommenden Monaten für möglich.

Die Teuerung setzt dem Einzelhandel zu. Die Geschäftserwartungen in der Branche seien so schlecht wie nie zuvor, sagte Wohlrabe. „Auch im Gastgewerbe sind die Sorgen sehr groß.“ Die Unternehmen befürchteten, dass sich die Gäste wegen der steigenden Energiepreise zurückhalten werden. Einziger Lichtblick sei der Maschinenbau: Hier schätzten die Unternehmen ihre aktuelle Lage besser ein als im vergangenen Monat.

Der Arbeitsmarkt dürfte dagegen trotz der befürchteten Rezession weitgehend stabil bleiben. Die Beschäftigungserwartungen der befragten Unternehmen seien zwar zurückgegangen, aber die Firmen versuchten, ihre Mitarbeiter soweit wie möglich zu halten, sagte Wohlrabe.

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