Finanzen

Banken bereiten sich auf stärksten Stellenabbau seit 2008-Krise vor

Weitere Entlassungen werden voraussichtlich „brutal“ sein nach bereits massiven Kündigungen in den letzten Monaten. Investmentbanking-Erträge sind eingebrochen, Management steht unter Druck.
23.01.2023 18:45
Aktualisiert: 23.01.2023 18:45
Lesezeit: 3 min
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Banken bereiten sich auf den größten Personalabbau seit der globalen Finanzkrise vor, nachdem Investmentbanking-Erträge eingebrochen sind und Führungskräfte stark unter Druck stehen, Kosten zu senken.

Credit Suisse, Goldman Sachs, Morgan Stanley und die Bank of New York Mellon haben in den letzten Monaten begonnen, mehr als 15.000 Stellen abzubauen. Branchen-Experten gehen davon aus, dass weitere Banken in Kürze folgen werden.

„Wir sehen Warnschüsse aus den USA,“ sagte Thomas Hallett, Analyst bei Investmentbanking-Firma Keefe, Bruyette & Woods der Financial Times. „Anleger wollen sehen, dass das Management auf Kosten achtet und ein vernünftiges Renditeprofil beibehält. Die Europäer werden eher dazu neigen, den US-Banken folgen,“ so Hallett.

Co-Leiterin des globalen Bankwesens bei Moody‘s, Ana Arsov, rechnet damit, dass der Stellenabbau weniger stark ausfallen wird als während der Finanzkrise, aber stärker als nach dem Dotcom-Crash im Jahr 2000. „Wir sehen ein Nachholen der normalen Entlassungen bei den Banken, die in den letzten Jahren auf Eis gelegt wurden“, sagte Arsov. „Wir erwarten, dass es auch in den europäischen Franchiseunternehmen zu Kürzungen kommen wird, aber nicht so stark wie bei den US-Banken.“

Bank-Sektor erlebt einen „Neustart“

Die Entlassungen sind das Gegenteil von den Masseneinstellungen bei Banken in den letzten Jahren und der Zurückhaltung, Mitarbeitern während der Covid-19-Pandemie zu kündigen. Einige Marktbeobachter reden von einem „re-set“ weil Banken in den letzten zwei bis drei Jahren zu viele Mitarbeiter eingestellt haben. Aus diesem Grund erwartet Lee Thacker, Inhaber der Headhunting-Firma Silvermine Partners „äußerst brutale“ Stellenstreichungen.

Goldman Sachs hat letzte Woche damit begonnen, bis zu 3,200 Mitarbeiter zu entlassen - 6,5 Prozent der Belegschaft - da der Druck auf den Vorstandsvorsitzenden David Solomon wächst, die Eigenkapitalrendite der Bank zu verbessern. Die Zahl der Entlassungen sind ähnlich wie im Jahr 2008, als die globale Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte, doch damals beschäftigte die Bank nur zwei Drittel der heutigen Mitarbeiterzahl.

Bei Morgan Stanley wurden im Dezember 1,800 Mitarbeiter entlassen, etwas mehr als zwei Prozent der Belegschaft. Obwohl die Investmentbank über ein starkes Vermögensverwaltungsgeschäft verfügt, litt sie ebenso wie Rivale Goldman Sachs darunter, dass sich die Einnahmen aus Zusammenschlüssen und Übernahmen (mergers & acquisitions) im vergangenen Jahr nahezu halbierten. Die Bank sagte, dass kein weiterer Personalabbau bevorstehe.

Die Bank of New York Mellon, die größte Depotbank der Welt, will in der ersten Jahreshälfte knapp drei Prozent ihrer Belegschaft - rund 1.500 Mitarbeiter - abbauen „im Rahmen der üblichen Überprüfung des Personalbestands,“ so Geschäftsführer Robin Vince.

Größte Kürzungen bei Credit Suisse

Die bei weitem größten Kürzungen wurden bisher von der Schweizer Großbank Credit Suisse angekündigt, die sich mitten in einer radikalen strategischen Neuausrichtung befindet. Im vergangenen Oktober sagte die Bank, dass sie in den nächsten Wochen 9.000 Stellen von ihren 52.000 Mitarbeitern streichen würde. Während 2.700 der Stellenstreichungen im letzten Jahr geplant waren, hat die Bank bereits Beratungen über die Entlassung von 10 Prozent der Investmentbanking-Funktionen in Europa eingeleitet, der Financial Times zufolge. Während der 2008-Finanzkrise musste die Bank mehr als 7000 Mitarbeitende entlassen, konnte aber ein staatliches Rettungspaket vermeiden.

Das Kunden-Vertrauen in der Schweizer Großbank bleibt angeschlagen trotz der im Oktober angekündigten radikalen strategischen Neuausrichtung. Credit Suisse will mit einer Kapitalerhöhung, Entlassungen im großen Stil und einem radikalen Umbau des Investmentbankings aus der Krise kommen, in der sie geraten ist. Auch der Einstieg der Saudi National Bank soll helfen.

Gegen den Trend: UBS

Zumindest eine globale Bank will aufstocken und nicht kürzen, wenn auch auf gezielte Weise. UBS-Chef Ralph Hamers sagte der Financial Times bei dem 2023-Weltwirtschaftsforum in Davos letzte Woche, dass das Schweizer Kreditinstitut bei der Rekrutierung von Mitarbeitern "gegen den Trend" arbeite. Im Gegensatz zu ihren Konkurrenten hat UBS in den letzten Jahren nicht aggressiv eingestellt und steht daher nicht unter Druck, Stellen abzubauen. Die Bank hat in den letzten zehn Jahren auch mehr Ressourcen für den Vermögensmanagement-Bereich bereitgestellt. Führungskräfte sind der Meinung, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sei, um mehr in die Investmentbank zu investieren, da sich die Konkurrenz zurückzieht.

Einige der größten Stellenstreichungen im Jahr 2008 kamen von Banken, die Konkurrenten die durch die Finanzkrise in die Knie gezwungen worden waren, gerettet haben. So hat die Bank of America zum Beispiel 10,000 Mitarbeiter entlassen als sie Merrill Lynch übernahm, und JPMorgan hat 9,200 Mitarbeiter von Washington Mutual entlassen, als das Finanzunternehmen die größte Spar- und Darlehenskasse der USA übernahm.

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Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

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