Finanzen

EZB fordert Banken zur Vorbereitung auf Abschwung auf

Die Europäische Zentralbank fordert die Geldinstitute auf, Vorkehrungen für einen Abschwung zu treffen.
06.12.2022 08:00
Lesezeit: 2 min

Die Banken im Euro-Raum müssen sich aus Sicht von EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria noch stärker auf das Risiko eines sich eintrübenden Geschäftsumfelds einstellen. „Die notleidenden Kredite im Bereich der Verbraucher-Darlehen und vorzeitige Zahlungsrückstände, sowohl bei Haushalten als auch bei Firmen, nehmen zu“, sagte Enria am Donnerstag in einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments.

Die Risiken deuteten darauf hin, dass sich die Qualität der Vermögenswerte in den nächsten Monaten wahrscheinlich verschlechtern werden. Banken müssten sich auf die möglichen negativen Auswirkungen des unsicheren Umfelds auf ihr Geschäft vorbereiten.

„Unser Hauptfokus liegt darauf, dass die Banken den Herausforderungen, die sich aus dem derzeit unsicheren Konjunkturumfeld ergeben, standhalten“, sagte Enria. Im Blick hat die Aufsicht unter anderem die Kapitalpläne der Institute. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde diese Pläne genau prüfen und die Schritte des Managements hinterfragen, sagte Enria. Ein angemessenes Maß an Konservatismus müsse sichergestellt werden.

Die EZB ist für die Kontrolle der Großbanken im Euro-Raum zuständig. Aktuell beaufsichtigt sie 110 Institute, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank.

Banken: Lage ist positiv

Aufseher und Bankenvertreter haben in der aktuellen Krise die Stärke des Bankensystems in Deutschland und Europa betont. „Die allgemeine Einschätzung des Sektors ist positiv“, sagte der für Bankenaufsicht zuständige Vorstand der Deutschen Bundesbank, Joachim Wuermeling, Mitte November bei der Auftaktkonferenz der „Euro Finance Week“ in Frankfurt. Die Summe der aktuellen Herausforderungen erfordere jedoch, vorsichtig zu sein. „Wir sollten auf ungünstige Szenarien vorbereitet sein“, mahnte Wuermeling.

Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Mark Branson, forderte die Geldhäuser auf, das Thema Risikovorsorge nicht zu unterschätzen. Viele Banken hätten im ersten Halbjahr des laufenden Jahres gut verdient und seien nun gefordert, so viel wie möglich für schlechtere Zeiten auf die Seite zu legen.

Forderungen aus der Branche nach einer Rücknahme der Anfang 2022 eingeführten zusätzlichen Kapitalpuffer erteilte Branson eine Absage: „Jetzt wäre sicher nicht der richtige Zeitpunkt. Diese beiden Puffer sind ein Beitrag dazu, die Widerstandskraft der Banken zu erhöhen.“ Konkret war den Banken Anfang 2022 aufgetragen worden, den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer für Krisenzeiten wieder aufzustocken. Zusätzlich wurde ein neuer Puffer eingeführt, der Wohnimmobilien-Kredite absichert.

Ähnlich argumentierte der Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB), Andrea Enria: „Wenn man jetzt eine Momentaufnahme macht, sieht alles glänzend und stolz aus. Aber wenn man nach vorne schaut, ist Vorsicht geboten.“ Der Konjunkturabschwung, die extrem schnelle Wende hin zu höheren Zinsen und eine steigende Gefahr von Kreditausfällen könnten die Branche zunehmend unter Druck setzen.

