Die Energiekrise wird immer mehr zu einer Gefahr für die Beschäftigung in Deutschland. In einer Umfrage im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen gaben 25 Prozent der Unternehmen an, sie planten einen Arbeitsplatzabbau. Bei einer vergleichbaren Umfrage im April waren dies 14 Prozent.
Außerdem stellen sich 57 Prozent der Unternehmen darauf ein, geplante Investitionen zu verschieben. Auch das seien mehr Betriebe als im Frühjahr, ergab die repräsentative Umfrage des Ifo-Instituts.
Die Ergebnisse seien ein Alarmsignal, sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Es gebe seit einiger Zeit eine schleichende Verlagerung industrieller Wertschöpfung. „Diese fatale Entwicklung am Standort Deutschland beschleunigt sich. Die Unternehmen fahren die Fertigung in Deutschland zurück oder verlagern ihre Produktion dorthin, wo Energiekosten, Steuern und Bürokratielasten niedriger sind.“
Laut Umfrage planen neun Prozent der Unternehmen, Betriebsstätten ins Ausland zu verlagern. Vor einem halben Jahr waren es sechs Prozent. Die Politik versuche, die steigenden Energiekosten zu dämpfen, was richtig sei, sagte Kirchdörfer. „Wir benötigen Maßnahmen, die den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig machen.“
Die Energiekosten schlagen laut Verband inzwischen stärker bei den Unternehmen durch. Im Jahr 2022 entfielen demnach durchschnittlich 8,2 Prozent des Gesamtumsatzes auf Energiekosten. Im Jahr 2021 waren es nur 5,1 Prozent.
Energiekosten laufen aus dem Ruder
In der deutschen Wirtschaft wachsen die Sorgen angesichts steigender Strom- und Gaspreise. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor Produktionsstopps bei Unternehmen. DIHK-Präsident Peter Adrian sagt: „Quer durch die Branchen erreichen uns täglich Hilferufe von Unternehmen, die für das kommende Jahr keinen Energieversorgungsvertrag mehr bekommen. Wenn hier keine Lösung gefunden wird, stehen zum Jahreswechsel Teile unserer Wirtschaft still.“
Adrian fordert die Bundesregierung zum Handeln auf. Viele Energieversorger könnten die Sicherheitsleistungen nicht mehr bezahlen, die sie bei ihren Termingeschäften zur Absicherung von Energiepreisschwankungen hinterlegen müssten, so Adrian. „Diese Sicherheitsleistungen haben analog zu den Börsenpreisen so astronomische Höhen erreicht, dass Stadtwerke und andere Lieferanten ihren Kunden keine Angebote für die Belieferung mit Strom und Gas mehr machen können. Wir brauchen daher schnell einen staatlichen Garantierahmen wie bei der Finanzkrise.“
Die vorgeschlagene Gaspreisbremse löse dieses Problem nicht. „Denn sie reduziert mit dem staatlichen Zuschuss den Preis für den Endkunden, nicht beim Versorger.“ Anders als für private Haushalte und sehr kleine Unternehmen hätten größere und mittlere Betriebe keinen Anspruch auf Ersatz durch Grundversorger. „Diese Unternehmen stehen deshalb ohne Vertragsangebot komplett ohne Energie da und müssten den Betrieb einstellen.“
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Energiewende und Geopolitik
Ausgelöst wurde die Energie-Krise von der sogenannten Energiewende, welche deutsche Regierungen seit Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgen. Schon weit vor Ausbruch des Ukraine-Krieges hatte diese beispielsweise dazu geführt, dass deutsche Unternehmen die höchsten Strompreise in ganz Europa bezahlen mussten.
Massiv verschärft wurde die Krise schließlich infolge des Krieges Russlands gegen die Ukraine: Die EU-Staaten haben daraufhin begonnen, sich von russischen Energieträgern abzuwenden. Dies betrifft derzeit bereits Kohle-Importe, der Gas-Zufluss wurde von Russland gedrosselt und die Sprengung der Nordstream-Pipeline durch professionelle Akteure wird ein Wiederanfahren der Lieferungen verhindern. Hinzu kommt, dass die EU ab Anfang Dezember kein russisches Erdöl und Treibstoffe mehr einführen will.
Derzeit bemüht sich die Bundesregierung zwar um Ersatzlieferungen für russische Kohle, Gas und Öl – diese sind aber nicht in ausreichender Menge zu haben und nur zu deutlich höheren Preisen, was wiederum die Inflation antreibt.
Ifo-Index zeigt Rezession an
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Oktober erneut verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel zum Vormonat aber nur leicht um 0,1 Punkte auf 84,3 Zähler, wie das Ifo-Institut am Dienstag in München mitteilte. Bereits im Vormonat war der Ifo-Geschäftsklimaindex, der auf einer Umfrage unter rund 9000 Unternehmen basiert, gesunken.
Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer rutschte mit dem aktuellen Dämpfer auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020. In der Corona-Krise war der Indikator aber zeitweise noch deutlich tiefer gefallen.
„Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bleibt düster“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Unternehmen seien mit ihren laufenden Geschäften weniger zufrieden gewesen. Auch wenn sich der Ausblick gebessert habe, bereite der Blick auf die kommenden Monate den Unternehmen weiter Sorgen. „Die deutsche Wirtschaft steht vor einem schweren Winter“, sagte Fuest laut Mitteilung.
Der Index für die Industrie fiel erneut, was vor allem auf sinkende Zuversicht zurückzuführen war. Die Auftragsbücher seien nach wie vor gut gefüllt, allerdings gingen die Neuaufträge zurück, hieß es zur Begründung. Auch im Baugewerbe trübte sich das Geschäftsklima weiter ein.
Bei den Dienstleistern hat sich das Klima nach dem Sturz im September erholt, wobei sich in erster Linie die Erwartungen besserten. Ebenfalls legte der Index im Handel zu, wo er von einer besseren Lageeinschätzung profitierte. „Die Erwartungen bleiben jedoch äußerst düster, insbesondere im Einzelhandel“, so Fuest.
„Dass das Ifo-Geschäftsklima im Oktober faktisch nicht weiter gefallen ist, ist keine Entwarnung“, schrieb Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Nach wie vor bewege sich das Barometer auf Niveaus, auf denen die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit geschrumpft war. Vor diesem Hintergrund bleibt er bei der Prognose, dass die Wirtschaft im Winterhalbjahr schrumpfen wird.