Technologie

Wie will Elon Musk Twitter eigentlich verändern?

In Teil 2 des großen DWN-Berichts geht es darum, wie Elon Musk Twitter im Hinblick auf Rentabilität, Funktionsweise und Unternehmenskultur umkrempelt. Die Strategie ist riskant, könnte aber am Ende aufgehen.
Autor
01.01.2023 08:24
Lesezeit: 3 min

Wie macht sich die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter durch Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk etwa zwei Monate danach bemerkbar?

Neben einem neuen Dauerthema, nämlich eben der Übernahme Twitters durch Elon Musk samt aller damit verbundenen Debatten, Enthüllungen und Skandalen, hat sich vor allem die Moderationskultur der Plattform verändert, wie der erste Teil des DWN-Berichts über Musks Twitter-Übernahme aufzeigte.

Diskussionen verliefen vor allem unter politischen Vorzeichen

Die Veröffentlichung der „Twitter Files“ seitens von Musk ausgewählter Journalisten hatte das Themen in den USA jüngst in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Die Diskussion verlief dabei vor allem unter den Vorzeichen der politischen Auswirkungen der Musk-Übernahme.

Zwar wurde auch die Perspektive werbender Unternehmen mit einbezogen, die sich – aufgrund eines zunehmend unsicherer erscheinenden inhaltlichen Umfelds der von ihnen geschalteten Werbung – seit der Musk-Übernahme reihenweise von Twitter zurückzuziehen begannen. Doch die Perspektive des Unternehmens selbst wurde dabei, verständlicherweise, zum Nebenthema.

Da kursierten Meldungen, einerseits über Massenentlassungen und noch unbeglichene Mietkostenforderungen des Twitter-Hauptquartiers, andererseits über den tyrannischen Führungsstil des neuen Chefs. Viele Kommentatoren und Beobachter waren sich schnell einig, dass die Tage Twitters seit der Übernahme durch Musk als gezählt gelten dürfen.

Der vielfach prognostizierte Twitter-Blackout blieb bislang noch aus

Und in der Tat häuften sich Berichte über eine seitdem erhöhte Anzahl von Spam-Postings und abwertenden Kommentaren, nicht zuletzt bedingt durch vielfache Entlassungen früherer Content-Moderatoren – wenn auch gegenläufige Stimmen ein stärkeres Vorgehen gegen Inhalte, die in Verbindung mit sexuellem Missbrauch von Kindern stehen, lobten.

Aber der große, vielfach prognostizierte Twitter-Blackout blieb bislang noch aus. Und das, obwohl Massenentlassungen, wie Musk sie durchgeführt hat, in der Tat große Risiken bergen: Mit vielen langjährigen Mitarbeitern geht zwangsläufig auch viel langjährig angesammeltes Wissen über die Organisation verloren.

Gleichsam kann das Umkrempeln eines großen, komplexen Unternehmens, wie Musk es anstrebt, eine Chance darstellen. Für den neuen Twitter-Chef ist es aber nicht nur eine Chance, sondern eher noch Ausdruck des Kampfes um das finanzielle Überleben Twitters.

Musk rechtfertigt seine riskante Strategie mit mangelnden Einnahmen

Seine beizeiten radikal anmutenden Einschnitte rechtfertigt er immerhin mit mangelnden Einnahmen des Unternehmens und einem deshalb inzwischen notwendig gewordenen Sparkurs.

Das passt zu Vorwürfen ehemaliger Mitarbeiter, die der alten Führung Twitters fehlenden Willen zur Innovation nachsagten und viele ungenutzte Potenziale brachliegen sahen. Demgegenüber ist Musks neuer Führungsstil innovationsfreundlich und alles andere als risikoavers.

Und das auch abgesehen von den Dramen, die sich beständig um seine Person und seine Entscheidungen entspinnen – wie zuletzt die Sperrung von Journalisten aufgrund einer kurzfristig und intransparent eingeführten Regeländerung.