Die Vize-Chefin der Commerzbank, Bettina Orlopp, erklärte mit Blick auf die Finanzbranche: „Die Lage ist besser als die Stimmung.“ Viele Banken hätten die vergangenen Jahre genutzt, um sich besser für Krisen zu wappnen. Der Deutschland-Chef der BNP Paribas, Lutz Diederichs, sagte: „Man muss sich keine Sorgen um den deutschen Bankenmarkt und die Finanzierungsfähigkeit des deutschen Bankenmarktes machen.“

Der Vorstandsvorsitzende der staatlichen Förderbank KfW, Stefan Wintels, betonte die Stärke des deutschen Bankensystems: „Wir sollten keine Finanzkrise herbeireden, die Resilienz ist enorm.“ Wintels erklärte zugleich, die aktuelle Lage mit extrem hoher Inflation, teurer Energie und drohender Rezession sei eine unglaublich schwierige Situation für viele Menschen und viele Unternehmen in Deutschland. „Das müssen wir ernstnehmen.“ Der KfW-Chef mahnte: „Wir dürfen es nicht erlauben, dass die Ränder davon profitieren, indem wir viele Menschen alleine lassen in dieser schwierigen Situation.“

Deutschland habe als Volkswirtschaft jedoch die Mittel, um die Wirtschaft umzubauen, betonte Wintels. „Ich würde mir wünschen, dass wir bei aller Krisenbewältigung immer wieder auch Kraft haben, die Transformation mitzudenken. Wir werden aus dieser Krise nur durch Investitionen kommen und nicht, indem wir Dinge kurzfristig heilen.“

Der Co-Chef der DZ Bank, Cornelius Riese, warb ebenfalls für Optimismus: „Eines sollte man wirklich nie unterschätzen: Das ist die Anpassungsfähigkeit und das ist die Widerstandsfähigkeit des deutschen Mittelstandes.“ Wenn Kommentatoren angesichts der konjunkturellen Lage zu dem Schluss kämen, Deutschland werde wieder zum „kranken Mann“ Europas, werde sich „der eine oder andere noch wundern, wie schnell dieser kranke Mann (...) tatsächlich laufen kann“, sagte Riese.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Krise der ostdeutschen Chemieindustrie spitzt sich zu: Insolvenz in Leuna - über 500 Jobs in Gefahr
29.12.2025

Eines der größten Chemieunternehmen Sachsen-Anhalts ist in finanzielle Schieflage geraten. Der Firmenverbund DOMO hat nach eigenen...

DWN
Politik
Politik Endet die Koalition 2026 vorzeitig? Schwarz-Rot steht vor einem Schicksalsjahr
29.12.2025

Fünf Landtagswahlen, umstrittene Reformen: Der Dauerwahlkampf kommendes Jahr hat das Potenzial, die Koalition und die Reformprojekte...

DWN
Politik
Politik Gewalttaten nehmen zu: Über 46.000 Fälle von Gewalt gegen Polizisten
29.12.2025

Angriffe, Widerstand, Körperverletzung: Die Zahl registrierter Gewalttaten gegen Polizisten ist auch 2024 weiter angestiegen. Schwarz-Rot...

DWN
Finanzen
Finanzen Kosten der Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen - Bürgergeld größter Block
29.12.2025

Die Ausgaben für Arbeitslosigkeit waren 2024 so hoch wie seit rund zehn Jahren nicht mehr. Warum die Kosten explodieren und was das für...

DWN
Politik
Politik Ökonom Fratzscher: Feiertagsdiskussion ist „Phantomdebatte“
29.12.2025

Wegfallende Feiertage: Aus Arbeitnehmersicht liegen einige Feiertage 2026 ungünstig. Linke und Grüne fordern Ersatz unter der Woche. Ein...

DWN
Politik
Politik BKA-Chef: Russland will unsere Demokratie schwächen
29.12.2025

Russische Sabotage und Spionage nehmen laut BKA-Präsident Münch zu. Er fordert: Deutschland braucht bessere Daten zu Drohnenüberflügen.

DWN
Finanzen
Finanzen Änderungen 2026: Rente, Mindestlohn, Familienleistungen – das ändert sich im neuen Jahr
29.12.2025

Im neuen Jahr 2026 gibt es einige neue Regelungen, die Verbraucher kennen sollten. In den Bereichen Steuern, Strompreise, Kfz-Versicherung...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkauf: Eigentumswohnungen werden erschwinglicher aber nicht für alle
29.12.2025

Eigentumswohnungen sind in Deutschland laut Kreditvermittler Interhyp wieder für mehr Menschen bezahlbar geworden. In fünf Metropolen ist...