Spaniens Wirtschaft hat 2022 ein kräftiges Wachstum hingelegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg um 5,5 Prozent, wie das nationale Statistikamt am Freitag mitteilte. Dabei entwickelte sich das BIP im Schlussquartal mit plus 0,2 Prozent etwas besser als erwartet. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit einem Zuwachs von 0,1 Prozent gerechnet.
Die viertgrößte Volkswirtschaft im Euroraum verzeichnete damit das siebte Quartal in Folge Wachstum, trotz eines Rückgangs des privaten Verbrauchs. Im Vergleich zum Vorjahresquartal, das noch im Zeichen der Corona-Krise stand, ergab sich im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 sogar ein Plus von 2,7 Prozent.
Die öffentlichen Ausgaben trieben die Wirtschaft im Schlussquartal 2022 an und machten den Rückgang des privaten Verbrauchs und der Investitionen mehr als wett. Spanien hat bereits 31 Milliarden Euro an europäischen Geldern aus dem Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erhalten. Die Regierung erwartet, dass diese Geldspritze ihr volles Potenzial erst im laufenden Jahr entfalten wird.
Die Konjunkturaussichten haben sich im Zuge der weltweiten Konjunkturflaute allerdings eingetrübt: Die Europäische Kommission sagte in ihrer Herbstprognose voraus, dass das spanische BIP dieses Jahr nur noch um 1,0 Prozent zulegen wird - dies auch wegen der Folgewirkungen des Ukraine-Krieges. Die Regierung in Madrid erwartet ein Plus von 2,1 Prozent.
Damit dürfte das Plus beim BIP in Spanien auch 2023 deutlich kräftiger ausfallen als in Deutschland: Für das Gesamtjahr rechnet die Bundesregierung in Berlin nur mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent. 2022 hatte die hiesige Wirtschaft um 1,9 Prozent zugelegt.
Warum wächst die deutsche Wirtschaft viel langsamer?
Die deutsche Wirtschaft hat im vergangenen Jahr nur 1,9 Prozent zugelegt. Die Energiekrise verhinderte ein stärkeres Wachstum nach dem Ende der Corona-Einschränkungen. Immerhin hat die Wirtschaft erstmals wieder das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 übertroffen, und zwar um 0,7 Prozent.
"Die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland war 2022 vor allem geprägt von den Folgen des Kriegs in der Ukraine, zu denen extreme Energiepreiserhöhungen zählten", sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamts, Ruth Brand, am Freitag in Berlin. Ende 2022 habe das Bruttoinlandsprodukt nach ersten Einschätzungen stagniert. Damit könnte Deutschland eine Winter-Rezession gerade so erspart bleiben.
Trotz Kaufkraftverlusten wegen der Rekordinflation von 7,9 Prozent kurbelten im vorigen Jahr vor allem Verbraucher mit 4,6 Prozent höheren Konsumausgaben die Konjunktur an. In den ersten Corona-Jahren hatten viele Menschen wegen ausgefallener Reisen, Restaurant- oder Konzertbesuchen zusätzlich Geld gespart, das nun zumindest teilweise wieder ausgegeben wurde.
Die Sparquote der privaten Haushalte sank gegenüber dem Vorjahr um rund vier Prozentpunkte auf 11,2 Prozent und näherte sich damit wieder dem Vor-Corona-Niveau. Zudem investierten Unternehmen 2,5 Prozent mehr in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge. Dagegen sanken die Bauausgaben wegen gestiegener Kreditkosten und Lieferengpässen um 1,6 Prozent. Die Exporte kletterten um 3,2 Prozent. Da aber die Importe mit 6,7 Prozent stärker anzogen, bremste der Außenhandel unterm Strich das Wirtschaftswachstum.
"Die wirtschaftliche Abschwächung über das Winterhalbjahr wird nach den Daten, die wir aktuell haben, milder und kürzer sein als erwartet", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Das Wachstum von 1,9 Prozent zeige, dass die Staatshilfen 2022 Wirkung zeigten, betonte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Wichtig sei nun, eine ökonomische Zeitenwende einzuleiten. Dazu gehörten steuerliche Investitionsanreize und "weniger bürokratische Fesseln".
Die Folgen des Ukraine-Kriegs in puncto Inflation und Energiekrise belastet die Firmen. "Viele Unternehmen haben 2022 in einen Abgrund geblickt", sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). "Wir sind nicht abgestürzt, aber wir haben das Tal des drohenden Abschwungs auch noch nicht durchschritten." Dies sieht die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ähnlich. "Die aktuelle Lage bleibt angespannt", warnte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben mit Blick auf die Energiekrise und weltweit trübe Konjunkturaussichten. Die Weltwirtschaft nähert sich nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) immerhin langsam der Talsohle. Die Prognose für das Wachstum in diesem Jahr von 2,7 Prozent werde vermutlich nicht mehr weiter nach unten korrigiert, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.
Die deutsche Wirtschaft habe sich Ende 2022 "gar nicht so schlecht" entwickelt, sagte die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, jüngst im Reuters-Interview. Es sei gelungen, einen Engpass in der Gasversorgung abzuwenden. "Und es ist auch für diesen Winter ganz sicher nicht davon auszugehen, dass wir eine solche Gasmangellage bekommen werden." (Reuters)