Twitter-Nutzer erleben Veränderungen im Wochen- oder gar Tagestakt

So werden Twitter-Nutzer im Wochen- oder gar im Tagestakt mit Veränderungen konfrontiert. Beispielsweise waren Verifizierungshaken früher nur über ein bürokratisches Verifizierungsverfahren zu erhalten. Inzwischen können sich Nutzer gegen eine geringe Gebühr selbst verifizieren lassen – laut Musk ließen sich nur so die vielen Bots auf der Plattform bekämpfen.

Auch waren früher alle Verifizierungshaken einheitlich blau, wohingegen nun verifizierte Unternehmen einen goldenen, und verifizierte Einzelpersonen einen blauen Haken neben ihrem Nutzernamen erhalten. Politiker, Behörden und staatsnahe Medien kriegen wiederum einen grauen Verifizierungshaken.

Außerdem können Twitter-Nutzer seit neuestem nicht nur wie gewohnt die Anzahl der Likes und Retweets eines Twitter-Postings sowie der Kommentare darunter einsehen, sondern auch die Anzahl der Tweet-Ansichten. Inzwischen hat Musk jedoch auch klargestellt, dass diese Funktion künftig auch abgeschaltet werden können soll.

Musk geriert sich als Reaktionär am Arbeitsplatz

Und auch die zuvor angesprochene Unternehmenskultur erlebt schwerwiegende Veränderungen: Konnten sich Twitter-Mitarbeiter – wie geleakte Aufnahmen zeigten – früher noch über eine geradezu „sozialistisch“ lockere Kultur am Arbeitsplatz freuen, legt Musk großen Wert darauf, dass seine Mitarbeiter lange und vor allem auch vor Ort arbeiten.

Präsenz und Leistung also statt Work-Life-Balance und Homeoffice. Natürlich sind das keineswegs Gegensätze – für Elon Musk scheinen sie es jedoch zu sein. In der Hinsicht geriert sich der neue Twitter-Chef sich als Reaktionär am Arbeitsplatz, der die durch die Pandemie beschleunigte Transformation der Arbeitswelt nicht mitzutragen gedenkt.

Gleichzeitig ist Musk unter Arbeitgebern mit dem Wunsch nach physischer Präsenz seiner Mitarbeiter keineswegs allein – nachdem die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, während der Corona-Pandemie zur Selbstverständlichkeit wurde, müssen Arbeitgeber und -nehmer nun über sie verhandeln.

Welche Vision Musks Führungsstil trägt

Zuletzt gilt es noch anzumerken, dass der Führungsstil Musks von einer Vision Twitters als Zentrum der weltweiten virtuellen Diskussion und des Bürger-Journalismus getragen wird – einer Vision, die durchaus umstritten ist, gerade darum, wenn es um die Rolle der Meinungsfreiheit in ihr geht.

Sollte sich Musk auch, wie Gerüchte besagen, nach einem Nachfolger umschauen, dürfte diese Vision, genauso wie der zuvor aufgeführte Innovationsmut, weiter prägend für die Unternehmenskultur bleiben – wohlgemerkt nur, wenn Musk sein Vorhaben nicht gerade gänzlich aufgibt, sondern im Hintergrund aktiv bleibt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

 

DWN
Technologie
Technologie Fahrerlose Taxis in Hessen: Chinesische Technik, deutscher Pilotbetrieb
01.06.2025

In Deutschland startet das erste Pilotprojekt für autonome Taxis: Ohne Fahrer, aber mit Überwachung aus der Ferne. Ein Modell mit...

DWN
Technologie
Technologie Goldrausch 2.0: Wie Google KI neu definiert – und Europa zuschaut
01.06.2025

Google I/O 2025 bietet einen tiefen Einblick in die nächste Ära der Künstlichen Intelligenz – von echten 3D-Videocalls bis hin zu...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...