Die US-Regierung will die technologischen und militärischen Fortschritte Chinas mit einer Reihe von weitreichenden Exportbeschränkungen ausbremsen. Mit den neuen Regeln für die Ausfuhrkontrolle soll China unter anderem der Zugang zu bestimmten Halbleiter-Chips verwehrt werden, die mit US-Geräten weltweit produziert werden.
Die Maßnahmen sollen nach Angaben der US-Regierung vom Freitag mit sofortiger Wirkung angewendet werden. Demnach dürfen die Chip-Zulieferer KLA, Lam Research and Applied Materials keine Anlagen mehr an chinesische Werke liefern, die fortschrittliche Logikchips herstellen. Die Schritte der US-Regierung könnten nach Einschätzung von Experten die chinesische Chipindustrie um Jahre zurückwerfen.
Der US-Halbleiter-Verband Semiconductor Industry Association begrüßte die Ankündigung. Auch andere Länder sollten sich an den US-Vorschriften beteiligen, um die Wirkung der Maßnahmen zu verstärken.
Loyalität mit „Halbleitergeschmack“
Die Autoren des aktuellen Hellmeyer-Reports stellen in ihrem Kommentar grundsätzliche Fragen zu den jüngsten Maßnahmen der US-Regierung:
Man gewöhnt sich so zügig an neue Parameter. Wird eigentlich noch die Frage gestellt, ob diese US-Maßnahmen überhaupt mit dem internationalen Regelwerk der WTO im Einklang stehen? Das Regelwerk der WTO und die Schiedsgerichtsbarkeit bilden das Skelett der globalen Wirtschaftswelt aus. Wie sieht ein Körper ohne Skelett aus? Oder sind rechtsstaatliche Strukturen im globalen Wirtschaftsverkehr für uns in Europa mittlerweile so irrelevant wie sie offensichtlich in den USA sind, obwohl unser export- und importseitiges Wirtschaftssystem von dieser Rechtsstruktur elementar abhängig ist?
Gibt es in Brüssel, Berlin oder in Paris noch konsequentes Denken, das eigenen Interessen Rechnung trägt? Seitdem die USA die Struktur der Schiedsgerichtsbarkeit der WTO zerstörten (gesetzesbasierte Ordnung), verfügen sie Sanktionen bar aller Grundlagen im Rahmen der jetzt angewandten US regelbasierten Ordnung („America first“) und führen immer offener Wirtschafts- und Finanzkriege. Wann ist Europa dran?
Ist der US-Versuch, jetzt im Rahmen der europäischen Versorgungskrise deutsche Unternehmen zu Produktionsstättenverlagerungen zu animieren, nicht auch Teil dieser Politik? Sich seitens der USA dabei dann gleichzeitig auf westliche Werte in seinem unilateralen Anspruch zu berufen, erscheint ambitioniert zu sein. Das Schweigen Europas zu den hybriden Kriegen der USA in den Sektoren Finanzen und Wirtschaft, das eigenen Interessen zuwider läuft, ist recht ohrenbetäubend.
Dieser neuerliche Schritt der USA steht im Kontext mit der massiven Subventionspolitik (52 Mrd. USD-Programm), um Produktionsstätten im Halbleitersektor in die USA zu holen. Das gilt insbesondere für Produktionen aus Taiwan (u.a. TSMC). Taiwan stellt noch 64% des weltweiten Halbleitermarktes. Mit dieser US-Politik wird die Wirtschaft Taiwans in Teilen perspektivisch entkernt, denn die starke Position am Halbleitermarkt macht Taiwan für den Westen „noch“ so interessant.
Sieht man in Taipeh die Risiken der Produktionsstättenverlagerung klar und eindeutig oder schaut man durch eine vom Westen gefärbte rosarote Brille, was die Zukunftsfähigkeit der eigenen Ökonomie, die Bedeutung des Standorts für den Westen (USA) als auch die aus diesem Aspekt gegebene westliche Loyalität anbetrifft, die derzeit noch einen unverkennbaren deutlichen „Halbleitergeschmack“ aufweist. Westliche Loyalitäten haben unter Umständen kurze Halbwertzeiten und binden sich bisweilen an Nutzen und nicht Werten.