Russlands Präsident Wladimir Putin fordert von der Armeespitze eine Verbesserung der militärischen Leistungen in der Ukraine. Die Armee müsse aus den Problemen in der Ukraine lernen und diese beseitigen, sagte das Staatsoberhaupt am Mittwoch vor führenden Vertretern des Verteidigungsministeriums in Moskau. "Wir haben keine finanziellen Beschränkungen. Das Land und die Regierung stellen alles zur Verfügung, worum die Armee bittet." Putin unterstützte den Vorschlag von Verteidigungsminister Sergej Schoigu, die Streitkräfte um mehr als 30 Prozent auf 1,5 Millionen Soldaten aufzustocken. Zugleich verwies der Präsident auf nicht näher bezeichnete Probleme und verlangte, konstruktive Kritik sollte beachtet werden.
"Ich fordere das Verteidigungsministerium auf (...) auch die Kritik zu berücksichtigen und rechtzeitig und korrekt zu reagieren", sagte Putin. Auch mit der russischen Regierung sympathisierende Blogger haben sich in der Vergangenheit bestürzt über die Leistung der russischen Generäle geäußert. Zudem wurde die Aufgabe von eroberten Gebieten nach ukrainischen Offensiven kritisiert. Putin bekräftigte nichtsdestotrotz seinen Willen, alle militärischen Ziele in der Ukraine zu erreichen.
Schoigu sagte, die Streitkräfte müssten auf 1,5 Millionen von 1,15 Millionen Soldaten wachsen. Dies sei erforderlich, "um die Lösung der Probleme im Zusammenhang mit der militärischen Sicherheit Russlands zu gewährleisten". Schoigu zufolge sollten 695.000 Armeeangehörige als Berufssoldaten vertraglich verpflichtet werden - im Gegensatz zu Wehrpflichtigen. Schoigu schlug außerdem vor, die Altersgrenze für die Wehrpflicht auf 30 Jahre anzuheben. Nach dem derzeitigen System können Russen im Alter von 18 bis 27 Jahren zum Wehrdienst einberufen werden. Dies alles dient nach Schoigus Angaben auch dem notwendigen Ausbau der Streitkräfte wegen der Nato-Erweiterung. Daher forderte der 67-Jährige, gerade im Nordwesten Russlands an der Grenze zu den potenziellen neuen Nato-Staaten Schweden und Finnland neue Einheiten aufzustellen.
Putin hatte erst in diesem Sommer angeordnet, die Truppenstärke ab dem 1. Januar 2023 um 137.000 Soldaten auf 1,15 Millionen zu erhöhen. Außerdem hat er in einer umstrittenen Mobilisierungskampagne wegen des Kriegs in der Ukraine mehr als 300.000 Reservisten eingezogen. Die Vereinigten Staaten und westliche Militäranalysten gehen davon aus, dass in den zehn Monaten seit dem Einmarsch Moskaus in die Ukraine Zehntausende russischer Soldaten gefallen sind.
Russland werde seinen Krieg in der Ukraine auch im kommenden Jahr bis zur Erfüllung aller gesetzten Ziele in den besetzten Gebieten umsetzen. "Ich bin sicher, dass wir Schritt für Schritt alle unsere Ziele erreichen", sagte Putin. Seine Rede begann er mit einer Schweigeminute für die im Krieg getöteten russischen Soldaten. Er betonte, dass Russland die annektierten vier ukrainischen Regionen bis zum Schluss verteidigen werde - trotz westlicher Waffenlieferungen.
Putin: Wurde vom Westen abgewiesen
Gegen Russland werde heute praktisch das ganze militärische Potenzial aller Staaten der Nato eingesetzt, behauptete der 70-Jährige in der Sitzung. Der Präsident stellte sich dabei wieder einmal als Opfer dar: Nicht Russland habe die Aggression begonnen, sondern der Westen, der 2014 den Umsturz in der Ukraine unterstützt habe. Die russischen Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Putin sagte weiter, dass er über Jahre eine Annäherung an den Westen versucht habe, aber dort nicht erwünscht gewesen sei.
Die Erfahrung im Kampf gegen den Einsatz von Nato-Waffen in der Ukraine solle analysiert und genutzt werden für den Aufbau der russischen Streitkräfte, sagte Putin. "Unsere militärischen Möglichkeiten wachsen mit jedem Tag."
Zugleich verlangte er ein höheres Tempo bei der Aufrüstung und Modernisierung der Streitkräfte. Als Beispiel nannte der Kremlchef den Einsatz von Drohnen. Dies gilt bisher als ein Schwachpunkt der russischen Streitkräfte. Drohnen müssten auf allen Ebenen der Kampfführung verfügbar sein, sagte Putin. "Jeder Soldat muss die Möglichkeit haben, Informationen von Drohnen zu bekommen."
Waffen-Entwicklung soll Fahrt aufnehmen
Putin und Schoigu kündigten zudem die Indienststellung neuer Waffen an. Trotz Verzögerungen werde Russland seine mit Atomsprengköpfen bestückbare neue Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat bald einsatzbereit haben. "Alles wird realisiert", sagte Putin. Der Präsident räumte ein, dass es "Abweichungen von den Zeitplänen" gebe. Ursprünglich hatten die Raketen (Nato-Codename: SS-X-30 Satan 2) bereits im Herbst bei den Streitkräften stationiert sein sollen. Die Pläne würden in jedem Fall erfüllt, sagte Putin.
Die Rakete hat eine Reichweite von 18 000 Kilometern und ist mit mehreren Atomsprengköpfen bestückbar. Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte, dass im kommenden Jahr 22 Startrampen für Interkontinentalraketen in Betrieb genommen werden sollten, darunter für die Typen Sarmat, Avantgarde und Jars. In Dienst gestellt werden sollten außerdem drei Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-160M, fünf U-Boote und zwölf Kriegsschiffe. Eine Fregatte soll dabei schon im Januar mit Antischiffsraketen vom Typ "Zirkon" ausgestattet werden, die angeblich ebenfalls Hyperschallgeschwindigkeit entwickeln können.
Zum Ende des öffentlichen Teils der Sitzung sagte Putin, dass die Atommacht allen militärischen Herausforderungen gewachsen sei und sich gegen die "Bedrohung durch die Nato" zu verteidigen wisse. Zugleich betonte er, dass sich Russland - anders als die Sowjetunion im Kalten Krieg - in der Konfrontation mit dem Westen nicht kaputtrüsten werde. Es solle keine "Militarisierung der Wirtschaft" und keine "Kriegswirtschaft" geben, die dem Land schade, so Putin.